Thomas Rasmussen, der Bürgermeister von Handewitt, war kürzlich privat in Brandenburg unterwegs. In der Lausitz gibt es ein riesiges Braunkohlerevier. Die zahlreichen Überbleibsel des Tagebaus werden in eine große Seenlandschaft verwandelt. Das Nordlicht sah, wie eine riesige Mulde gerade mit Wasser geflutet wurde. Bei dieser Beobachtung gingen die Gedanken in Richtung Heimat, wo Radfahrer und Spaziergänger die Wanderwege bei Hüllerup und Haurup nutzen oder sich der neue Badesee in Wanderup alljährlich zum sommerlichen „Hot Spot“ mausert. „Wie weit die Gemeinden Handewitt und Wanderup doch vorangekommen sind“, meint Thomas Rasmussen. „Der Kiesabbau läuft noch, aber wir haben schon viel für den Naturschutz und den sanften Tourismus umgesetzt.“

Das Seenland um Flensburg: Naturschutz und Naherholung statt Kiesabbau
Der Kiesabbau geht weiter

Das Projekt heißt „Seenland um Flensburg“. Es erstreckt sich vom Südrand des großen Handewitter Waldes über Hüllerup, Haurup und Haurup-Hoffnung bis nach Wanderup. Es umfasst neun stille Gewässer mit einer Wasserfläche von 250 Hektar. Das gesamte Areal wird in den kommenden Jahren weiter florieren, da der Kiesabbau längst nicht abgeschlossen ist. Wenn irgendwann alle potenziellen Kiesgruben ausgebeutet sein werden, ist die Gesamtoberfläche der Stillgewässer auf rund 450 Hektar angewachsen.

Badesee und angedachter Campingplatz

Auf der Geest gibt es mehrere Nachbarschaften von Überbleibseln des Kiesabbaus, aktiver Förderung und ruhender Naturoasen. Den bunten Landschaftsteppich bereichert die Infrastruktur der Naherholung. Das prominenteste Beispiel ist der neue Badesee in Wanderup – mit Sandstrand. Vor einigen Jahren wurde ein Multifunktionsgebäude errichtet. Unter dem Dach befinden sich nicht nur Toiletten, sondern auch ein Schulungsraum. In Wanderup hat sich sogar ein DLRG-Stützpunkt gegründet, der vereinsrechtlich zur Selektion Jarplund-Weding gehört. Zwischen Mitte Juni und Anfang September wird der Badesee am Wochenende bewacht.

Das Seenland um Flensburg: Naturschutz und Naherholung statt Kiesabbau
Der neue Badesee in Wanderup

Auf dem Gemeindegebiet Handewitt galt einige Jahre lang eine Swingolf-Anlage als Freizeit-Highlight. Inzwischen ist der Betrieb eingestellt. Es blieb nur die „Golfstube“ als gemütlicher Treffpunkt und Veranstaltungsort. Ein Campingplatz bei Haurup wurde bislang nicht realisiert. Eine Investoren-Idee mit über 100 Stellplätzen widersprach den Grundsätzen eines sanften Tourismus. Das Vorhaben wurde deshalb auf einige Wohnmobil-Plätze und einige Ferienhäuser geschrumpft. Nach dem Aufstellungsbeschluss für das nötige Bauleitverfahren ist das Vorhaben allerdings in einen Dornröschenschlaf gefallen.

Wanderwege und Lehrpfad

Sieben beschilderte Wanderwege, benannt nach typischen Vogelarten, durchziehen das „Seenland um Flensburg“. Einige Aussichtsplattformen zieren schon Sichtfenster. Die jüngste wurde am Radweg zwischen Hüllerup und Neuholzkrug aufgestellt. Schutzhütten garantieren spontanen Unterschlupf, Info-Tafeln bieten Wissenswertes über den Naturraum. Am östlichen Ende des Hügelwegs in Haurup wurde ein weiterer Park- und Rastplatz angelegt, der sich mit seiner Lage an einem Hünengrab zur Schnittstelle zwischen Natur und Kultur gemausert hat.

Das Seenland um Flensburg: Naturschutz und Naherholung statt Kiesabbau
Präsentation des Konzeptes: Thomas Rasmussen (links) und Jörg Pantel

Die zahlreichen Info-Tafeln ergeben in ihrer Summe einen Lehrpfad, der vor allem die jüngere Generation ansprechen soll. Deshalb wurden auch zwei Sympathie-Figuren kreiert: der Riese „Hawi“, der auf eine alte Handewitter Sage zurückgeht, und der Zwerg „Waru“, der für das „Wichteldorf“ Wanderup steht. Ihre Abenteuer füllen inzwischen einige Hefte. Zudem wurde mit der Fachschaft Biologie für den Unterricht an der Siegfried-Lenz-Schule eine Kooperation geschlossen. Für alle anderen werden gelegentlich Radtouren und Exkursionen in Begleitung von Naturführern angeboten.

Das Seenland um Flensburg: Naturschutz und Naherholung statt Kiesabbau
Eine neue Aussichtsplattform

Ein langer Anlauf, ein langer Atem

Gerade in den letzten Jahren hat sich im „Seenland um Flensburg“ eine Menge getan. Erste Konzepte und Anregungen lagen aber schon vor fast einem Vierteljahrhundert auf den Schreibtischen diverser Amtsstuben. Die Beteiligten hatten eine echte Geduldsprobe zu meistern. Viele Verhandlungen waren nötig mit den Landeigentümern aus Kies­produktion oder Landwirtschaft. Als Instrument waren Enteignungsverfahren ausgeschlossen, Überzeugungsarbeit und Verständnis mussten Verkaufsbereitschaft oder eine langfristige Verpachtung auslösen. Schritt für Schritt ging es voran, aktuell kann ein Lückenschluss als Meilenstein gefeiert werden: Von Wanderup bis nach Handewitt kann in Kürze durchgängig geradelt oder gewandert werden.

Das Seenland um Flensburg: Naturschutz und Naherholung statt Kiesabbau
Die Lenkungsgruppe

Das „Seenland um Flensburg“ fußt auf einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen zwei Gemeinden. Es existiert kein Zweckverband, aber eine Lenkungsgruppe, in der Verwaltung, Bürgermeister und Kommunalpolitik sitzen. Zehn Personen, je fünf aus den beiden Kommunen. „Die Zusammenarbeit mit den Wanderuper Kollegen ist hervorragend und befruchtend“, sagt Jörg Pantel, der Büroleitende Beamte in Handewitt. Die Projektführung ist vor einigen Jahren vom Amt Eggebek auf Handewitt übergegangen.

Investitionen und Image

Insgesamt 650.000 Euro wurden bislang in die Hand genommen, die zu gut der Hälfte dem „Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums“ entsprangen. Etliche Antragsformulare und Nachweise mussten ausgefüllt und bearbeitet werden. Zwei Drittel der Eigenmittel flossen bislang aus Wanderup. Das „Wichteldorf“ wird mehr belastet als der „Finanzriese“ Handewitt? Ja, weil die meisten Investitionen, speziell am Badesee, in Wanderup getätigt wurden.

Das Seenland um Flensburg: Naturschutz und Naherholung statt Kiesabbau
In Wanderup gibt es einen neuen DLRG-Stützpunkt

Das Projekt wird von einer Agentur begleitet. Bereits 2018 entstand ein siebenminütiger Image-Film, der mit bunten Sequenzen, etlichen Lokalmatadoren und pointierten Aussagen das Interesse für das „Seenland um Flensburg“ wecken soll – bei Bürgern, potenziellen Investoren und Touristen. Fast zeitgleich setzte die Universität Kiel zusammen mit einigen Kindergärten etwa 10.000 Larven des in freier Wildbahn vom Aussterben bedrohten Edelkrebses in einem der Seen aus. Es sieht so aus, dass sich eine feste Population gebildet hat. „Das zeigt, dass das Gewässer sauber ist“, sagt Jörg Pantel. Dabei lächelt er. Die Mixtur aus Natur und Erholung scheint im „Seenland um Flensburg“ zu funktionieren.

Weitere Infos unter https://seenland-um-flensburg.de/

Text: Jan Kirschner
Fotos: „Seelandschaft um Flensburg“  und Jan Kirschner   

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