Nimmt man in Flensburg die Buchstaben „THW“ in den Mund, so erntet man für gewöhnlich böse Blicke und nicht immer freundliche Worte. Neben dem Erzrivalen im Handball, dem THW Kiel, stehen diese drei Buchstaben aber auch für rund 160 aktive Helferinnen und Helfer im Ortsverband Flensburg der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk. Deutschlandweit engagieren sich rund 88.000 Menschen in ihrer Freizeit im THW, um Menschen in Not kompetent und engagiert Hilfe zu leisten. Und das, was die Männer und Frauen beim THW machen, haben wir uns einmal etwas genauer angesehen. Seit 1952 gibt es den THW-Ortsverband Flensburg. Damals als vierter Ortsverband in Schleswig-Holstein gegründet, leisten die Helferinnen und Helfer in Flensburg heute regional, überregional und auch im Ausland ehrenamtlich Hilfe. Im Inland leistet das Technische Hilfswerk technische Hilfe nach dem Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz. Umfangreiches technisches Equipment, schweres Gerät und gut ausgebildetes Personal rückt unter anderem nach Naturkatastrophen (Hochwasser, Stürme
u. ä.) aus oder unterstützt kommunale Einsatzkräfte, sowie die Landes- und Bundespolizei bei unterschiedlichsten Einsätzen.

Heimat und Ausstattung des Ortsverbands Flensburg

In der Flensburger Liegenschaft in der Lilienthalstraße sind im Technischen Zug zusammengefasst ein Zugtrupp, zwei Bergungsgruppen und eine Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen untergebracht. Zusätzlich steht eine Fachgruppe Führung und Kommunikation mit einer großen, mobilen Einsatzzentrale und umfangreicher Fernmeldetechnik für den Einsatzfall bereit. Des Weiteren gibt es noch kleinere Sondergruppen zur Ölschadensbekämpfung auf dem Wasser, Personensuche mit sogenannten Mantrailer-Hunden und eine Gruppe, die im Notfall mittels Notbrunnen eine Wasserversorgung im Stadtgebiet herstellen kann. Geführt wird der Flensburger Ortsverband vom Ortsbeauftragten Matthias Scherff und seinem Stellvertreter Hans Jürgensen. Verantwortlich für den Technischen Zug ist der Zugführer Nils Seidel, und die Fachgruppe Führung und Kommunikation wird von Matthias Mertens geleitet.
10 Fahrzeuge, 9 Anhänger und drei Boote sind in der großen Fahrzeughalle untergebracht. Fahrzeuge und Equipment für nahezu alle denkbaren Einsatzszenarien. Die Basis der beiden Bergungsgruppen bildet jeweils ein GKW (Gerätekraftwagen), eine tonnenschwere, große und umfangreiche Werkzeugkiste auf vier Rädern. Bis zu neun Helfer kann ein GKW aufnehmen und zusammen mit den Geräten an eine Einsatzstelle bringen. Tatsächlich sind auf dem Fahrzeug Werkzeuge aller Art untergebracht, für kleinere und größere Schadensfälle und Hilfeleistungen. Aber auch größeres Equipment wie Leitern, Schaufel, Trage, Stromaggregat, Kettensäge, Atemschutzgeräte, Bohr- und Aufbruchhammer, Flutlichtstrahler, Tauchpumpe oder Stützen für einsturzgefährdete Häuser sind in den Gerätefächern verstaut. Materialien zum Anheben von schweren Lasten, wie Betontrümmer oder Fahrzeuge, finden ebenfalls Platz. Seilwinde, Allradantrieb und Anhängerkupplung schaffen weitere Möglichkeiten. In der 1. Bergungsgruppe gehört in Flensburg zum Gruppenfahrzeug noch ein Anhänger mit Bauholz und Gerüstelementen, um zum Beispiel beschädigte Gebäude abzustützen und zu sichern.

Struktur des hiesigen Verbands

Die 1. Bergungsgruppe kommt als sogenannte Schnell-Einsatz-Gruppe regelmäßig zuerst zum Einsatz. Sie erkundet unter anderem Schadenlagen, dringt durch Überwinden oder Wegräumen von Hindernissen zu Einsatzstellen vor, ortet Verschüttete und Eingeschlossene, transportiert Verletzte aus Gefahrenbereichen, führt technische Sicherungsarbeiten durch, rettet Tiere, birgt Leichen und Kadaver, leuchtet Einsatzstellen aus, baut behelfsmäßige Stege und kleinere Brücken, leistet Hilfe bei Damm- und Deichsicherung oder sichert Objekte mit Abstützsystemen. Neben einem zweiten GKW gehört zur 2. Bergungsgruppe in Flensburg ein Anhänger mit einer Netzersatzanlage. Mit dieser ist das THW in der Lage bei Stromausfällen innerhalb kurzer Zeit eine Notstromversorgung mit einer Leistung von bis zu 200 kVA herzustellen. Der Aufgabenbereich der 2. Bergungsgruppe ist nahezu identisch mit dem der ersten, hinzu kommt, dass diese Gruppe andere Bergungs- und Fachgruppen mit zusätzlicher Energie versorgen kann und schwere Bergungsarbeiten mit Hochleistungsgeräten durchführen kann. Im Einsatz waren die Bergungsgruppen beispielsweise 2013 nach Orkan Christian, nach Flugzeugabstürzen in Handewitt im selben Jahr und in Lindewitt 2015. Auch bei den starken Schneefällen Anfang März diesen Jahres kamen vor allem die geländegängigen Fahrzeuge zum Einsatz.
Als dritte große Gruppe im Flensburger Ortsverband des THW fungiert die Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen. Zu viel Wasser oder Wasser an den falschen Stellen kann schnell zu immensen Schäden führen. Die Spezialisten des THW pumpen, fördern und leiteten Schmutz-, Abwasser, sowie Brauchwasser für vielfältige Zwecke unter Einsatz von Kreisel- und Tauchpumpen mit hoher Förderleistung. Auf jedem Löschfahrzeug der Feuerwehr befinden sich ebenfalls Pumpe und Ausrüstung um kleinere Wasserschäden zu beseitigen oder Wasser über längere Wegstrecken zu fördern. Die Pumpen des Technischen Hilfswerks verfügen aber über deutlich höhere Förderleistungen, insgesamt über 33.000 l/min, können somit schneller und effizienter größere Mengen Wasser fördern oder abpumpen. So wird diese Fachgruppe regelmäßig alarmiert, um beispielsweise nach Unwettern überflutete Verkehrs- und Versorgungsanlagen, Keller, Wohngebäude oder öffentliche Einrichtungen von den unerwünschten Wassermassen zu befreien und die kommunalen Einsatzkräfte der Feuerwehr zu unterstützen. Für Einsätze dieser Art verfügt das THW in Flensburg über zwei schwere Zugfahrzeuge, die Mensch und Material an Einsatzorte bringen, sowie über einen Anhänger mit Schlauchmaterial und anderem Equipment, sowie dem Anhänger mit einer 5000 l/min Schmutzwasserpumpe.
Bei uns in der Region kam diese Gruppe in den vergangenen Jahren unter anderem bei der Hochwasserlage im Raum Gelting im Jahr 2011 zum Einsatz. Dort rückten damals gleich mehrere Ortsverbände des THW aus Norddeutschland mit Großpumpen an um die Wassermassen aus der Ortschaft herauszupumpen. 2014 stand im dänischen Tondern ein Industriegebäude unter Wasser, im Zuge einer grenzübergreifenden Hilfe rückte auch hier die Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen aus Flensburg an. Einen Einsatz, den die Flensburger Kameraden wohl nie vergessen werden, war das Jahrhunderthochwasser an der Elbe im Jahr 2013. Tausende Einsatzkräfte aus ganz Deutschland waren dort im Hochwassereinsatz, auch die Helferinnen und Helfer des Flensburger Ortsverbandes standen tagelang an den Deichen der Elbe. Die Fachgruppe Führung und Kommunikation erfüllt primär die Aufgabe der Führung von THW-Einheiten sowie der Unterstützung von Einsatzleitungen. Hierfür stehen ein Klein- und ein Großfahrzeug als mobile Führungsstellen zur Verfügung. Während der Flüchtlingswelle 2015 baute das THW die mobile Führungsstelle als Lagezentrum für die Behörden am Flensburger Bahnhof auf. In dem mobilen Lagezentrum befinden sich umfangreiche Einrichtungen zur Kommunikation per Funk, Mobilfunk und auch Festnetz. Arbeitsplätze und ein Konferenztisch erleichtern die Führung und Leitung von größeren Einsatzstellen. Neben den genannten Fahrzeugen verfügt der Flensburger Ortsverband auch über Fortbewegungsmittel auf dem Wasser. Ausgestattet mit zwei Mehrzweckbooten und einem Schlauchboot mit Außenborder, können die Helferinnen und Helfer des THW auch auf dem Wasser vielfältige Aufgaben wahrnehmen, für die Stadt Flensburg, das Land Schleswig-Holstein oder das Havariekommando und den Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz, kurz LKN.
Wie kann ich beim THW mitmachen?
Unter den rund 160 aktiven Helferinnen und Helfern sind in Flensburg viele Spezialisten aus unterschiedlichsten Arbeitsbereichen. Bereits im Alter von 10 Jahren kann man in die Jugendgruppe des THW eintreten, sich in den kommenden Jahren langsam an die Aufgabenfelder herantasten und sich voll und ganz dem kameradschaftlichen Leben hingeben. Mit 16 Jahren ist der Übergang in die Grundausbildung, mit 17 in die Einsatzeinheiten möglich. Wer Interesse hat sich ehrenamtlich im Technischen Hilfswerk zu informieren, der findet viele Informationen auf der Website des Flensburger Ortsverbandes (www.thw-flensburg.de). Was die Anzahl der Einsätze angeht, so ist das Technische Hilfswerk nicht mit einer freiwilligen Feuerwehr zu vergleichen. Einsätze, bei denen die Gruppen des Technischen Zuges gefordert sind, sind deutlich seltener. Gut vorbereitet müssen die Helferinnen und Helfer dennoch sein, denn wenn sie alarmiert werden, dann geht es meist nicht nur um Kleinigkeiten. Um stets für alle Szenarien gerüstet zu sein, bilden sich die Helferinnen und Helfer das ganze Jahr über fort. Lehrgänge, Übungsabende, sowie kleinere und größere Übungen stärken nicht nur die Kameradschaft, sondern sichern auch das in der Theorie erlernte und festigen Handlungs- und Arbeitsabläufe im Ernstfall.
Text und Fotos: Benjamin Nolte

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