Die Redaktion des Flensburg Journals hat sich gefragt, ob Boje Maaßen wohl ein „Flensburger Kopf“ sein könnte, oder eher über hiesige „Straßen und Stadtteile“ seine Erfahrungen zum Besten geben könnte. Ein Portrait seiner Persönlichkeit könnte ebenso gut besser in eine Reihe „75 Jahre Uni in FL“ gehören, oder passend zu den Bestrebungen, in Flensburg den Fahr Rad Sommer wie jüngst in 2021 zu etablieren sowie Flensburg als Modell-Kommune für den „Fußverkehr“ bekannt zu machen. Alles hätte gepasst, vermutlich wäre jedes einzelne Thema seiner vielschichtigen Persönlichkeit wohl nicht annähernd gerecht geworden. Doch lesen Sie selbst die folgende Biographie über Boje Maaßen – den Wanderer zwischen den Welten!

Herkunft und Kindheit

Der kleine Boje erblickte gewissermaßen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs das Licht dieser Welt. Am 11. Juni 1939 wurde er in Elmshorn geboren, der mittlerweile neuen Heimat seiner Eltern. Ursprünglich stammte die Familie Maaßen aus dem ländlichen Dithmarschen, die Vorfahren lebten in Westerbüttel und Meldorf. Bojes Eltern hatten ein Jahr zuvor geheiratet, nachdem die Mutter durchgesetzt hatte, dass ihr künftiger Ehemann, obwohl überzeugter Nazi, vor der Eheschließung die SA zu verlassen hatte. Die Liebe machte es möglich: Der Mann wusste, was ihm wichtiger war! Bojes Eltern waren sogenannte einfache Leute, entstammten dem bäuerlichen und kleinbürgerlichen Milieu, zuhause war Dithmarscher Platt die Alltagssprache. Sein Vater war bildungsfern groß geworden (wie man es heute umschreiben würde), seine Intelligenz lag in den Händen. Er hatte das Schlachterhandwerk von der Pike auf gelernt, und war richtig gut in diesem Metier. Bojes Eltern betrieben eine eigene kleine Schlachterei, waren fleißige Leute, und schafften es sogar, in Elmshorn eine kleine Fleischwarenfabrik zu gründen und diese erfolgreich zu betreiben. Der junge Boje wurde also in eine Schlachterfamilie hineingeboren, blieb das einzige Kind seiner Eltern. Sein Vater wurde gleich zu Beginn des Krieges an die Waffen gerufen. Am Ende des Krieges nahmen die Russen ihn in Gewahrsam, und deportierten ihn. Fern von Zuhause musste Bojes Vater eine schwere Zeit in russischer Gefangenschaft in Sibirien erleiden, von 1945 bis 1950 hielt man ihn dort fest. Seine Mutter schaffte es zum Glück, gemeinsam mit einem angestellten Meister den Familienbetrieb ab 1945 wieder zum Laufen zu bringen. Als der Vater zurück war, kam es leider oft zu Reibereien zwischen den Eltern, sollte die Mutter doch wieder ins zweite Glied zurücktreten, ein Umstand, der leider zu vielen Problemen und Streitereien in der Ehe von Bojes Eltern führten sollte.
Boje ging mittlerweile in Elmshorn in die Volksschule, absolvierte die Schule allerdings mehr schlecht als recht. Von den 32 Schülern seiner Volksschulklasse schafften es nur zwei auf die Mittelschule, und zwei weitere aufs Gymnasium – der Rest blieb zusammen. Es stand übrigens schon vor Beendigung seiner Schulzeit fest, dass Boje anschließend eine Schlachterlehre beginnen würde. In seiner Freizeit war Boje ein begeisterter Fußballspieler, er konnte am Ball fast alles, war jedoch kein guter Läufer, und schaffte es so nur in die jeweils zweite Mannschaft der „Schüler“ und der „Jugend“ (heute sagt man C-Jugend/U15 bzw. B-Jugend/U17) des örtlichen Vereins Holsatia Elmshorn. Für Fußball kann er sich heute noch begeistern – er ist seit jeher ein großer HSV-Fan, und verfolgt mit Freude und Daumendrücken für den HSV die Fußballreportagen am Wochenende im Radio.
Boje stellte schon ziemlich früh in seiner Lehrzeit fest, dass der Schlachterberuf ihm nicht besonders lag; er sah sich selbst beruflich eher in anderen Bereichen des Lebens agieren. Mit 17 Jahren lernte er in Elmshorn ein hübsches Mädel kennen, seine Eveline. Beide waren gleichermaßen angezogen vom anderen, und fortan waren die beiden ein unzertrennliches Paar – und sind dies bis heute noch! Eveline und Boje – eigentlich eine nicht standesgemäße Beziehung, war sie doch Schülerin auf dem Gymnasium, auch noch katholisch, und ein Sprössling von Leuten, die erst vor kurzem aus der Ostzone in den Westen übergesiedelt waren. Bojes Eltern waren anfangs entsprechend argwöhnisch gegenüber dem jungen Mädchen. Das änderte sich erst, als die Eltern Eveline eines Sonntags zum Mittagessen daheim einluden, und das Mädchen beim aufgetischten üppigen Schlachter-Mittagessen – mit reichlich Fleisch – ordentlich zulangte und mit großem Appetit „reinhaute“. „De Deern is‘ gor nich so verkeehrt“, befand Vater Maaßen, und fortan war sie akzeptiert im Hause. Später während ihrer Ehe entwickelte sich mit zunehmender Zeit eine große Vertrautheit zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter.

Die Sturm- und Drangzeit

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Schlachterlehre arbeitete Boje als Geselle in Hamburg, besuchte jedoch an den Abenden heimlich in der Hansestadt die ASH – die „Abendschule vor dem Holstentor“, mit dem Ziel, an jener Bildungseinrichtung das Abitur zu machen. Das war für den jungen Mann eine harte Zeit, zumal schon bei der Begrüßung den neuen Abendschülern angedeutet wurde, dass die meisten von ihnen den Abschluss eh‘ nicht schaffen würden. Nun, Boje biss sich durch, erfuhr zudem Unterstützung von seiner Eveline, und auch von seiner Mutter, die inzwischen von seinen Ambitionen wusste. Spätestens jetzt ging ihm auf, dass „Frauen einfach schlauer sind als Männer“ – Originalton Boje Maaßen!
Als er endlich nach entbehrungsreichen und anstrengenden Schuljahren das Abi in der Tasche hatte, und das seinem Vater beichtete, war auch der insgeheim stolz auf seinen Filius, wenngleich er ihn sich eigentlich als seinen Nachfolger im elterlichen Betrieb gewünscht hätte! Das geschah im Frühjahr 1965, und noch im selben Jahr heirateten Eveline und Boje und zogen um nach Frankfurt am Main. Dort genossen der Abiturient und seine Angetraute eine unbeschwerte Zeit mit zahlreichen Besuchen in den umliegenden Jazz-Clubs und auf Konzerten dieses Musikgenres! Jazz war die große musikalische Leidenschaft der beiden jungen Leute – und ist es auch heute noch!

Die Studienzeit

Boje schrieb sich an der dortigen Uni für das „Studium auf Lehramt Haupt- und Grundschule“ ein, Eveline studierte an gleicher Uni bereits Pharmazie. Vier Jahre lang – von 1965 bis 1969 – studierte er in der hessischen Metropole, lernte in jenen Jahren das kritische Denken.
In jene Zeit entstand die 68er-Bewegung, die jungen Leute protestierten gegen starre Strukturen, den Vietnamkrieg, die rigide Sexualmoral und die Nichtaufarbeitung des Nationalsozialismus. Die 68er hatten zudem Einfluss auf seine kritische Einstellung, auch Boje stellte viele Dinge in Frage bzw. hinterfragte sie kritisch. „Die Jahre an der Frankfurter Uni, überhaupt die Zeit in der Studentenszene haben mich stark geprägt. Dennoch bin ich kein Linker und kein Radikaler geworden. Solchen extremen Strömungen gegenüber war ich stets skeptisch eingestellt.“ 1966 wurde die Tochter Maike geboten, 1968 Inken.
Nachdem Boje sein Examen bestanden hatte und nun fertiger Grundschullehrer war, stellte sich ihm und seiner Eveline die Frage: Wohin soll der Weg uns führen?

Nordseeinsel Föhr

Die Insel Föhr war unserem Junglehrer nicht unbekannt, war sie doch in den zurückliegenden Jahren häufig das Urlaubsziel vieler Verwandter aus der Maaßen-Familie. „Wir Maaßens waren regelrecht „Föhr-süchtig“, schmunzelt Boje. „Dieser Virus ist auf Eveline und mich übergesprungen, also habe ich als meinen Wunschort für meine erste Lehrerstelle die Insel Föhr angegeben. Und landete damit aus unserer Sicht einen Haupttreffer!! Niemand anderer wollte auf die einsame Insel im Wattenmeer, wir dagegen umso intensiver!“ Und er fährt fort, gerät gar ins Schwelgen:
„Das war schon mein zweiter Glücksgriff, die erste Anstellung auf unserer Lieblingsinsel. Beim ersten Mal habe ich mit „meiner“ Eveline in den Glückspott gegriffen, ich hoffe, dass sie das umgekehrt auch so sieht“, schmunzelt Boje. Und so kam es dann: Boje Maaßen wurde im Jahre 1969 versetzt auf die Insel Föhr, bekam dort an einer der vier dortigen Grundschulen – in Süderende – seine Lehrerstelle zugeteilt.
Boje und Eveline machten sich auf Wohnungssuche, und hatten großes Glück dabei, sie wurden nämlich schnell fündig. Ein erst kürzlich renoviertes Reetdachhaus (Friesenhaus) konnten sie sehr günstig erwerben. Boje knapp dazu: „Aus heutiger Sicht für ´n Appel und ´n Ei!“ Die Vorbesitzer mussten sich aus gesundheitlichen Gründen von dem Haus trennen, und fanden damals keinen Käufer. Nun waren die jungen Maaßens plötzlich Hausbesitzer in Oldsum, bewohnten ein Friesenhaus, mit großem Grundstück, und sogar … eigener Grabstätte! Das war von jeher auf Föhr so üblich – die Insulaner dachten halt sehr pragmatisch, die verblichenen Vorfahren wurden traditionell auf eigenem Grund und Boden bestattet.
Die Insulaner akzeptierten ihren neuen Lehrer und seine Familie ziemlich schnell. Mit dazu beigetragen hat sicherlich der Umstand, dass Boje den täglichen Schulweg von rund 12 km ganzjährig bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad zurückgelegt hat, und beide schnell die friesische Sprache beherrschten. Das kam hier gut an.
Boje war jetzt endlich im Erwachsenendasein angekommen, hatte eine eigene Familie, ein schönes Haus, und die Kinderzahl wurde 1970 durch den Sohn Erk erweitert. Daneben fand er jedoch zunehmend die nötige Zeit, um erste pädagogische Fachbeiträge zu publizieren. Eine erste eigenständige Buchveröffentlichung erschien 1973 bei der Neue-Deutsche-Schule-Verlagsgesellschaft in Essen mit dem Titel „Umweltschutz im Unterricht: Materialien, Lernziele, Unterrichtseinheiten“.
Boje interessierte sich aber auch für gesellschaftspolitische Themen, stand manchem Aspekt des bundesdeutschen Wirtschaftswunders kritisch gegenüber, insbesondere der zunehmende Raubbau an der Natur machte ihm Sorgen, wie auch die Industrialisierung der hiesigen Landwirtschaft, die Zunahme der Monokultur. Längst setzte er sich bei jeder Gelegenheit für die Erhaltung der Ursprünglichkeit des Wattenmeeres, insbesondere auch „seiner“ Insel Föhr, vehement und engagiert ein.
In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre (genau im Jahre 1976) war Boje Maaßen dann sogar Mitbegründer der Grünen Liste Schleswig-Holsteins und gleichsam Kopf, Wortführer und Spitzenkandidat der Organisation. 1978 zog er mit der GLSH in den Kreistag seines Heimatkreises Nordfriesland ein, dessen Mitglied er bis 1982 blieb. Bei der Landtagswahl 1983 in Schleswig-Holstein fungierte er schließlich sogar als Spitzenkandidat der Partei „Die Grünen“. Kurz nach der Wahl – die Grünen waren deutlich an der Fünfprozenthürde gescheitert –, trat er jedoch aus der Partei aus, weil er nicht mehr alles mit vertreten konnte und wollte. Neben der Parteiarbeit war Boje auch außerparlamentarisch engagiert, er war einer der rund 100.000 Menschen, die Ende Februar 1981 zur bis dahin größten deutschen Anti-Atom-Demo an die Unterelbe kamen. Sie protestierten gegen den Bau des AKW Brokdorf – trotz Verbots. Schon in den 70ern war es bei vielen Demonstrationen in Brokdorf zu massiven Ausschreitungen gekommen.
Boje hatte längst für sich die große Bedeutung der Natur und einer möglichst natürlichen Lebensweise verinnerlicht; und legte für sich eine entsprechende Lebensweise an den Tag. Er erkannte den Wert der Eigenbewegung, die letztlich für den Menschen sowie die Umwelt von großem Vorteil sein würde. Er entwickelte ein kritisches Verhältnis zum Konsum um seiner selbst willen. Boje regte jedoch keinen extremen und/oder radikalen Umgang mit Konsumverhalten an – technische Fortschritte, Autos, Flugreisen usw. machten für ihn durchaus Sinn, jedoch nicht immer, überall und ständig. So lehnt er etwa große Familienautos (SUVs) ab, auch Inlandsflüge und Laubsauger. „Man sollte sich stets fragen, ob ein bestimmtes Gerät tatsächlich benötigt wird, oder ob es nicht doch nur der eigenen Bequemlichkeit dient. So kann das eigenhändige Laubharken oder Rasenmähen auf dem eigenen Grundstück durchaus auch für den Hauseigentümer gut sein – körperliche Bewegung fördert die eigene Gesundheit, und schont zudem den Geldbeutel!“

Flensburg

Boje ging beruflich durchaus auf in seinem Lehrerdasein, die Schüler mochten ihren engagierten Lehrer, der ihnen neben dem Lehrstoff viele praktische Dinge des Lebens nahebrachte. Seine Familie kam auch nicht zu kurz, und Boje fühlte sich überaus wohl in seinem kleinen Kosmos, genoss die Jahre mit den heranwachsenden Kindern und einer ihm stets zur Seite stehenden Frau. Doch sein Kopf, sein Gehirn, war schon damals auf „Dauerlauf“ gepolt, ihn trieben stets Gedanken über die Ökologie, ein sinnvolles Dasein, qualitative Verbesserung der Lehrerausbildung an. „Ich glaube, dass ich schon immer ein philosophisches Denken hatte ohne zu wissen, dass es philosophisch war“, beschreibt Boje seine Gedankenabläufe. „Für mich selbst habe ich stets ein sinnvolles Leben idealisiert, soll heißen, mich nicht nur von Spaß und Bequemlichkeit leiten lassen, sondern ein Leben führen, das mich körperlich und geistig gesund bleiben lässt, mit Naturnähe und Bildung in Einklang.“
Mitte der 80er Jahre kam ein Kontakt mit der Pädagogischen Hochschule in Flensburg zustande. Das entsprach durchaus seinem Drang, sich weiterzubilden. Schließlich erhielt Boje von der Flensburger PH einen befristeten Lehrauftrag, für die Jahre von 1986 bis 1990.
So wurde Boje Maaßen als Dozent an die Universität Flensburg (damals noch PH) berufen, wo er am Institut für Schulpädagogik tätig war. 1994 promovierte er dort zum Thema „Naturerleben (Beiträge zur Theorie des Naturerlebens als pädagogische Antwort auf die ökologische Krise)“. Es folgte seine Ernennung zum Akademischen Oberrat der Hochschule.
Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit Boje Maaßens, die weiterhin auch in Fachbeiträgen und Buchveröffentlichungen ihren Niederschlag fand, waren Handlungstheorie, Bild und Wort, Theorie der Eigenbewegung sowie ökologische Bildung. Eine Würdigung seiner unkonventionellen didaktischen Konzepte findet sich in Gerd Heursens Buch über „Ungewöhnliche Didaktiken“ (1997). Boje Maaßen ist auch in dem umfangreichen Standardwerk „Allgemeines und Differentielles im pädagogischen Denken“ (2008) mit einem Beitrag vertreten.
Einige Jahre lang nahm Boje das Pendeln zwischen Flensburg und Föhr auf sich – ein Umzug in die Ostseestadt fiel ihm und seiner Familie anfangs nicht gerade leicht. Doch im Jahr 1990 war es soweit. Nachdem Bojes Anstellung an der PH in eine unbefristete Tätigkeit umgewandelt wurde, bezogen Boje und Eveline ihre erste Bleibe in Flensburg, fanden ein neues Zuhause im Wiesenweg in Mürwik. Endgültig hier angekommen sind sie 5 Jahre später: Sie erwarben und bezogen ihr neues Eigenheim in Tarup, im Weidebogen – dort leben sie heute noch, glücklich und zufrieden.
Den Wohnortwechsel haben die Maaßens in keiner Weise bereut: „So schön es auch auf Föhr war, und immer noch ist; in Flensburg sind wir schnell heimisch geworden, die Stadt hat es uns angetan, insbesondere die historische Altstadt mit ihren vielen hübschen Ecken und Höfen empfinden wir als Lebensqualität. Wir leben in einer Stadt, in der andere Urlaub machen!“ Und Boje ergänzt: „Beruflich habe ich hier ein weiteres Glück gefunden, ich war unheimlich gern an der Uni als Dozent und Begleiter der angehenden Lehrer tätig – die Studenten haben mir auch viel zurückgegeben!“ Und die Kollegen an der PH waren ihm durchaus wohlgesonnen und haben ihm hilfreich zur Seite gestanden, insbesondere den Professoren Homfeldt, Kozdon, Brinkmann, Schmid, sowie Frau Dr. Barbara Schwaner-Heitmann habe er viel zu verdanken, wie er gern ergänzt.

Der „Un“Ruhestand

Boje hat sogar über sein Rentenalter hinaus gearbeitet, sitzt auch heute noch stundenlang am Laptop – bis seine Eveline ihn mit Nachdruck auffordert, sich von der Arbeit zu trennen, und lieber mit ihr gemeinsam spazieren zu gehen, oder die Sonne im Garten zu genießen. Überhaupt spazieren oder wandern: „Ohne Auto geht es besser voran“, sind sich Eveline und Boje schon immer einig. „Doch auch wir hatten Autos: Das erste war ein rostiger alter Käfer mit Loch im Bodenblech, der letzte ein neuer schwarzer VW-Polo.“ Dazwischen lag ein jahrzehntelanger Reifungsprozess. Genau weiß er es nicht mehr: „Vor gut zehn Jahren stellte ich das Auto bei einem benachbarten Speditionsbetrieb in der Absicht ab, es nie wieder zu benutzen. Dabei ist es geblieben. Ohne Auto sind wir heute echt besser dran.“
Boje hat sich seit Jahren intensiv mit dem Thema „Eigenbewegung und Sinnlichkeit“ beschäftigt. Seine Arbeit zu diesem Thema gilt in der deutschen Pädagogik als grundlegend.
Wie der theoretische Überbau auf der Spielstraße nebenan in der Praxis funktioniert, können die Nachbarn des Ehepaares im teils ländlich geprägten Tarup täglich vor der Haustür betrachten. Man sieht die Maaßens regelmäßig „to Foot“ unterwegs zur Bushaltestelle, mit dem „Hacken-Porsche“ (Einkaufs-Trolley) auf dem Weg zum etwas weiter entfernten Supermarkt, oder auch auf Radtour in die ländliche Umgebung. Doch sie sind nicht nur per pedes auf Achse, sondern durchaus auch als Reisende in die europäischen Nachbarländer. Boje und Eveline Maaßen sind gerne unterwegs, als jüngere Menschen einst gern auch per Rad, später lieber etwas altersgerechter, und zwar mit der Bahn. „Auch als wir noch ein Auto hatten, fuhren wir im Jahr nie mehr als 3.000 Kilometer“, sagt der pensionierte Lehrer aus Berufung. Fühlten sie sich deshalb eingeschränkt?

Bojes Welten

„Überhaupt nicht“, sagt Boje mit Überzeugung. „Der Verzicht auf die motorgetriebene Auto-Mobilität hat für uns neue Momente geschaffen, auf die wir beide nicht verzichten wollten und im-
mer noch wollen. Bewegt werden durch eigene Bewegung ersetzen, das erschließt neue Welten“, hat er am eigenen Leib erfahren. „So beispielsweise die Rückmeldung des Untergrunds an deinen Körper beim Gehen, optisch die Umwelt entlang des Weges, soziale Momente, Sinneserfahrungen, Gespräche mit Fremden, Erfahrungen, die so völlig isoliert im Automobil unmöglich sind. Das Autofahren verhindert Kontakte. Nur über Eigenbewegung können wir gefühlt das Leben spüren“, so seine Überzeugung.
„Rückblickend kann ich feststellen: Ich war eigentlich schon immer in zwei Lebenssphären zuhause: Einerseits bäuerlich bis kleinbürgerlich im Elternhaus, Volksschule (mein bester Kollege kam gar von der Sonderschule), andererseits intellektuell bis philosophisch als Lehrer, Dozent und Autor – beide Sphären zu kennen ist ein absoluter Gewinn für mich“, ist Boje sich sicher. „Mein Vater war zwar Schlachter von Beruf, aber gleichzeitig auch ein Vogelhalter und Pflanzenliebhaber, hat mir die Natur nahegebracht.“
Die große Bedeutung der Natur, eine möglichst natürliche Lebensweise, und Lehren aus der Ökologie ziehen – all das wurde ihm somit schon in jungen Jahren beigebracht.
„Unterschiedliche Sprachen haben daneben mein Leben geprägt, Plattdeutsch in jungen Jahren, Friesisch in den Jahren auf Föhr und später unser Hochdeutsch“, hat Boje die Kraft und Eigenart der Sprache zu schätzen gelernt. „Landleben auf Föhr, Stadtleben in Flensburg – auch in jenen Lebensphasen war ich ein Wanderer zwischen mindestens zwei Welten“, ergänzt Boje. „Und schließlich mein Thema Mobilität: Gehen – Radfahren – AktivBus, diese drei Fortbewegungsarten bestimmen seit unserem Umzug nach Flensburg unser Fortkommen“, beschreibt Boje seine Bewegungsarten außerhalb des eigenen Hauses, und ergänzt dazu augenzwinkernd: „Meistens jedenfalls …!“

Das Flensburg Journal bedankt sich bei Boje und Eveline für ein erfrischend offenes, kurzweiliges und interessantes Gespräch.

Mit den Maaßens schnackte Peter Feuerschütz
Fotos: privat, Thomas Becker

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