Wer plant, ein neues Gebäude zu errichten oder ein bestehendes Gebäude umbauen oder erweitern möchte, benötigt dafür in der Regel eine Baugenehmigung. Die Baugenehmigung wird auf Antrag von der örtlich zuständigen Bauaufsichtsbehörde erteilt, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Wird die beantragte Baugenehmigung erteilt und das Vorhaben entsprechend der erteilten Baugenehmigung umgesetzt, gewährt die Baugenehmigung einen sogenannten formellen Bestandsschutz. Hierunter versteht man, dass die genehmigte bauliche Anlage vor nachträglichen bauaufsichtlichen Maßnahmen geschützt ist. Sofern das zuständige Bauamt einmal eine Genehmigung für ein Gebäude erteilt, darf diese auch erhalten bleiben. Selbst wenn sich im Nachhinein die gesetzlichen Anforderungen ändern, kann dies nicht zu Ihrem Nachteil als Hauseigentümer verwendet werden.

Einen sogenannten materiellen Bestandschutz genießen bauliche Anlagen, die zwar ohne formelle Baugenehmigung errichtet wurden, die aber über einen nicht unerheblichen Zeitraum seit der Errichtung dem öffentlichen Baurecht entsprachen und während dieser Zeit mithin genehmigungsfähig waren.
Der Bestandsschutz kann jedoch auch wieder entfallen. Das ist in der Praxis häufig dann der Fall, wenn nachträglich Änderungen an dem Objekt vorgenommen werden. Zwar führt nicht jede bauliche Änderung zum Erlöschen des Bestandsschutzes. Ab einer gewissen Qualität kann diese Rechtsfolge jedoch eintreten. Insbesondere genehmigungspflichtige Änderungen können den Bestandsschutz entfallen lassen, wenn nicht zuvor die dafür notwendige Baugenehmigung eingeholt wird.

Ist der Bestandsschutz entfallen, kann dies sehr weitreichende negative Konsequenzen haben. Es droht die Nutzungsuntersagung und ggf. sogar der Abriss.

Um einem solchen Horrorszenario zu entgehen, sollte man vorschnelles Drauflosbauen unbedingt vermeiden. Umbaumaßnahmen müssen sorgfältig geplant werden. Bei Zweifeln darüber, ob die geplante bauliche Veränderung genehmigungspflichtig ist, sollten sich Bauherren am besten von einem Architekten beraten lassen oder direkt Kontakt mit dem Bauamt und ggf. der Denkmalschutzbehörde aufnehmen, sofern es sich bei dem Gebäude um ein geschütztes Denkmal handelt.

Auch beim Kauf „gebrauchter“ Immobilien spielt der Bestandsschutz eine große Rolle für den Grundstückserwerber. Ist die formelle Baurechtmäßigkeit des Gebäudes streitig, obliegt es dem Eigentümer und nicht der Bauaufsichtsbehörde, die Baugenehmigung beizubringen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Gebäude zulässigerweise errichtet wurde, trifft grundsätzlich den Eigentümer, wie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen kürzlich noch einmal klargestellt hat (Beschluss vom 09.02.2022 – 2 B 1964/21).

Um bösen Überraschungen wie etwa der Gefahr einer Nutzungsuntersagungs- oder Abrissverfügung vorzubeugen, sollten sich Käufer gebrauchter Immobilien vor der Beurkundung des Kaufvertrages die Baugenehmigung zeigen lassen und im eigenen Interesse prüfen, ob der Gebäudebestand auch tatsächlich der formellen Genehmigungslage entspricht.

Beim Kauf des Grundstücks sollte dann auch darauf Wert gelegt werden, dass eine Dokumentation der Bauakte mit übertragen wird, da man nicht stets darauf vertrauen kann, dass sich alle Genehmigungsunterlagen auch in den öffentlich zugänglichen Archiven der Behörden befinden.

Björn Lippke
Rechtsanwalt in der Kanzlei KH&S
Dr. Kruse, Hansen & Sielaff
Rechtsanwälte, Fachanwälte,
Notare
Stuhrsallee 35, 24937 Flensburg
Tel. 0461-520770

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