Was macht denn ein Notarzt so in seiner Freizeit?

Notarzt mit eigener Sternwarte

Wenn Mathias Juraschek seine Kamera auspackt, dann kann es durchaus einmal bis zu 20 Stunden dauern, bis ein einziges Foto im Kasten ist. Und das nicht einmal am Stück, sondern aufgeteilt auf mehrere Nächte. Der Facharzt für Innere Medizin und Notarzt hat ein außergewöhnliches Hobby, welches ihn seit nunmehr sechs Jahren begleitet. Die Astrofotografie. Tausende Lichtjahre entfernte Objekte auf Bildern sichtbar machen, eine Wissenschaft für sich, die nicht nur viel Fachwissen, sondern auch einer Menge Geduld bedarf. Für sein Hobby hat sich der 42-jährige vor den Toren Handewitts mittlerweile eine eigene kleine Sternwarte gebaut.
Sie heißen California Nebel, Cave Nebula, Christmas Tree, Cygnus Wall, Elephant, Flaming Star, Herznebel oder Pferdekopf. Sternbilder oder Nebelkomplexe, die mitunter mehrere tausend Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Eingefangen mit speziellen Teleskopen, einer Astrokamera und einer Menge Computertechnik. „Die eigenen Ansprüche und damit auch die benötigte Technik sind in den letzten Jahren immer weiter gestiegen“, berichtet Juraschek. „Diese Art der Fotografie hat mich regelrecht in ihren Bann gezogen und begeistert mich immer wieder aufs Neue.“
Vom ersten Foto bis zur eigenen Sternwarte war es für den Mediziner ein weiter Weg. Zusammen mit einem Kumpel machte er Urlaub auf La Gomera. Die beiden lagen eines Abends nach ein paar kühlen Getränken auf dem Dach ihrer Unterkunft. „Mein Kollege hat mir am Nachthimmel ein paar Sternbilder gezeigt“, erinnert sich Juraschek. „Die Orionkonstellation, die Milchstraße, vorher hatte ich damit gar nichts zu tun gehabt, habe allerdings schon immer gerne fotografiert und war nun neugierig wie man ein Foto der Milchstraße macht.“

Einstieg ins Hobby

Der Anfang war gemacht. Juraschek begann zu recherchieren, durchwühlte das Internet, saugte Wissen auf und investierte in dafür notwendige Technik. „Gewohnt habe ich damals in Kiel und mein erstes Bild vom Orion Nebel ist von meinem Vordach aus entstanden.“ Es funktionierte, bereits mit wenig Aufwand, so lautete damals das erstes Fazit. Draußen am Bülker Leuchtturm, vor den Toren der Stadt, war es wesentlich dunkler. Die sogenannte Lichtverschmutzung deutlich geringer. Leuchtturm und Milchstraße auf einem Foto, die ersten Motive waren auch hier schnell im Kasten. „Nach und nach habe ich mir mehr und besseres Equipment zusammengekauft, habe in Teleskop und Spiegelreflexkameras investiert“, so Juraschek.

Der große Orion Nebel (1350 Lichtjahre entfernt) kann regelmäßig mit bloßem Auge gesehen werden

Weitermachen oder aufhören?

Drei Jahre nach der Aufnahme des Hobbys stand der junge Arzt vor einer schwierigen Entscheidung. Alles aufgeben oder noch einmal deutlich mehr investieren. Es klappte nicht so wie er es wollte. Er war unzufrieden mit der Qualität und dem Fortschritt seiner Astrofotografie. Aus heutiger Sicht betrachtet fiel die Entscheidung glücklicherweise zu Gunsten der Fotografie. Juraschek investierte nochmals einen großen Betrag in eine spezielle Astrokamera und größere Teleskope. Mit dieser Technik gelang es ihm immer komplexere Sequenzen in besserer Qualität aufzunehmen. Mit seinem Bus war er mobil, hat viele Nächste draußen vor den Toren Kiels auf einem Feld verbracht. „Dort habe ich mein Equipment aufgebaut und neben dem Teleskop in meinem Bus geschlafen.“
Astrofotogafie lässt sich nur schwer mit der normalen Fotografie bei Tageslicht vergleichen. Um komplexe Elemente wie Sternbilder, Planeten oder Nebelkonstellationen fotografieren zu können, braucht man zum einen absolute Dunkelheit, einen sternenklaren Himmel und viel Zeit. Witterungsbedingt ist es bei uns oft gar nicht möglich vernünftige Fotos anzufertigen. Wolken, Nebel, Lichtverschmutzung und andere Probleme legen Astrofotografen wie Mathias Juraschek eine Menge Steine in den Weg. Doch wenn alles passt, dann entstehen eindrucksvolle Fotos, zeigen Dinge, die wir uns kaum vorstellen können, die unvorstellbar weit weg sind und vielleicht sogar gar nicht mehr existieren. Quasi ein Blick in die Vergangenheit, hunderte, gar tausende Lichtjahre zurück.
Es dauert lange, mitunter sehr, sehr lange bis ein einziges Foto fertig ist. Mit Hilfe von Computertechnik und speziellen Kameras gelingt es Astrofotografen stundenlange Belichtungen zu realisieren und das trotz der Rotation der Erde. Der Computer sorgt dafür, dass sich das Stativ mit dem Teleskop exakt so schnell mitbewegt wie es sein muss. So werden die Sterne auch nach mehreren Stunden Belichtung auf dem Bild als Punkt und nicht als Strich dargestellt.

Der Grüne oder der Neandertalerkomet, der zuletzt vor 52.000 Jahren unser Sonnensystem passierte

Neues Zuhause in Handewitt

Mittlerweile hat Juraschek eine Praxis in Handewitt gekauft. Arbeitet dort als Allgemeinmediziner und fährt zusätzlich in Flensburg und im Kreis Schleswig-Flensburg als Notarzt. Gemeinsam mit seiner Freundin wohnt er in Handewitt, etwas außerhalb, auf einem landwirtschaftlichen Betrieb. Platz genug um sich voll und ganz zu verwirklichen. In mühevoller Handarbeit hat sich Juraschek im vergangenen Jahr seinen Traum verwirklicht. Eine eigene Sternwarte. Zukünftig soll in dieser ein 14 Zoll Teleskop mit 3,6 Metern Brennweite stehen. Dieses läuft vollautomatisch und computergesteuert, ebenso wie die Sternwarte. „Bis hierhin war es ein langer und manchmal auch sehr frustrierender Weg“, so Juraschek, „man muss sehr viel lesen und insbesondere für Einsteiger gibt es hier auch nicht besonders viel Literatur. Diese hat meist einen sehr wissenschaftlichen Charakter.“
Doch nun steht sie. Das Dach der Sternwarte lässt sich per Fernsteuerung öffnen und schließt bei aufziehendem, schlechten Wetter vollautomatisch. Juraschek muss nun nicht mehr zu Hause sein um an seinen Bildern zu arbeiten. Einmal programmiert und eingestellt, würde die Technik bei geeignetem Wetter eigenständig an dem gewünschten Bild arbeiten. Bedeutet: ist die Nacht dunkel und sternenklar, dann öffnet sich die Sternwarte automatisch und das Teleskop fährt in exakt die Position, bei der es zuletzt mit der Belichtung abgebrochen hatte.

Die Andromeda Galaxie ist die der Milchstraße mit rund 2,5 Millionen Lichtjahren Entfernung nächstgelegene Spiralgalaxie

Neben Hardware wie Kamera, Teleskop und Stativ ist aber auch die Software von großer Bedeutung. Ohne Bildbearbeitung und Bildaufbereitung geht es kaum. „In unseren Breiten stört die Atmosphäre diese Art der Fotografie doch gewaltig“, erklärt Juraschek, „viele schlaue Köpfe sind da aber sehr kreativ und auch auf Softwareseite wird es immer besser. Es gibt professionelle Anwendungen, die zwar Geld kosten, aber die einem auch helfen.“ Der wesentliche Faktor in der Astrofotografie ist die Belichtung. In der normalen Fotografie sind Belichtungszeiten von 30 Sekunden oder ein bis zwei Minuten schon sehr lange, bringen mitunter auch Kameras an ihre Grenzen, da die Sensoren mit der Zeit sehr heiß werden. „Wir reden in der Regel von Stunden, mitunter auch vielen Stunden, die am Stück belichtet werden um ein Bild von Objekten in tausenden von Lichtjahren Entfernung zu realisieren.“ Ein solches Bild entsteht über mehrere Nächte, je dunkler ein Objekt, desto länger muss belichtet werden. Der Chip der Kamera wird dabei auf Minustemperaturen heruntergekühlt um das entstehende thermische Rauschen zu reduzieren. „Je mehr man sich mit der Thematik beschäftigt um so mehr will man auch erreichen. Die Objekte, die man fotografieren will werden schwieriger und komplexer.“

Der Spaghetti Nebel ist ein galaktischer Supernovaüberrest in den Sternbildern Stier und Fuhrmann und liegt ca 3000 Lichtjahre entfernt

Endgültig in der Weltraumfotografie angekommen

„Die Säulen der Schöpfung“, eine Formation im etwa 7000 Lichtjahre entfernten Adlernebel. Dieses 1995 vom Hubble-Weltraumteleskop fotografierte Bild hat es Juraschek angetan. „Von der Erde aus ist es schwer zu bekommen, am ehesten noch von der Südhalbkugel, aber aufgrund der Atmosphäre ist es echt eine Herausforderung. Ich bin damit schon drei Sommer lang unzufrieden, werde es aber weiter probieren.“ Für den Einstieg in die Astrofotografie kommt man mit rund 2.500 – 3.000 Euro aus. Benötigt werden Teleskop, Kamera und eine Computerlösung. „Da habe ich anfangs einen Fehler gemacht und habe am falschen Ende gespart“, so Juraschek heute, „umso schlechter das Equipment umso erfahrener muss man sein um gute Bilder zu bekommen.“
„Ein Windstoß, ein Wackler und die Aufnahme ist dahin.“ Diese Gefahr besteht draußen in der Natur immer. Auch um dem vorzubeugen hat Mathi-as Juraschek den Traum seiner eigenen kleinen Sternwarte umgesetzt. Sie schützt nicht nur vor Regen und Wind, auch das Stativ des Teleskops ist ganz speziell montiert. „Der Betonklotz, auf dem das Teleskop ruht ist rund 1,5 Tonnen schwer und vom Rest des Gebäudes entkoppelt.“ So will der Astrofotograf unbeabsichtigte Wackler und Vibrationen ausschließen. Ein entscheidender Schub für die Bildqualität. Bewegungen hat er so maximal minimiert. „Für die großen Teleskope mit langer Brennweite braucht man schon eine Sternwarte um auch qualitativ zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.“ Bedienen kann Juraschek die teure Technik von überall. Eine feste Internetverbindung macht die Steuerung auch von unterwegs aus möglich.
Pläne für die Zukunft hat Juraschek auch, nicht nur privat. „Ich möchte gerne den Spaghetti-Nebel ganz abbilden, das einmal vernünftig hinzubekommen wäre schon ein Traum.“ Dabei handelt es sich um einen Überrest einer galaktischen Supernova. Er ist ca. 40.000 Jahre alt und befindet sich in einer Entfernung von 3000 Lichtjahren.

Text: Benjamin Nolte
Fotos: Benjamin Nolte, privat

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