Auf der firmeneigenen Homepage ist über Manfred Ehler zu lesen: „Bereits 1971 gründete der Optiker-Meister sein Fachgeschäft in der Flensburger Innenstadt und baute es kontinuierlich aus. Mit seiner über 50-jährigen Berufserfahrung engagiert er sich unverändert für besseres Sehen, mittlerweile spezialisiert auf vergrößernde Sehhilfen.“ Das war´s. Kurz und knapp. Über das Leben eines 81-Jährigen, der sich die Aufnahme in unserer Reihe „Flensburger Köpfe“ längst verdiente, lässt sich aber weitaus mehr sagen.
Die Fördestadt steht allerdings nicht in der Geburtsurkunde, die am 3. Juni 1941 ausgestellt wurde, sondern Wenkendorf. Dieser kleine Ort auf Fehmarn bestand damals aus neun Bauernhöfen. Einer gehörte den Großeltern von Manfred Ehler. Seinen Vater verschlug es Ende des Zweiten Weltkrieges nach Flensburg zur Grenzlandkaserne. Er wäre eigentlich der Hoferbe gewesen, hatte mit Landwirtschaft aber nicht so viel am Hut. So ließ er sich auszahlen und baute im Klueser Weg ein kleines Einfamilienhaus.
Mitte der 50er Jahre vergrößerte sich die Familie, die immerhin vier Söhne hatte, und lebte nun in einer zentralen Stadtvilla. Bald entstand ein Anbau für einen Bürotrakt. Der Vater war als Steuerberater tätig und gründete eine Sozietät. Manfred Ehler erinnert sich an drei bis vier Büro-Damen und einen wachsenden Betrieb, der bald in die Wrangelstraße umzog. Dort existiert bis heute das Unternehmen „Ehler, Ermer und Partner“, mittlerweile allerdings ohne familiäre Beteiligung.

Manfred und Heidi Ehler schwelgen in Erinnerungen

Eine Lehre als Optiker

Zurück in die Jugend von Manfred Ehler: Er besuchte zunächst die Ramsharde-Knabenschule, versuchte sich dann am Alten Gymnasium und legte letztendlich an der Handelsschule am Schlosswall die Mittlere Reife ab. Angesichts der kaufmännischen Ausrichtung der letzten Schuljahre lieb­äugelte er durchaus damit, in den väterlichen Betrieb einzusteigen. Doch der Vater hatte bereits eine andere Entscheidung getroffen: „Steuerberater ist doch gar nichts für dich, werd´ du mal Optiker, mein Jung!“ Zur Erklärung der Berufswahl: Unter den Klienten hatte der Vater einen Optiker, der damals offenbar ein sehr gutes Geschäft mit Brillen machte. So fing Manfred Ehler 1958 bei „Optiker Roll“ in der Norderstraße, unweit des Roxy-Kinos, an – als erster Lehrling überhaupt. Der Pionier schmunzelt heute über die tägliche Routine: „Der Chef kam um neun Uhr, bis dahin hatte ich den Laden aufgemacht, gebohnert und die Scheiben gereinigt.“
In Flensburg waren Optiker-Lehrlinge an einer Hand abzuzählen. Deshalb gab es kein Angebot an der herkömmlichen Berufsschule, sondern nur einen landesweiten Block-
unterricht über mehrere Wochen in Lübeck. Während dieser Zeit wohnte Manfred Ehler in einem Internat. Die Verpflegung wurde gestellt, worüber der Jüngling durchaus glücklich war. Denn Reichtümer waren zunächst nicht zu verdienen: „Man fing mit 25 D-Mark netto an, von denen das Schulgeld abgezogen wurde, sodass 15 D-Mark netto blieben“, erzählt er. „Im zweiten Lehrjahr waren es schon 25 D-Mark netto, dann 35 D-Mark und am Ende 45 D-Mark.“

Freundin und Tischtennis

Vom bescheidenen Lohn kaufte Manfred Ehler jeden Monat eine Schachtel Pralinen – für seine Freundin Heidi, die er inzwischen kennengelernt hatte. Er trickste gerne etwas, um aus wenig mehr zu machen. Ein Beispiel: In einem Café in der Großen Straße arbeitete die Schwester eines Freundes als Serviererin, die „gebrieft“ war, bei der Bestellung eines Kännchens Kaffee, nicht nur eine, sondern zwei Tassen mitzubringen – damit sich der Optiker-Lehrling ein zweites Kännchen sparen konnte.
Heidi Ehler erinnert sich noch an ihre erste abendliche Einladung, die sie von ihrem Mann erhalten hatte – für ein Klub-Fest. „Ich bin einer der letzten noch lebenden Gründungsmitglieder des TTC Ramsharde“, verrät Manfred Ehler mit Stolz. Er spielte von klein auf Tischtennis, stand fast jeden Nachmittag an der Platte und schmetterte sich hoch bis zur Landesliga. Später fungierte er als Schiedsrichter und empfahl sich bei einer deutschen Meisterschaft im Deutschen Haus auch für internationale Aufgaben. Höhepunkte waren sicherlich die Studenten-Weltmeisterschaften im englischen Birmingham 1977, wo Manfred Ehler sogar das Endspiel im Herren-Doppel leitete. Die Zeit für ein so reiseintensives Hobby war da längst knapp geworden. Familie und Beruf stellten ihn immer wieder vor neue Herausforderungen.

Meisterschule in München

Zurück in die 60er Jahre: Nach seiner Ausbildung blieb Manfred Ehler kurz als Geselle bei seiner ersten beruflichen Station, wechselte dann aber zu Optik Oertel. Das Unternehmen in der Großen Straße, direkt neben der früheren Löwen-Apotheke, war renommierter und hatte mehr Laufkundschaft – obwohl es noch keine Fußgängerzone gab. „Es sausten Straßenbahn und Autos vorbei“, erinnert sich der Senior an eine bunte Kulisse.
Was ihm als junger Mann am wichtigsten war:
Er bezog endlich ein richtiges Gehalt. Das ermutigte Manfred Ehler, 1963 seine Heidi zu heiraten. Im August hält diese Ehe stolze 60 Jahre.
Nach einigen Jahren rückten sich die beruflichen Perspektiven zurecht, der Meisterbrief war nun ein attraktives Ziel. Der Flensburger musste sich für fünf Semester an einer Fachschule für Augenoptik einschreiben, die es überhaupt nur in drei Städten Deutschlands gab. Berlin und Köln waren hoffnungslos überzeichnet. Es blieb München. Mit vielen der 25 Mitstreiter trifft er sich noch immer alle zwei Jahre in Marburg, Dillingen oder Erding – dort, wo die Mitschüler sich später niederließen.
Das Kapitel an der Fachschule in München bestand aus einigen Kompromissen. München war damals schon ein teures Pflaster, sodass der Absolvent mit seiner Familie – 1966 war Sohn Torsten geboren worden – mal im Vor­ort Krailling, dann in einer kleinen Schwabinger Wohnung lebte, zeitweise aber auch allein. Als Verheirateter gab es ein zinsloses Darlehen über 400 D-Mark vom Bund. Diese Summe reichte aber nicht, sodass der Vater finanziell unterstützte. Und als Manfred Ehler eine Wiederholungsprüfung abwarten musste, jobbte er auch in der Bayern-Metropole. Am 5. Februar 1970 hatte er das begehrte Zeugnis endlich in der Tasche. Die Zelte in München wurden abgebrochen, es ging zurück nach Flensburg.

Pläne der Selbstständigkeit

In der Turnierstraße hatten Manfred Ehler und seine Familie eine Wohnung behalten. Zurück in alter Umgebung hatte er schnell einen Plan. „Ich wollte mich eigentlich selbstständig machen, aber erst einmal etwas Geld verdienen“, erzählt er. Bei Optiker Ludwig Raub verdiente er rund 1600 D-Mark im Monat. Nach einigen Wochen fuhr der frischgebackene Meister mit einem VW Käfer in Deutschland herum und sah sich Geschäfte an, die zur Übernahme angeboten wurden.
Doch der Jahresumsatz war gleich dem Kaufpreis – zu teuer. Dann entdeckte Manfred Ehler im Holm, dass unweit der Rathausstraße, eingerahmt von „Löwenbräu“ und „Foto Thurner“, ein Fisch-Restaurant sich in einen Leerstand verwandelt hatte.
Interessant waren die Räumlichkeiten – trotz eines höllischen Gestanks in der ehemaligen Kühlkammer.
Der Optiker sieht den Ablauf von 1971 so klar vor Augen, als ob alles gestern gewesen wäre. Er besuchte Makler Hermann Densch und sagte: „Ich würde das alles nehmen.“
Einen Tag später kam die telefonische Antwort: „Zum 1. April kannst du das kriegen!“ Mit diesem Stichtag wagte sich Manfred Ehler an einige Umbauten, lüftete permanent den Kühlraum, der den entsetzlichen Geruch allmählich verlor. Es wurde gestrichen, gepinselt und so manches überdeckt. Am 3. Mai 1971 eröffnete tatsächlich „Optik Ehler“.
Die Lage erwies sich allerdings nicht als besonders günstig, zumal die damalige Kreissparkasse das Gebäude bald für einen späteren Erweiterungsbau erwarb. „Mir wurde nahegelegt, etwas anderes zu suchen“, erzählt Manfred Ehler. 1978 erfolgte der Wechsel an den Holm 58. Dort hatten die Passanten, wenn sie von der Nikolaistraße hochkamen, sofort das Werbeschild im Blick.
„Wir hatten sofort mehr Umsatz, im Schnitt waren es täglich 30 Prozent“, erinnert sich der Optiker-Meister.

IG Innenstadt und Club 100

Schnell hatte sein Geschäft einen großen Namen in der noch jungen Flensburger Fußgängerzone. Er selbst war über Jahre Vorsitzender einer „IG Innenstadt“, der sich die Kaufmannschaft am Holm, der Nikolaistraße und der Rathausstraße anschloss. Die emsigen Unternehmer organisierten mehrfach das dreitägige Holmnixen-Fest oder einen Weihnachtsmarkt mit Schau- und Punschbuden.
Heute gehört Manfred Ehler dem „Lions Club Flensburg von 1959“ an und legte mit vier Mitstreitern bereits 16 Mal einen Adventskalender auf. „Das letzte Mal haben wir rund 60.000 Euro an zehn karitative Vereinigungen ausgeschüttet, über all die Jahre waren es über 600.000 Euro“, berichtet der 81-Jährige.
Der Optiker trat einen Tag nach der Gründung dem Sponsorenpool „Club100“, bei, der 1990 antrat, den Spitzenhandball in der Region zu unterstützen. Seither besitzt Manfred Ehler mehrere Dauerkarten und besucht derzeit mit Enkel Tim die Heimspiele in der Campushalle – eine Bewirtung in der Lounge inbegriffen.
Mit seiner Heidi war er oft mit zum Final Four in Hamburg und reiste x-fach mit einer Club100-Reisegruppe zu Auswärtspartien der SG in ganz Europa. „Wir saßen im selben Flieger und übernachteten im selben Hotel wie die Handballer – bis ein Trainer meinte, seine Spieler wären zu abgelenkt“, verrät der „Flensburger Kopf“.
Privat hatte er sich bereits 1975 auf der Westlichen Höhe niedergelassen. Auf dem Grundstück einer früheren Gärtnerei wuchs ein neuer Bungalow aus dem Boden. Später wurde er um Sauna und Garage ergänzt. Die Familie war inzwischen vierköpfig: Auf Sohn Torsten folgte 1973 Tochter Inga. Manfred und Heidi Ehler wohnen noch immer in der ruhigen Sackgasse. Treuer Weggefährte ist Moritz. Ein kleiner, römischer Straßenhund, der gerne mit dem Schwanz wedelt und seelenruhig die Geschehnisse im Haus beobachtet.

Die Nachfolge-Lösung

Für „Ehler Optik“ zeichnete sich frühzeitig eine familiäre Nachfolge ab. Sowohl Sohn Torsten als auch Tochter Inga stiegen in den Betrieb ein. Dadurch umfasste das Angebot nicht nur Brillen und Kontaktlinsen, sondern auch Hörgeräte. Heidi Ehler („die gute Seele vom Ganzen“) stellte 1996, zum 25-jährigen Jubiläum, ein Album zusammen, das die Entwicklung mit vielen Fotos und Zeitungsausschnitten aufzeigt. Was noch nicht darin stehen konnte: 2001 richtete „Ehler Optik“ eine Filiale am Twedter Plack ein, ehe Manfred Ehler 2006 als Inhaber ausstieg. Sohn und Tochter teilten sich die Besitzverhältnisse 50:50.
Der Senior hatte nun mehr Zeit für Familie und Hobbys. Für spannende Reisen hatte er auch als Geschäftsinhaber immer eine Lücke gefunden. Als Kunde eines japanischen Kontaktlinsen-Herstellers war der Flensburger sogar mal zum Jubiläum nach Tokio eingeladen – mit Stippvisite in Bangkok.
Mit der Familie ging es im Frühling lange Zeit zum Skifahren, im Herbst häufig nach Lanzarote. 1995 unternahm er mit seiner Heidi einen ganz besonderen Trip über den großen Teich. Als stolzer Besitzer einer „Harley Davidson Road King“ lockte das alljährliche Biker-Treffen in Daytona. Er ließ seine Maschine in die Staaten fliegen und war dann an Floridas Stränden und runter bis zur Keys-Inselkette unterwegs.
Heutzutage ist der Golfsport seine Passion. „Das mache ich so lange, wie ich es kann“, erzählt Manfred Ehler. „Bei uns im Klub spielt sogar ein 94-Jähriger ab und an noch mit.“ Er selbst war gerade erst in einem Golf-Hotel auf Mallorca, sonst spielt er auf dem Platz in Glücksburg.
Jeden Mittwoch genießt er die Geselligkeit eines Stammtisches – seit über 40 Jahren. Mit sieben weiteren Männern ist er vor kurzem in das Restaurant „Fördeblick“ umgezogen. „Wer nicht kommt, muss in unseren Topf einzahlen“, erzählt der 81-Jährige. „Vom angesparten Geld finanzieren wir unsere jährliche Herren-Tour, und zu Weihnachten laden wir unsere Frauen zum Essen ein.“

Der Beruf hat ihn noch nicht losgelassen. Zwischenzeitlich war „Ehler Optik“ für ein paar Jahre aus dem Stadtbild verschwunden. Sohn Torsten hatte das Geschäft an einen Mitbewerber verkauft und sich beruflich wie privat neuorientiert. Tochter Inga hatte kurzfristig Flensburg verlassen und fing später in der Mürwiker Straße unter „Proton“ neu an. Das Geschäft firmiert inzwischen wieder als „Ehler Optik & Akustik GmbH“. Plötzlich tauchten langjährige Kunden wieder auf: „Hier sind Sie also, wir haben Sie so lange gesucht!“
Die Worte hört Manfred Ehler häufiger, der seine Tochter unterstützt. „Dienstags und donnerstags bin ich immer da – oder wenn Not am Mann ist“, erzählt er. Er machte sogar noch eine Fortbildung als Sehhilfe-Berater und ist nun Spezialist für elektronische Lupen oder spezielle Hilfsmittel, sogenannte „Vergrößernde Sehhilfen“.
Sie lesen Texte in Blockschrift, erkennen Gesichter, Farben und Geldscheine. Es ist ein schönes Gefühl, wirklich helfen zu können. „Manchmal haben die Kunden Freudentränen in den Augen, da sie plötzlich wieder die Zeitung lesen können, die sie eigentlich schon abgemeldet hatten“, schwärmt Manfred Ehler von den neuen technischen Errungenschaften. Keine Frage: Das Optiker-Handwerk hat er im Blut, ja, es ist sogar sein Lebenselixier.

Text: Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner, privat

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