Keine Frage: Bela Bergemann fühlt sich für die Aufgabe des Innenstadt-Managers berufen. Ihn reizen die vielfältigen Herausforderungen und die vielen Faktoren, die in Flensburgs City zum Tragen kommen. Im Geflecht von Erwartungen und Anforderungs-Profil bewertet er das erste Jahr in seiner neuen Funktion allerdings selbst als „durchwachsen“. Nun ist er froh, dass erste Fördergelder bewilligt worden sind und konkrete Anträge für Innenstadt-Projekte auf den Weg gebracht werden können.
Seit Mai 2021 hat Flensburg einen Innenstadt-Manager. Endlich, möchte manch einer meinen. In anderen Städten Schleswig-Holsteins hatte man schon längst einen solchen Posten geschaffen. Lange bevor Corona-Einschränkungen die Sorgen um die zentrale Zone der Urbanität weiter forcierten. Bela Bergemann erinnert sich noch sehr gut an sein Vorstellungsgespräch. „Ich denke strategisch und versuche, die verschiedenen Akteure miteinander zu verknüpfen“, hatte er damals in die Waagschale geworden. Zugleich betonte er: „Ich sehe mich nicht als Event-Manager, und ich werde nicht Klinken putzen, um Fördermittel zu beschaffen.“ Es kam anders.

Sein erstes Event

Am 8. Mai war der erste verkaufsoffene Sonntag in Flensburg. Die Ladenöffnungen waren nur mittels einer besonderen Veranstaltung möglich. Doch rund sechs Wochen vorher zogen die Organisatoren einer „Kunst- und Kulturmeile“ zurück. Zu einem Zeitpunkt, als sich viele Geschäfte schon auf dieses Ereignis ausgerichtet hatten. Die Stadt wollte den Gewerbetreibenden eine plötzliche Absage nicht zumuten. Das Rathaus und damit auch Bela Bergemann wurden aktiv. Nun hieß es „Lekker wählen“. Kleinkunst, Straßenmusik, Skater-Anlage und Kinder-Aktivitäten traten in Erscheinung. „Es war wegen der Kürze der Zeit etwas mit heißer Nadel gestrickt, aber insgesamt kam es gut an“, bilanzierte Bela Bergemann „sein“ erstes Event.

Eröffnung Aachener

Kritik an fehlender Präsenz

Er selbst fremdelt etwas mit seiner Bezeichnung als „Manager“. „Ich habe ja keine Weisungsbefugnis und eigentlich auch kein Budget“, erklärt er. Zunächst wurden ihm 20.000 Euro zur Verfügung gestellt – für ein gesamtes Jahr. Mit einer solchen Summe ist es schon schwer, im Zentrum ein Büro anzumieten. Notgedrungen ging es doch um Fördergelder: Ein Batzen von Antragsformularen und auch ganze Konzepte mussten eingereicht werden. Bela Bergemann war in dieser Zeit kaum zwischen Roter Straße und Nordertor unterwegs, sondern saß im stillen Kämmerlein und beschäftigte sich mit der Bürokratie. Die Kritik an einer fehlenden Präsenz kann er „gut nachvollziehen“.
Inzwischen kann der Innenstadt-Manager anderthalb Erfolge verkünden. Kiel bewilligte für die „Förderung der Innenstadtentwicklung“ 495.000 Euro. Um den Bundes-Fördertopf „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ hat sich indes eine Hängepartie entwickelt. In Berlin kommt man mit der Bearbeitung der umfangreichen Anträge kaum hinterher. Einen positiven Zwischenbescheid soll es aber geben: Flensburg bemüht sich um 2,3 Millionen Euro, die um Eigenmittel in Höhe von 300.000 Euro aufgestockt werden müssten.

Mobilitätsfest; Foto: Kira Kutscher / nordpool

Was soll mit den externen Finanzspritzen geschehen?

Für die 495.000 Euro aus Kiel wurde bereits der Förderfonds „Deine Innenstadt, Deine Ideen“ aufgelegt. Ein primäres Ziel ist es, die Leerstände zu reduzieren und für gute Konzepte zwei Jahre lang die Miete zu subventionieren. Zwei „flankierende Säulen“ betreffen die Werbe- oder Personalkosten bei Veranstaltungen sowie optische Verschönerungen wie Reinigung oder Fassaden-Begrünung.
Für die erhofften weiteren 2,6 Millionen Euro existiert schon ein Konzept mit dem Obertitel „Erlebnismeile“, in dessen Grundgedanken auch die Konkurrenz mit CITTI-Park, Förde Park und Online-Handel eingeflossen ist. „Können wir die Innenstadt lebensfähig machen, indem wir nur auf Shopping setzen?“, fragt Bela Bergemann rhetorisch. „Nein, das ist kein Zukunftsmodell!“ Neben der Grund-Daseins-Funktion „Einkaufen“ müssten die 1,8 Kilometer zwischen Roter Straße und Nordertor erlebbar gemacht werden. Die Gelder sollen für tiefgründige Konzepte verwendet werden. Ebenso zur Anmietung zweier Leerstände. Der eine soll für eine Kinder-Betreuung in der Fußgängerzone genutzt werden, der andere für einen Wettbewerb „Die coolste Idee“. Außerdem ist eine mehrtägige Großveranstaltung geplant – nicht am Hafen, sondern in der Innenstadt. Vielleicht wird es eine „Fashion-Week“, deutet Bela Bergemann an. Ein erstes Brain-Storming sei gemacht worden.

Die Aufgaben sind vielschichtig

Keine Frage: Die Aufgaben eines Innenstadt-Managers sind vielschichtig und schreien nach einem „ganzheitlichen Ansatz“, wie ihn der Amtsinhaber pflegen möchte. Ein interdisziplinäres Denken fußt offenbar auf seiner Vita. Bela Bergemann wurde im Ruhrgebiet geboren, wuchs in Ostfriesland und Mittelfranken auf und studierte schließlich Germanistik und Geographie. Seine vielen Interessen und Neigungen führten ihn als jungen Mann zunächst zu einer Stadtentwicklungsgesellschaft, ehe er in Kaiserslautern an der Technischen Universität im Verkehrswesen dozierte und sich zwischen Tiefgaragen-Planung und Fußgänger-Lenkung bewegte. Dann kümmerte er sich in Göttingen und Karlsruhe um das Marketing und die Tarife von Verkehrsgesellschaften und wechselte nach Kiel, als die Nord-Ostsee-Bahn gegründet wurde.
Bela Bergemann war sogar international tätig, und zwar für „Sydtrafik“. „Meine Frau und ich hatten damals überlegt, ob wir nach Dänemark ziehen oder in Deutschland bleiben sollten“, erzählt er. Es wurde Flensburg. Der Neubürger pendelte dann stets nach Vejen und strukturierte ab 2008 das Regionalbus-Netz in Südjütland neu. „Seitdem fährt die Linie von Sonderborg nach Krusa einmal stündlich auch bis Flensburg“, lächelt der 59-Jährige.
Bei Terminen traf er häufiger Kollegen von „Aktiv-Bus“. Aus ersten Kontakten wurde 2012 eine Festanstellung beim Flensburger Busunternehmen – als „Leiter Tarif & Strategisches Marketing“. Acht Jahre hielt die Verbindung, die längste Zeit für ihn bei einem Arbeitgeber. „Ich möchte noch einmal etwas ganz anderes machen“, dachte er sich schließlich. „Der Verkehr ist eine Branche, in der es in vielen Bereichen auch etwas altbacken zugeht, gerade für einen unorthodoxen Geist wie mich.“ Er bewarb sich bei der Stadt erfolgreich für das Projekt „Blumen bauen Brücken“, der Idee einer grenzüberschreitenden Gartenschau.
Nach wenigen Monaten wurde im Rathaus eine neue Stelle ausgeschrieben, die eines Innenstadt-Managers. Bela Bergemann fühlte sich gleich angesprochen. „Wir haben ein tolles Potenzial in Flensburg, wenn ich an die städtebauliche Substanz, an die Kaufmannshöfe, an die generelle Lage, an die vielfältige Ausstattung der Geschäfte sowie an die umfangreiche Gastronomie und die zahlreichen Kultureinrichtungen denke“, sagt der Innenstadt-Manager. Es ginge nicht nur um Einzelhandel, sondern auch um Immobilienwirtschaft, Verkehr und Tourismus.
Eine enorme Komplexität, die Bela Bergemann mit seiner großen Berufserfahrung abzudecken versucht. Er erzählt, dass er auch als Kultur-Manager ausgebildet ist und sich im Gespräch mit vielen unterschiedlichen Menschen als Vermittler sieht. „Noch ist nicht viel zu sehen“, sagt er. „Wir haben erst angefangen.“ Seit einigen Wochen gibt es eine Kollegin: Jennifer Bethge. Im Oktober kann wohl ein Büro in einem Innenhof am Holm bezogen werden – als zusätzliche Anlaufstelle.

Der Innenstadt-Beirat

Mitte September traf sich der Innenstadt-Beirat, besetzt mit Vertretern aus Handel, Gastronomie, Tourismus, Bauwirtschaft und Stadtverwaltung, zu einer vierstündigen Sitzung im Rathaus. Eine erste Welle von 14 Anträgen war für den neuen Förderfonds „Deine Innenstadt, Deine Ideen“ eingegangen. Jeder Vorschlag basierte auf völlig unterschiedlichen Konzepten und Summen. Das Gremium verglich, diskutierte und beriet sich, dann folgten Zustimmung, Ablehnung oder Nachbesserungswünsche. Für Oktober steht eine zweite Runde ins Haus. Es scheint voranzugehen. Bela Bergemann sagt mit einem Lächeln: „Auf einem Acker befinden sich eine Menge Unkraut und auch Giftstoffe oder Sondermüll. Dann muss ich erst einmal dekontaminieren, umpflügen und schließlich säen. Und dann muss ich warten, bis es wächst.“ Er macht eine kurze Pause: „Wir in Flensburg sind noch bei der Bodenbearbeitung.“
Dazu gehören auch Datenerhebungen. Zum Beispiel ein Leerstand-Kataster. Welche Räumlichkeiten sind frei? Welche Größe und welchen Zuschnitt haben sie? Mit oder ohne Küche beziehungsweise Toiletten? Mit diesen Grundlagen soll bei Anfragen eine schnellere Vermittlung möglich sein. Zudem zeigen sie Trends auf. Laut Statistik waren am Holm zuletzt sieben Prozent der Immobilien frei. Bei einer natürlichen Fluktuation von fünf bis sechs Prozent kein alarmierender Wert. In der Großen Straße hingegen betrug die Quote 17 Prozent. Demnach sollte der Fokus darauf gerichtet sein, diesen Teil der Fußgängerzone zu beleben.
Allerdings sagen Zahlen nicht alles. Zählt man als Besucher der Flensburg Galerie die Zahl der aktuell dort noch leerstehenden Läden, dann ergibt sich ein beunruhigender Eindruck. Doch Bergemann weiß von der Center-Managerin: „95 Prozent der Flächen sind vermietet!“ Das heißt: Es sind schon viele neue Mietverträge unterschrieben, aber es dauert noch, bis die neuen Mieter ihre Räume hergerichtet und mit Ware bestückt haben.

Bergemanns Visionen

Bela Bergemann hat die Visionen für mehr. So liege die Aufenthaltsqualität am Südermarkt im Argen. Und auch die „Zugänge“ zur Innenstadt könnten aufgewertet werden. „Die Rote Straße ist versteckt, die Doktor-Tod-sen-Straße und die Angelburger Straße sind nicht sonderlich einladend, und in der Rathausstraße ist nichts los“, analysiert der Innenstadt-Manager. Seine Vorschläge: die Fußgängerzone erweitern und Elemente wie Springbrunnen, Grünflächen oder Eiscafé zu einer „Einladung“ zusammenfügen – mit der klaren Ansage: Hier beginnt die Innenstadt!

Innenstadtbeirat

Text: Jan Kirschner
Fotos: Kirschner und Innenstadtmanagement

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