Wenn Testamente missverständlich, mehrdeutig oder juristisch falsch formuliert sind, kommt es immer wieder zu Streitigkeiten, die oft langjährige und kostenträchtige Gerichtsverfahren nach sich ziehen, sei es in Erbscheinsverfahren oder auch in Verfahren, in denen es um die Verteilung des Erbes geht. Oft führt dies dazu, dass danach die Familie dauerhaft zerstritten ist und bleibt.

Einer der typischen Fehler und Irrtümer, der bei gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten besteht und leider immer erst zu Tage tritt, wenn es zu spät ist, nämlich wenn der erste Ehepartner des verfassten gemeinschaftlichen Ehegattentestamentes verstorben ist, ist die Frage und Auslegung der „Bindungswirkung“ des gemeinschaftlichen Ehegattentestamentes für den länger lebenden Ehegatten. Immer wieder erlebe ich den Fall, dass ältere Menschen zu mir kommen, die aus erster Ehe verwitwet sind und Testamente zugunsten ihres neuen Lebenspartners errichten möchten, mit dem sie entweder neu verheiratet sind oder auch einfach nur schon viele Jahre zusammenleben. Auf meine Frage, ob sie durch frühere Testamente oder Erb­verträge gebunden seien, folgt dann oft ein verständnisloser Blick und dann nach einigen Momenten der Pause der zögerliche Hinweis, dass es wohl noch ein ganz altes Testament von früher aus der ersten Ehe gebe, das damals nach dem Tod des ersten Ehepartners eröffnet worden sei, das ja aber völlig veraltet sei und nicht mehr „passe“. Um ein neues Testament zu verfassen, deshalb sei man doch jetzt hier bei mir. Ich erkläre dann, dass ich zunächst den Inhalt des alten Testamentes kennen muss, um einen Hinweis darauf geben zu können, ob die wirksame Errichtung eines neuen Testamentes überhaupt möglich, oder durch die „Bindungswirkung“ des alten Testamentes ausgeschlossen ist.

Diese Problematik der Bindungswirkung ist vielen juristischen Laien nicht bekannt: Wechselbezüglich bindend heißt, dass nach dem Tod des ersten Ehepartners die Witwe/der Witwer später kein neues Testament mit anderem Inhalt verfassen kann, sondern an die im alten gemeinschaftlichen Testament getroffenen Regelungen dauerhaft gebunden bleibt. Das Gesetz geht bei gemeinschaftlichen Testamenten mit gegenseitiger Erbeinsetzung der Eheleute und anschließender Schlusserbeinsetzung der Kinder davon aus, dass „im Zweifel“ alle Verfügungen, auch die Schlusserbeinsetzung der Kinder, wechselbezüglich bindend sind.

Immer wieder werden mir dann auch alte gemeinschaftliche Testamente vorgelegt, in denen die Eheleute sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben nach dem Tod des Längstlebenden eingesetzt haben, ohne dass auch nur mit einem Wort auf die Frage der Bindungswirkung eingegangen wird, weil die Eheleute sich dieser Problematik damals nicht bewusst waren und der länger Lebende sich dieser Problematik bis heute nicht bewusst ist.

Diese Unkenntnis ist umso ärgerlicher, als man diese Bindungswirkung unproblematisch für den gesamten Inhalt des gemeinschaftlichen Testamentes oder auch nur für einzelne Regelungen ausschließen kann. Man muss es nur auch entsprechend formulieren! Darum sollte in jedem gemeinschaftlichen Testament immer auch vermerkt werden, welche Verfügungen in dem Testament wechselbezüglich bindend, also nicht mehr abänderbar sind, bzw. welche Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament nicht wechselbezüglich bindend, sondern von dem länger Lebenden später durch ein neues Testament abgeändert werden können. Diese Abänderungsbefugnis kann Erbeinsetzungen im Ganzen, Erbquoten unter den Miterben oder auch die Änderung von Vermächtnisregelungen oder Teilungsanordnungen betreffen. Je genauer dies formuliert wird, um so eher lässt sich späterer Streit über den Umfang der Bindungswirkung alter Testamente vermeiden.

Gerade junge Eheleute, die ein erstes gemeinschaftliches Testament errichten wollen, sollten sich ganz genau überlegen, ob sie bei einer gegenseitigen Erbeinsetzung und Schlusserbeinsetzung ihrer zu dem Zeitpunkt noch kleinen minderjährigen Kinder schon eine Bindungswirkung testamentarisch vereinbaren oder aber doch lieber ausschließen wollen, denn keiner weiß, was in der Zukunft noch passieren wird. Und auch ältere Eheleute müssen sich überlegen, welche ihrer testamentarischen Regelungen sie wechselbezüglich bindend vereinbaren wollen und welche nicht.

Ulrike Czubayko Rechtsanwältin und Notarin Testament
Rechtsanwältin und Notarin Ulrike Czubayko, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Familienrecht in der Kanzlei KH&S Dr. Kruse, Hansen & Sielaff Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Rechtsanwälte, Fachanwälte, Notare; Stuhrsallee 35, 24937 Flensburg, Tel. 0461-520770

Diesen Beitrag sowie alle früheren Beiträge können Sie unter www.khs-flensburg.de nachlesen.

- WERBUNG -