Polizeibeamter zwischen Realität und TV

Ob „Nord Nord Mord“ oder „Unter anderen Umständen“, zwei beliebte Krimiserien im ZDF, die Millionen Zuschauer vor den Bildschirm ziehen. Bekannte Schauspieler wie Peter Heinrich Brix, Julia Brendler, Oliver Wnuk, Natalia Wörner, Ralph Herforth oder Martin Brambach ermitteln dort regelmäßig in Mordfällen und anderen Verbrechen. Was kaum einer weiß, mit dabei ist häufig auch ein Flensburger Polizist, Oberkommissar Patrick Nissen.
Nissen arbeitet im echten Leben beim Verkehrsermittlungsdienst der Polizei in Flensburg. Seit nunmehr 24 Jahren beschäftigt sich der 56-jährige mit Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. „Alle Delikte aus dem Flensburger Stadtgebiet landen bei mir und meinen vier Kollegen auf dem Tisch“, erklärt Nissen. Von kleineren Ordnungswidrigkeiten oder Nötigungen im Straßenverkehr bis hin zu tödlichen Verkehrsunfällen. Nissen und seine Kollegen kümmern sich um die kleinen und großen Fälle. Nicht immer sind die Hintergründe oder Dinge, mit denen er es zu tun hat, schön. Abwechslung zum Berufsalltag ist da wichtig.

Wie das Leben so spielt

Zum Film kam Nissen, dessen Bürowände dutzende Fotos von den Dreharbeiten der letzten Jahre zieren, im Jahr 2006 durch einen günstigen Zufall. „Damals hat eine Fernsehproduktion beim Land angefragt, ob in Flensburg Streifenwagen und ein Polizeimotorrad für Dreharbeiten zur Verfügung gestellt werden können“, erinnert sich Nissen. „Zu dieser Zeit gab es kaum Firmen, die sich auf die Vermietung von Einsatzfahrzeugen spezialisiert haben. Die Produktionen mussten diese also direkt bei der Polizei anfragen. Bei uns auf der Dienststelle wurde dann gefragt, wer sich vorstellen könnte die Dreharbeiten als echter Polizist zu unterstützen.“ Bei der Produktion handelte es sich um die beliebte ZDF-Serie „Da kommt Kalle“ mit Marek Erhardt, die von 2006-2011 ausgestrahlt wurde. 70 Episoden in fünf Staffeln. Eine Polizeiserie mit Drehort Flensburg und einem tierischen Hauptdarsteller, dem Terrier „Kalle“. „Ich fand es auf Anhieb spannend und wollte da mitmachen.“
Für Patrick Nissen waren es die ersten Erfahrungen vor der Kamera. Die Produktion benötigte neben den echten Einsatzfahrzeugen auch Statisten, vorzugsweise echte Polizisten. Patrick Nissen hatte Lust und ließ sich schnell dafür begeistern. „Damals entstanden die ersten Kontakte zu den Produktionen“, so Nissen, „das Team, welches ich damals kennengelernt habe, arbeitet teilweise auch heute noch bei anderen Dreharbeiten zusammen.“ Patrick Nissen hat einen guten Eindruck hinterlassen, es dauert nicht lange, da wurde er auch direkt für Dreharbeiten angefragt. Mittlerweile ist er fester Bestandteil einer Agentur, über die die Buchungen laufen.

Freizeitvergnügen

„Wenn ich für Dreharbeiten unterwegs bin, dann ausschließlich in meiner Freizeit“, so der Oberkommissar, „ich baue dann meine Überstunden ab oder nehme mir Urlaub.“ Zehn bis zwanzig Tage im Jahr steht Nissen vor der Kamera. Bei der im ZDF ausgestrahlten Krimi-Reihe „Nord Nord Mord“ nahezu in jeder Folge. „Auf Sylt habe ich immer Lust, nicht zuletzt weil ich auf der Insel jahrelang als Polizist meinen Dienst geleistet habe.“ Mittlerweile kommen keine echten Einsatzfahrzeuge mehr bei den Dreharbeiten zum Einsatz, es gibt spezielle Dienstleister, die sich auf die Vermietung solcher Fahrzeuge spezialisiert haben. Für eines dieser Unternehmen ist Nissen seit vielen Jahren tätig. „Die Regie bucht in vielen Fällen nicht nur die Fahrzeuge, sondern fragt für die Dreh-arbeiten auch echte Polizisten an.“ Hier kommen dann Nissen und auch einige seiner Kollegen ins Spiel. Er ist längst nicht mehr der einzige Polizist aus der Polizeidirektion Flensburg, der einen Teil seiner Freizeit als Statist beim Fernsehen verbringt.

Der Ratgeber

Die echten Polizisten fungieren als Statisten, Sprechrollen sind selten, meist geht es nur um einen oder zwei Sätze. Sie sollen die Szenen realitätsnaher machen. „Man ist mehr im Hintergrund, aber dennoch gut und nah im Bild“, so Nissen. „Oft werden wir auch während des Drehs gefragt, wie wir bestimmte Dinge in echt machen würden, ob die Ideen im Drehbuch logisch und realistisch sind.“ Der reale Polizeialltag wird im Fernsehen nicht selten falsch dargestellt, fernab der Realität. Nissen hilft gerne, gibt Tipps und Anregungen, wie gewisse Dinge und Abläufe im echten Polizeialltag durchgeführt werden. Für Nissen war es stets wichtig, dass es Produktionen sind, die seinen Beruf nicht lächerlich machen, bei „Nord Nord Mord“ und „Unter anderen Umständen“ fühlt er sich da gut aufgehoben. Wie würdet ihr eine Person festnehmen? Wo sitzt der Festgenommene im Auto? Fragen, bei denen Nissen die Regie und auch die Schauspieler beraten kann. „Nicht immer lassen sich unsere Tipps umsetzen, weil es im Fernsehbild nicht passen würde, dann trifft man einen Kompromiss und findet einen guten Weg dazwischen.“ Ohnehin schwärmt Nissen von einer tollen Zusammenarbeit zwischen Regie, Schauspielern und auch Statisten. Das Zusammenleben am Set sei mitunter familiär und sehr respektvoll. „Die Schauspieler der Hauptrollen arbeiten teilweise schon seit vielen Jahren mit der gleichen Regie zusammen“, so Nissen, „das merkt man dann auch am Set.“

Teil eines Teams

„Man gehört mittlerweile irgendwie zum Team, hat neben den durchaus auch anstrengenden Drehs auch Zeit um sich mit den Schauspielern zu unterhalten.“ Auch außerhalb der Dreharbeiten hält der Kontakt zu dem einen oder anderen Darsteller an. Es gab auch schon Besuche auf der Dienststelle von Nissen in Flensburg. Ein achtstündiger Dreh für später gerade einmal ein bis zwei Minuten im Film, Fernsehproduktionen brauchen seine Zeit, Szenen müssen mitunter etliche Male wiederholt werden. „Hinzu kommt, dass die meisten Szenen aus mehreren Blickwinkeln aufgenommen werden“, erklärt Nissen, „dann müssen wir uns jeden Schritt und jede Bewegung merken, damit es aus jedem Blickwinkel gleich aussieht.“ Drehtage können anstrengend sein, nicht nur für die Schauspieler, die für einen 90-minütigen Film wochenlang vor der Kamera stehen, auch für Statisten wie Patrick Nissen sind die Drehtage mitunter nicht ohne. Selbst wenn Streifenwagen und Statisten nur im Hintergrund der eigentlichen Szene stehen sollen, dann können schon alleine die Stellproben einige Zeit in Anspruch nehmen. „Bis es dann richtig los geht wird alles ausgiebig geprobt, jeder muss genau wissen wo er stehen soll oder von wo nach wo er durch das Bild laufen soll.“ Ein gewisser Spielraum für Improvisation bleibt aber auch bei Dreharbeiten für Fernsehserien. „Manchmal entwickeln sich Szenen während der Dreharbeiten etwas anders, als zunächst geplant“, so Nissen. „Auch Anregungen von mir oder anderen Statisten finden durchaus ihren Anklang, sofern es umsetzbar ist.“
Nissen macht es einfach Spaß. Mehr als nur eine gelungene Abwechslung zum Polizeialltag in Flensburg. Viel Geld lässt sich mit Statistenrollen nicht verdienen, darum geht es ihm aber auch nicht. Neben dem eigenen Interesse lässt sich auf diese Weise auch der Polizeiberuf im Fernsehen darstellen. So realistisch wie es eben geht. „Und wer könnte dies besser als wir echten Polizisten?“

Text: Benjamin Nolte
Fotos: Benjamin Nolte, privat

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