In der Flensburger Gartenkolonie „Stille Liebe“ befindet sich eine braun angestrichene Laube, die ein besonderes Reich für einen Fan der SG Flensburg-Handewitt ist. Wenn Wolfgang Weiß die hölzerne Tür öffnet, grüßt den Gast gleich ein Plakat mit der Aufschrift „Danke Lars, für 14 Jahre Leidenschaft“. Und wenn man hineingeht, dann breitet sich ein SG-Museum aus. Schals, Trikots und Fotos aus gut drei Jahrzehnten gibt es im Überfluss. Das Nummernschild „SG DM 2004“ klebt neben dem Schal, der zur deutschen Vize-Meisterschaft 1995/96 aufgelegt wurde. Souvenirs von Auswärtstouren nach Schwerin, Aalsmeer, Barcelona oder Leon hängen an der Decke oder an den Wänden. Die SG-Legenden Johnny Jensen und Jan Holpert sind an der Tür zur Toilette verewigt. Nur dahinter finden sich keine SG-Bilder.
Wolfgang Weiß kann viele Geschichten erzählen. Zum Beispiel, wie er einmal mit der Ministerpräsidentin Heide Simonis trommelte und damit wenige Tage später auf dem Titel eines Wochenblattes landete. Die Russen-Mütze auf dem Ofen erinnert ihn an einen Moskau-Trip im Jahr 1998. Ein Regal ziert diverse Pokale, die die Handball-Mannschaft des Fan-Clubs „Wikinger“ bei Turnieren in Emsdetten, Wuppertal oder Lemgo gewann. Ein eigenes Foto-Album quillt mit Berichten, Bildern und Eintrittskarten aus den Jahren 1992 und 1993 über – als die „Wikinger“, der erste Fan-Club der SG, das Laufen lernten. Und Wolfgang Weiß war der Gründungsvorsitzende.

Er kannte die Fan-Szene um den Hamburger Fußball aus dem Effeff, als er in den 80er Jahren wegen der Bundeswehr nach Flensburg zog. Dort erhielt er einen sportlichen Tipp: „Schau dir mal Handball an, die SG Weiche-Handewitt ist ein toller Klub!“ Als sich 1990 die SG Flensburg-Handewitt bildete, nahm Wolfgang Weiß an den Auswärtsfahrten teil, die der Verein nebenher organisierte. „Damals war es so, dass oft Plätze freiblieben oder mehr kamen als der Bus mitnehmen konnte“, erinnert sich Wolfgang Weiß. „Und manchmal hatten wir keinen Reisebus – und damit keine Toilette an Bord.“

In der Gartenlaube von Wolfgang Weiß

Im Frühling 1992 nahm er selbst das Heft in die Hand, lud sechs oder sieben Mitstreiter in seine Gartenlaube ein und gründete den ersten offiziellen Fan-Club, die „Wikinger“. Die Auswärtstouren wurden nun selbst organisiert, die Premiere war das Pokal-Finale in Essen. Für fünf D-Mark war man dabei und sah ein historisches Endspiel mit Siebenmeter-Werfen. Es folgten Fredenbeck, Gummersbach und sogar München. Für die Reise nach Bayern wählte man den Zug und wurde von den anderen Passagieren für einen Spielmannszug gehalten.
Wolfgang Weiß gab als Vorsitzender auf der ersten Trommel den Takt vor. Er sammelte Spenden, pflegte einen guten Draht zu den SG Verantwortlichen und trieb große Reserven an Konfetti auf. Später musste er an die Stadt einen eindringlichen Brief schreiben, da diese die Papierschnipsel verbieten wollte. Die „Wikinger“ vermehrten sich und nahmen mit der Qualifikation für den Europapokal entferntere Reiseziele ins Visier. Ein erster Höhepunkt war im März 1996 der Abstecher ins spanische Granollers. 24 Stunden hin, 24 Stunden zurück. „Wir waren wie eine große Familie“, erzählt Wolfgang Weiß, der dann nach fünf Jahren den Vorsitz abgab. „Ich wollte die Arbeit in jüngere Hände geben, mein Nachfolger war dann aber zehn Jahre älter“, schmunzelt er. Er blieb der SG stets treu und kümmert sich zusammen mit seiner Frau Brigitte bei jedem Heimspiel um den Presseraum.

Auf Auswärtstour 1992

Aktuell haben die „Wikinger“ 293 Mitglieder. Ende August feierten sie ihr 30-jähriges Bestehen in der „Oase“ zu Flensburg-Mürwik. Trikots aus alten und neuen Zeiten zierten den Saal, ebenso SG-Wimpel und Wikinger-Fahnen. Die Begrüßung hielt Ingo Thomsen. Er ist seit 15 Jahren der erste Vorsitzende. Die Begeisterung für die SG treibt ihn noch immer an. Zudem schloss der 53-Jährige im Fan-Club viele Freundschaften – und lernte sogar seine Frau kennen.
Erst im November gingen 30 „Wikinger“ auf große Tour und landeten auf Island. Die Handball-Fans sahen das „goldene Dreieck“ mit Wasserfall und Geysiren, aber auch die Partie der SG gegen Valur Reykjavik. Im Dezember begleitete eine 17-köpfige Gruppe die SG ins spanische Benidorm. Für den Februar steht das Auswärtsspiel bei PAUC Handball auf der Agenda. „Feste Planungen gibt es noch nicht, dafür wird der Januar genutzt“, sagt Marina Petersen.

Ein erster Fan-Song entstand mit den „Wikingern“

Sie ist schon seit den 80er Jahren SG-Fan, besitzt seit 1991 eine Dauerkarte und gehört seit 2005 dem Vorstand der „Wikinger“ an. Aktuell ist sie die zweite Vorsitzende. „Die SG stand immer für große Leidenschaft und hat es verstanden, die Fans mitzunehmen“, erklärt sie. „Es macht Spaß, ein Teil dieser Atmosphäre zu sein und sie aktiv mitzugestalten.“ Die Nähe der SG zu ihren Fans nach den Spielen, sagt Marina Petersen, sei in „alten Zeiten“ intensiver gewesen, das Bemühen aber immer noch vorhanden. „Besonders ist für mich auch, dass die Stimmung bei der SG noch von den Fans gemacht wird“, sagt sie. „Es gibt nicht zu viel Event und das macht die Stimmung authentisch.“ Auf weitere 30 Jahre mit den „Wikingern“.

Der aktuelle Vorstand der „Wikinger“.
Hinten von links: Beisitzer Per Dammann, Kassenwart Roland Schmidt, Schriftführer Philipp Jensen
Vordere Reihe: Beisitzer Steffen Zipperrek, Vorsitzender Ingo Thomsen, zweite Vorsitzende Marina Petersen

Text: Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner, privat

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