Oberbürgermeister-Wahl 2022 in Flensburg: Da keiner der vier Kandidaten anlässlich der am 18.September durchgeführten Oberbürgermeisterwahl die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen konnte, wird nun in wenigen Tagen, am 2. Oktober, in einer Stichwahl der künftige Oberbürgermeister/die künftige Oberbürgermeisterin ermittelt werden. Zur Wahl stehen die beiden Kandidaten, die in der ersten Wahlrunde die meisten Stimmen erhielten: Dr. Fabian Geyer und Simone Lange.
Die Kandidaten haben sich im Vorfeld der Wahl zu zahlreichen Themen ausführlich und umfänglich geäußert, ihre Ziele definiert und ihre Vorhaben erläutert. Das Flensburg Journal möchte noch etwas mehr von beiden Kandidaten in Erfahrung bringen und hat sich deshalb Fragen überlegt, die ansonsten selten oder noch gar nicht gestellt wurden. Es geht darum dass der wahlberechtigte Bürger sich einen guten Eindruck verschaffen kann.
Wer am 2.10. nicht die Möglichkeit besitzt in sein Wahllokal zu gehen, der hat schon jetzt die Möglichkeit, seine Stimme im Rathaus abzugeben. Hierfür wird nur der eigene Ausweis benötigt.
Wichtig ist aber ein hohes Wahlaufkommen, denn nur so kann der Gewinner/die Gewinnerin auf ein breite Unterstützung in den kommenden
Jahren der entsprechenden Amtszeit bauen.

Also liebe „Flensbürgerinnen und Flensbürger“: Geht am 2.10. wählen, denn nicht zu wählen ist definitiv die falsche Wahl.

1. Nehmen wir an, Sie haben die Wahl gewonnen: Welche drei Baustellen in Flensburg, im Rathaus bzw. in der Verwaltung gehen Sie zuerst an?

Dr. Fabian Geyer: Erstens muss wieder ein Klima der Offenheit und des Vertrauens zwischen Bevölkerung, Verwaltung und Politik hergestellt werden. Zweitens gilt mein Fokus der Situation rund um den Bahnhofswald und die K8, bei denen erhebliche Forderungen auf die Stadt zukommen könnten. Drittens gefährden die explodierenden Energiepreise und Kosten der Lebensführung den sozialen Frieden und die Wirtschaft in der Stadt. Hier müssen die Menschen spüren, dass sie sich auf den Staat und ihre Kommune verlassen können – der Zusammenhalt darf nicht verloren gehen.

Simone Lange: Da ich nur drei nennen darf, entscheide ich mich dafür, die aktuelle Energiekrise und die damit verbundenen sozialen Auswirkungen anzupacken, sowei den KiTa- und Schulausbau und den Neubau und die Modernisierung der Feuerwehren.

2. Die Innenstadt hat nicht durch Corona, sondern bereits in den Jahren zuvor an Attraktivität verloren. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen oder fördern, um die Stadt wieder „voll zu machen“?

Dr. Fabian Geyer: Das ist leider wahr. Dafür gibt es viele Ursachen. In den letzten Jahren wurde kein Konzept gefunden, um die Potentiale von Flensburg stärker zu nutzen – etwa unsere einzigartigen Höfe. Ob die dänischen Kunden weiter so kommen wie bisher ist keinesfalls sicher. Sauberkeit, Sicherheit und öffentliche Toiletten sind immer wieder bemängelte Punkte. Dann muss die Aufenthaltsqualität, zum Beispiel auf der Schiffbrücke, verbessert werden. Ein ganzjähriges, auf Flensburg zugeschnittenes Veranstaltungskonzept und eine skandinavische Markthalle als Leuchtturm im Stadtzentrum würden wichtige neue Impulse bringen.

Simone Lange: Anders als in der Fragestellung angedeutet erlebt die Innenstadt nach Corona wieder einen Aufschwung. Mit Innenstadtmanagement, einem
engagierten Beirat und tüchtigen Kaufleuten stehen die Zeichen gut. Aachener, Events wie den Verkaufsoffenen Sonntag und Menschen, die sich in ihrer Innenstadt wohlfühlen setzen wir der aktuellen Krise etwas entgegen.

Wir haben viele verschiedene Maßnahmen ergriffen, die wir konsequent weitermachen sollten. Wir haben seit mehr als 1 Jahr einen Innenstadtmanager, durch ihn konnten wir Fördergelder für die Innenstadt nach Flensburg holen und damit können wir z.B. Leerstände beseitigen und die Innenstadt attraktiver gestaltet.

Die Besucherzahlen sind bereits wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Allerdings sorgt die aktuelle Energiekrise eher dazu, dass die Menschen weniger kauflustig sind. Deshalb müssen wir ganz konsequent und fortwährend auf die Entwicklungen in der Innenstadt achten und ggf. gegensteuern.

3. Flensburg ist bei Gewerbesteuer und Grundsteuer absolute Spitze in Schleswig-Holstein. Das wiederum ist für viele eine finanzielle hohe Belastung und ggfs. ein Grund, aus Flensburg weg zu gehen. Sind Sie bereit, den Standort wieder attraktiver zu machen und wenn ja, wie?

Dr. Fabian Geyer: Es wird einen Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen geben, gerade wenn die Rezession auch unsere Region treffen wird. Eine Möglichkeit zur Absenkung des Steuersatzes sehe ich nicht. Wir werden mit der Politik prüfen und entscheiden müssen, welche Ausgaben Priorität haben. Das sind für mich die Daseinsvorsorge, mit den Schwerpunkten Kindeswohl und Klimawandel, und der Lebenswert für die Menschen. Ich werde mich für einen engeren Austausch zwischen Wirtschaft und den Hochschulen sowie die duale Ausbildung und Berufsorientierung einsetzen. Unsere Zukunft sehe ich bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit; z.B. bei der Energieerzeugung, Logistik und Mobilität sowie der Kooperation auf Augenhöhe mit den Umlandgemeinden.

Simone Lange: Flensburg ist in den vergangenen 6 Jahren gewachsen. Wir haben einen Zuwachs an Einwohner*innen von etwa 1000 Menschen pro Jahr. Einzige Ausnahme war das Coronajahr. Viele Unternehmen konnten angesiedelt werden, einige Flensburger Unternehmen sind stark gewachsen.

Die Gewerbesteuer ist seit 8 Jahren eingefroren, wurde seit 2014 nicht mehr verändert und ich halte eine Erhöhung auch für den völlig falschen Weg. Auch die Grundsteuer, die seit 5 Jahren fest steht, darf meiner Meinung nach nicht erhöht werden.

Die Flensburger Unternehmen haben sich trotz Pandemie erfolgreich entwickelt. Beleg dafür ist, dass die Gewerbesteuereinnahmen in den vergangenen 6 Jahren von 46 Mio auf ein Allzeithoch von 57 Mio EUR gestiegen sind.

Wir konnten neue Unternehmen ansiedeln, alle Gewerbeflächen, die wir zur Verfügung gestellt haben, wurden schnell gefüllt. Jetzt stehen wir vor der Aufgabe, weitere Gewerbeflächen zur Verfügung zu stellen und bereiten das bereits vor. Das Hafenostufer zum Bespiel bietet ein großes Potential an Gewerbeflächen, das Gebiet an der Westerallee und der Bereich Peelwatt ebenfalls. Wir haben noch richtig gute Möglichkeiten und die sollten wir unbedingt nutzen. Flensburg ist ein attraktiver Standort, weshalb uns in der aktuellen Bevölkerungsprognose weiterhin ein starkes Wachstum vorausgesagt wird. Wir haben die Aufgabe, den Zuzug gut zu gestalten. Die gelebte Partnerschaft mit Dänemark ist dabei genauso wichtig, wie die sehr gute Stadt-Umland-Kooperation, die sich in meiner Amtszeit besonders gut entwickelt hat. Wir sind nämlich nur gemeinsam stark. Das Kirchturmdenken hilft niemandem, die Menschen erwarten zurecht, dass wir gemeinsam unsere Stadt und unsere Region voranbringen.

4. Flensburg ist eine Stadt mit vielen politischen Gruppen und anderen (wirtschaftlichen) Interessengemeinschaften. Wie wollen Sie es schaffen, dass diese gemeinschaftlich an einem Strang ziehen, was für die Entwicklung der Stadt so wichtig wäre?

Dr. Fabian Geyer: Das vielfältige Engagement der Menschen in unserer Stadt zeichnet Flensburg aus, ich begrüße das sehr. Viele dieser Gruppen eint ihre Unzufriedenheit und empfundene Ohnmacht. Hier gilt es anzusetzen, durch einen intensiven Dialog mit allen Gruppierungen und dem Angebot, bei Sachfragen und Vorschlägen unvoreingenommen und zielführend zu vermitteln. Ich fühle mich weder einer Partei verpflichtet noch einer Interessengruppe. Bei fast jeder gibt es praktische und wertvolle Anregungen und Argumente, die ich bis zum Beweis des Gegenteils nicht ausschließe. Diese Offenheit und der Respekt fehlen mir häufig, was ich im Sinne der Demokratie und Mitsprache ändern möchte. Da helfen mir die Erfahrung und Fähigkeit zum Kompromiss aus über 150 Tarifverhandlungen.

Simone Lange: Mit 9 Fraktionen ist die Ratsversammlung so vielfältig wie nie. Mit diesem Trend sind wir nicht allein. Alle Städte erleben diesen Trend. Die politische Arbeit in den Fachausschüssen erlebe ich konstruktiv. Die notwendigen Beschlüsse werden stets gut diskutiert und abgewogen und schlussendlich demokratisch abgestimmt. Während meiner Amtszeit gab es zwar hier und da auch hitzige Debatten. Letztendlich haben wir, Stadtverwaltung und Politik aber immer ein gut abgestimmtes Ergebnis erreichen können. Ohne diese vertrauensvolle Zusammenarbeit wären die Projekte auch nicht so weit entwickeln worden, wie wir es jetzt erleben.

5. Die Stadtwerke als kommunaler Versorger schaffen es durch die Energie-Krise nicht ohne deutliche Preiserhöhungen, obwohl selbst Energie erzeugt wird. Wie kann das sein? Und wann hat der Flensburger Bürger die Möglichkeit auch im Bereich der Fernwärme frei entscheiden zu können, wer ihn zukünftig beliefert? Und vor allem: Haben Sie die „neue Formel“ zur Preisberechnung verstanden?

Dr. Fabian Geyer: Die Stadt ist Gesellschafter und daher haben Verwaltung und Politik unmittelbaren Einfluss auf die Strategie, den Auftrag der Daseinsvorsorge und die Preisgestaltung der Stadtwerke. Viele Menschen haben aufgrund des Schreibens mit der Kündigung der Verträge und der „Formel“ – die ich ebenfalls nur mit Hilfe von Fachleuten einigermaßen verstanden habe – Vertrauen in „ihre“ Stadtwerke verloren. Wenn in der Überschrift „Transparenz“ steht, sollte diese durchgehalten werden, auch wenn eine seröse Preiskalkulation derzeit nicht möglich ist. Der Grundpreis erscheint mir zu hoch, der Anreiz zum Einsparen von Wärme zu niedrig. Andere Wärmequellen zu nutzen wird absehbar wohl nur durch eine autarke Versorgung gelingen. 

Simone Lange: In der Flensburger Fernwärmesatzung werden der Anschluss an die Fernwäme und die Ausnahmen davon geregelt.

Es geht weniger darum, die Formel zu verstehen, sondern darum, dass die Stadtwerke durch die Preisgleitklausel Preisveränderungen automatisch anpassen. Das ist wichtig, damit auch Preissenkungen automatisch bei uns ankommen. Das war in der Vergangenheit nicht so. Aktuell verändern sich die Marktpreise leider nach oben. Damit kommen die Preiserhöhungen automatisch bei uns Verbraucher*innen an.

Hier muss aufgepasst werden! Es braucht einen Preisdeckel, damit wir vor zu hohen Energiekosten geschützt werden. Ich setze mich für einen Preisdeckel ein!

6. Flensburg ist das Tor zu Skandinavien. Die Nähe zu Dänemark wird immer wieder auch von Ihnen als wichtiger Wirtschafts- und Tourismusfaktor bezeichnet. Und dennoch spricht in Flensburg kaum jemand fließend dänisch, während es jenseits der Grenze anders ist. Wann ist Flensburg soweit, dass Dänisch ein Pflichtfach in der Schule wird oder in der Kindertagespflege auf zweisprachige Erziehung/Betreuung gesetzt wird?

Dr. Fabian Geyer: Mehr Zweisprachigkeit wäre eine interkulturelle Bereicherung im Grenzgebiet. Das ist in der Schule Aufgabe der Landespolitik. Das Problem sind Lehrkapazitäten und Finanzen. Zudem müssen wir viele Menschen, die aus unterschieidlichen Gründen zu uns kommen, in unseren Schulen trotz Lehrkräftemangel in Deutsch und Fremdsprachen unterrichten, damit die Integration dieser Kinder und Jugendlichen gelingt. Ich fürchte, der berechtigte Wunsch nach einem Pflichtfach Dänisch wird vor diesem Hintergrund in der Bildungspolitik zunächst unerfüllt bleiben. Gleichwohl setze ich mich für den Ausbau von grenzübergreifenden Bildungs- und kulturellen Angeboten ein, die Kinder und Erwachsene in ihrer Freizeit wahrnehmen können.

Simone Lange: Die Stadt Flensburg hat keinen Einfluss auf die Pflichtfächer des Unterrichts in Schulen. Dies ist Aufgabe der Bildungsministerin des Landes Schleswig-Holstein. Einfluss auf die Kindertagesstätte können wir nehmen auf unsere eigenen KiTas, den Städtischen KiTas und der Kindertagespflege. Eine Verpflichtung, auch dänisch zu sprechen gibt es hier nicht.

7. Die Versorgung mit Krippen-Plätzen in Flensburg ist eher mangelhaft. Viele Eltern müssen auf private Tagesmütter ausweichen, ohne wirklich zu wissen, wie gut ihr Baby/Kind dort aufgehoben ist. Der SSF hingegen will mehr Kapazitäten anbieten, wird von der Stadt aber blockiert. Wieso ist das so? Und wie wollen Sie insgesamt die Situation verbessern?

Dr. Fabian Geyer: Der Mangel an Kindertagesstätten und -plätzen ist die Folge des Versäumnisses der Politik, die Betreuung von Kindern, wie in anderen Ländern, ausreichend zu finanzieren. Zwar hat sich in den letzten Jahren einiges getan, aber viele Familien bleiben bei der Kinderbetreuung weiter außen vor. Das gilt insbesondere, wenn eine besondere inklusive Betreuung erforderlich ist. Das Chaos rund um die Ferienbetreuung ist hier als Beispiel zu nennen. Hinzu kommen der Fachkräftemangel und stark belastete Beschäftigte, die belastende Beitragssituation – besonders in Flensburg, wo die Erstattung von Beiträgen fragwürdig ist – und die Umsetzung der Qualitätsoffensive des Bundes. Für mich hat der Ausbau des Angebotes absolute Priorität, auch bei prekärer Haushaltslage.

Simone Lange: Die Kindertagespflege ist eine feste Säule der Kinderbetreuung und gehört neben den KiTas in Flensburg zur Angebotsvielfalt. Ich selbst hatte meine Tochter auch als Krippenkind bei einer Tagesmutter und die familienähnliche Betreuung kann bei besonders kleinen Kindern sehr vorteilhaft sein. Den Ausbau der Kinderbetreuung unterstützen wir, niemand wird blockiert, denn wir benötigen dringend weitere KiTa- und Betreuungsplätze.

Die aktuelle Versorgungsquote in Flensburg liegt ähnlich hoch wie bei allen kreisfreien Städten. Qualitativ haben wir in den Flensburger Krippen einen höheren Personalschlüssel als anderswo in Schleswig-Holstein.

Die Betreuungsangebote setzen sich zusammen aus Krippenplätzen in Kindertageseinrichtungen und den individuellen Angeboten von Kindertagespflegepersonen. Letztere sind auch seitens des Landes eine anerkannte Säule der Kinderbetreuung und für viele Eltern aufgrund der kleinen Gruppen eine bevorzugte Alternative zu einer Krippengruppe. Alle uns geförderten Kindertagespflegepersonen weisen ebenfalls entsprechende Aus- und Weiterbildungen nach und sind in ständigem Kontakt mit unserer städtischen Fachberatung.

Wir haben uns mit der Kommunalpolitik das Ziel gesetzt, bis zu 48% auszubauen, da wir mit weiter steigender Nachfrage rechnen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit auch genügend Kinderbetreuungsangebote uns ganz zentrale Anliegen sind.

Wir freuen uns über jeden neuen Kita-Träger, der uns bei den Bemühungen, den Kitausbau voranzutreiben, unterstützen will und fördern deren Baubemühungen auf vielfältige Weise. Zugleich bilden wir auch ständig weitere Kindertagespflegepersonen aus und wollen Vertretungsstützpunkte für Kindertagespflege einrichten.

Anfragen des SSF, der nach eigener Aussage für Kulturprojekte der dänischen Minderheit verantwortlich, liegen uns tatsächlich nicht vor. Betreuungsangebote der dänischen Minderheit gibt es bereits durch DSF und SdU, mit denen wir als Kita-Förderung jedoch auch in ständigem Austausch sind. Derzeit liegen uns hier keinerlei Ausbaupläne vor. Jede Ausbauanfrage von Trägern ist uns jedoch sehr willkommen und wird seitens der Kita- Förderung zusammen mit den anderen Fachabteilungen der Verwaltung wie beispielsweise der Bauordnung positiv begleitet.

8. Flensburg, Auto- und Radfahrer, Klimapakt. Es gibt hier viele Reibungspunkte und noch kein klar erkennbares Konzept für den Bürger selbst. Was machen z.B. dänische Städte und Kommunen besser, die fahrradfreundliche Innenstädte entwickelt haben und es harmonisch mit den Autofahrern einher geht? Was geht schief in der Flensburger Verkehrs- und Stadtplanung und wie kann man es zukünftig besser machen und die Erfahrungen skandinavischer Städte aufgreifen?

Dr. Fabian Geyer: Flensburg hat ein jahrealtes Klimaschutzkonzept und einen „Masterplan Mobilität“, die darauf warten umgesetzt zu werden. Es dauert alles zu lange und die Interessengruppen zerren an ihren Enden. Dieses Gegeneinander muss aufhören. Wir werden weder den Autoverkehr von heute auf morgen aus der Innenstadt vertreiben noch können wir ignorieren, dass der Fahrradverkehr zunimmt und vermehrte Sicherheitsanforderungen und gute Wegeführungen, z.B. auf Kopfsteinpflaster, benötigt. Ich möchte auch nicht nur von „fahrradfreundlich“ sprechen, sondern von mehr Rücksichtnahme insgesamt und einer konsequenten Verfolgung verkehrswidriger Situationen, besonders in Gefahrenbereichen wie Parken auf Radwegen oder Fahren ohne Licht. Erfahrungen anderer Städte, auch aus Skandinavien, sind dabei hilfreich. 

Simone Lange: Ich glaube Dänemark hat verstanden, dass der Weg zur nachhaltigen Stadt mit hoher Lebensqualität über die Verkehrspolitik bzw. für eine fahrradgerechte Stadt führt und zieht, man schaue sich beispielsweise Kopenhagen an, das konsequent durch.

Dabei hat sich Kopenhagen auf die Themen Stadtleben, Komfort, Geschwindigkeit und Sicherheit  konzentriert und auf Bicycle-Accounts um
Schlüsselprobleme festzustellen. Kopenhagen hat in den letzten 10 Jahren 50 Mio. EUR allein in die Fahrradinfrastruktur investiert und den Autoverkehr konsequent aus der Innenstadt herausgenommen. Kopenhagen wurde konsequent zur fahrradgerechten Stadt entwickelt. Der Autoverkehr wurde dort ebenfalls konsequent umgestaltet. Auch Sonderburg ist den Weg der autofreien Innenstadt gegangen.

Flensburg hat mit dem Masterplan Mobilität einen Masterplan mit über 200 Maßnahmen, die in die gleiche Richtung gehen. Es gilt, die genauso konsequent umzusetzen, wie unsere dänischen Nachbarn.

9. Flensburger schauen nicht erst seit kurzem neidisch auf Sonderburg. Die Stadt entwickelt sich prächtig. Kultur, Shopping, Lifestyle, Bildung, Freizeit, Verkehr und Infrastruktur. Überall punktet die im Vergleich zu Flensburg viel kleinere Stadt am Alsensund. Wie kann man hier Ideen für Flensburg übernehmen?

Dr. Fabian Geyer: Es ist völlig richtig bei anderen Städten und Regionen zu schauen, ob es Impulse und Beispiele gibt, die für Flensburg in Frage kommen. Sonderburg taugt dafür allerdings trotz der Nähe nur bedingt. Was mir imponiert, ist die Dynamik, die planerische Geschwindigkeit und Umsetzung. Aus einem Tal der Tränen entstand durch Fleiß, Anpacken, Gemeinsinn, Mitteln des Staates und vor allem der Initiative und Partnerschaft zu Danfoss eine Perle an der Ostsee mit Ausstrahlung weit über die Stadtgrenze hinaus. Uns fehlt bereits vielfach die Bereitschaft einen Partner aus der Wirtschaft zu akzeptieren. Lieber wird nach staatlichen Fördermitteln geschaut, mit den bekannten bürokratischen Herausforderungen und langen Zeiträumen. Da sollten wir eine größere Offenheit haben und den Mehrwert für die Menschen erkennen, ohne die Kontrolle über Stadtentwicklung aufzugeben.

Simone Lange: Sonderburg hat es geschafft, die Uferpromenade autofrei zu machen. Die Aufenthaltsqualität ist dadurch enorm gestiegen. Ich bin regelmäßig in Sonderburg und sehr regelmäßig beim Bürgermeister in Sonderburg.
Durch diese enge Zusammenarbeit unterstützen wir uns gegenseitig. Erik Lauritzen sieht in unserer Hafenostuferentwicklung eine große Chance und hat uns ermutigt, diesen Weg weiter zu gehen. Sonderburg hat diesen Weg hinter sich und eine sehr spannende Entwicklung an der dortigen Förde gemacht.

10. Flensburg, Wohnungsbau und bezahlbarer Wohnraum. Wie sehen die Pläne für Flensburg in den kommenden 5-10 Jahren aus? Wie kann Wohnen in der Stadt bezahlbar bleiben?

Dr. Fabian Geyer: Es herrscht starke Konkurrenz um die begrenzten Flächen. Wir brauchen auch Möglichkeiten für Gewerbeentwicklung und Ansiedlung. Ich bin allerdings dagegen, dass immer mehr Wohnungen auf unversiegelter Fläche geplant werden – häufig zulasten des Naturschutzes, der in Flensburg ohnehin als zu wenig beachtet kritisiert wird. Wir können und werden nicht jedem Menschen, der nach Flensburg kommt, sofort eine bezahlbare Wohnung anbieten können. Daher werde ich die Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden ankurbeln. Mein Fokus liegt auf dem Schwarzenbachtal, einer Fläche in Weiche und dem Gelände, das die Diako in spätestens 10 Jahren nach ihrem Umzug auf den Peelwatt in Bestlage freigibt. Bei der Planung müssen wir jetzt ansetzen. Auch das Areal, auf dem die Klinik der Malteser steht, könnte noch interessant werden. Das Gebiet Hafen-Ost, das für Wohnungsbau vorgesehen ist, würde ich gerne neu bewerten lassen, weil die Rahmenbedingungen sich völlig verändert haben. 

Simone Lange: Flensburg wird, so die aktuelle Bevölkerungsprognose des Landes, in den kommenden Jahren weiter stark wachsen und benötigt weiterhin viel Wohnraum. Damit dieser bezahlbar bleibt bzw. bezahlbar wird muss auf zwei Dinge geschaut werden. Die Wohnungsbaugesellschaften müssen bezahlbar bauen können. Die Baukosten steigen und machen es in Teilen unmöglich, das bezahlbar auf Mieten zu übertragen. Hier können nur Landes- und Bundesregierung helfen.

In den einzelnen Bauprojekten müssen wir als Kommune darauf achten, das ausreichend Wohnraum mit Sozialbindung entsteht und ausreichend Wohnraum mit bezahlbaren Mieten für Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen entsteht. Kommunale Vorgaben, kooperatives Vorgehen mit den Flensburger Wohnungsbaugesellschaften und der Wille zur gemeinsamen Kraftanstrengung sind hier wichtig. Es wird nur gemeinsam gelingen.

11. Verwaltungsoptimierung: Nicht nur bei Bauvorhaben zeigt sich die städtische Verwaltung als äußerst schwerfällig und langsam. Während in anderen Städten und Kommunen Planung um Umsetzung in knapp einem Jahr möglich sind, ist Flensburgs Zeitplan 3 Jahre und länger. Wie kann das sein und was möchten Sie verbessern?

Dr. Fabian Geyer: Als Leiter der Verwaltung ist es meine Aufgabe und Pflicht, den Beschäftigten, die in ihrem jeweiligen Gebiet Fachleute sind, den Rücken zu stärken. Das bedeutet ihnen jedwede Unterstützung zukommen zu lassen und gemeinsam die Arbeitsprozesse zu gestalten und Belastungssituation zu erkennen sowie zu steuern. Ich bin ein Teamspieler, der bereits früh Lust hatte Verantwortung zu übernehmen. In jedem Arbeitsbereich gibt es aus Sicht der Beschäftigten Dinge zu verbessern, bei der Bauplanung wird das nicht anders sein. Ich bin sicher, dass ich mit meiner Art der Kommunikation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – ihnen wertschätzend zuzuhören und für sie präsent zu sein – meiner Führungsrolle so gerecht werde, dass sich die Kritik an der Arbeit der Stadtverwaltung nach und nach reduziert. Auf die Zusammenarbeit mit den Fachleuten in der Verwaltung freue ich mich und ich traue mir zu, rasch ihr Vertrauen zu gewinnen.

Simone Lange: Wenn es um das Baugenehmigungsverfahren geht, ist die Bauordnung Flensburg sehr gut aufgestellt. Die Genehmigung z.B. eines Einfamilienhauses (aktuell z. B. Im Neubaugebiet Groß-Tarup-Dorf) dauert im Schnitt 3 – 8 Wochen.

In den letzten Jahren kam es nicht zu nennenswerten Verzögerungen in der Bearbeitungszeit der Bauordnung, die über eine qualitativ und quantitativ gute Personalausstattung verfügt.

Dennoch muss man natürlich bei den verschiedenen Bauvorhaben sehr differenzieren.

Die Genehmigung der Montagehalle des Unternehmens FFG konnte nach 10 Monaten erfolgen. Politische Abstimmungen und verschiedene Gutachten waren notwendig.

Wenn die Genehmigung eines Bauvorhabens tatsächlich längere Zeit in Anspruch nimmt, dann ist die Ursache in der Regel nicht bei der Bauordnung der Stadt zu suchen. Dann gibt es Anforderungen Dritter, es müssen z. B. vom Bauherrn Immissionsgutachten erstellt werden, es muss teilweise mehrfach an der Planung nachgebessert werden aufgrund der Anforderungen anderer Fachbehörden, es sind Baulasten erforderlich, um das Vorhaben zu realisieren. Der Bauherr beantragt bei uns in solchen Fällen mehrfach Fristverlängerungen für die Einreichung der erforderlichen Unterlagen, wir können nicht genehmigen, bevor nicht alle erforderlichen Unterlagen vorliegen.

Wir haben eine hohe Beratungsqualität. Mit vielen Bauherren sind wir bereits lange bevor ein Vorhaben bauantragsreif ist, in Kontakt und stimmen auch unter Beteiligung anderer Fachbehörden das Bauvorhaben ab.

Wenn es um (überwiegend größere)  gewerbliche Bauvorhaben  geht, sind wir ebenfalls sehr schnell. Es gibt einige prominente Beispiele von
Flensburger Unternehmen, bei denen die Zeiten vom Antrag bis zur Baugenehmigung zwischen 6 Wochen und 6 Monaten liegen.

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