Flensburg einig Fördestadt… Mitnichten.Zumindest aus der Sicht
von Dr. Fabian Geyer, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Flensburg – Schleswig – Eckernförde e.V. (AGV).


Schon traditionell werfen wir, das Flensburg Journal und der AGV, zum Jahresende einen Blick auf das vergangene
Jahr und schauen vorsichtig nach vorn. Das Jahr 2020 hatte es aber in sich. Weniger die erwarteten wirtschaftlichen Themen und
arbeitsrechtliche Belange standen im Fokus, sondern vielmehr der Kampf mit dem neuen Covid-19-Virus und den wirtschaftlichen Folgen.

Für Geyer begann das Jahr 2020 hoffnungsfroh, lediglich dunkle Wolken in Bezug auf Wirtschaftsexporte ließen etwas schlechte Stimmung verbreiten. Themen wie die Digitalisierung in den Unternehmen und der Fachkräftemangel standen zu Jahresbeginn im Fokus. „Wir hatten durchaus einen positiven Blick ins Jahr“, erinnert sich Geyer. Er berichtet stellvertretend von einem
tollen, umfangreichen Katalog an Weiterbildungsangeboten. „Doch dann rollte eine Riesenwelle aus Asien mit dem Covid-19-Erreger auf uns zu. Dann kamen die Bilder aus Italien und der EU und später aus Deutschland.“ Geyer berichtet
dennoch von einer gewissen Gelassenheit, denn es war die Hoffnung da, dass es hier oben, bei uns im Norden, nicht so schlimm kommenkönnte. Es kam jedoch anders mit der von der Politik getroffenen Entscheidung, dass man in Deutschland die Bilder vor allem aus Italien und Spanien nicht sehen wolle – der erste Lockdown in 2020.

„Danach befanden wir uns fast dauerhaft im Krisenmanagement“, berichtet der AGV-Geschäftsführer. Diese Phase dauerte bis in den Juni und beinhaltete die rechtliche Beratung von Unternehmen in Bezug auf die Folgen der politischen Entscheidungen, z. B. durch Schulschließungen, Kurzarbeit oder existenzbedrohende Situationen. Man beschäftigte sich intensiv mit den Fragestellungen, wie es unternehmerisch weitergehen könne und wie sich das Infektionsgeschehen entwickeln würde.

Die Lockerungen ab Juni führten zur Rückkehr ins „normale“ Tagesgeschehen. Jahreshauptversammlung, Arbeitsgerichtsverfahren, Einzelberatungen sowie eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit zu den vielen Fragen im Zusammenhang mit der Pandemie füllten den Terminkalender. Im Oktober dann der Schock, denn „einen zweiten Lockdown habe ich nicht für möglich gehalten, da ich davon ausging, dass sich der öffentliche Bereich gut vorbereitet hatte“, so Geyers berechtigte Kritik an der Schwerfälligkeit der meisten öffentlichen Entscheidungsträger. Unternehmen, die beim erneuten Lockdown schließen mussten, werden durch die Beschlüsse bestraft. „Dabei haben die privatwirtschaftlichen Unternehmen sich sehr gut vorbereitet und effektiv in Hygienemaßnahmen investiert!“

Für den norddeutschen Raum bezeichnet Geyer z.B. die Schließung der gesamten Gastronomie als Fehler.Die Probleme mit den Infektionsketten entstanden vornehmlich im privaten Umfeld, nicht in den Restaurants. Viele Unternehmen, so seine Einschätzung, die aufgrund der politischen Entscheidung schließen mussten, werden nicht wieder öffnen! „Die Politik hat den Sommer über nicht optimal genutzt, die Maßnahmen hätten zum Teil vermieden werden können. Aber so ist es eine schwierige Situation: Wirtschaft gegen Menschenleben aufzuwiegen – das verbietet sich!“

Im Gespräch Mitte Dezember wagte Dr. Fabian Geyer einen Ausblick: „Bis Mitte Januar erwarte ich den kompletten Lockdown. Danach wird der Staat ab Mitte/Ende Januar reagieren müssen und es darf kein weiterer Lockdown folgen!“ Zuversichtlich zeigt er
sich, dass spätestens ab Februar die Hotels und Gastronomie sowie Sportevents öffnen dürfen, da es wirtschaftlich für die Betriebe nicht weiter durchzuhalten wäre. Aus Sicht von Geyer hat Deutschland nicht zuletzt wegen der Altersstruktur bereits jetzt zu viele Leistungsempfänger, und er vertritt die Einschätzung, dass der Staat die aktuelle Förderung von betroffenen Unternehmen auch deshalb nicht mehr lange durchhalten wird.

Ab Januar wird sich der AGV zusätzlichen Projekten wie der Initiative Digitalisierung im Mittelstand oder der Entwicklung von praxisnahen Home-Office-Lösungen verstärkt widmen, um dem angepassten Beratungs- Bedarf an moderne Arbeitsplätze
gerecht zu werden. Natürlich wird auch das breite Fortbildungsprogramm wieder angeboten.

Mit Blick auf die Fördestadt Flensburg fällt das Gesprächsthema schnell auf den potenziellen Stadtmanager, der von vielen Seiten aktuell gefordert wird. Geyer betrachtet die Diskussion aus einer viel stärker wirtschaftlich geprägten Sicht als die meisten anderen
in der Region und bewertet das Thema perspektivisch nicht so positiv wie viele seiner Gesprächspartner.

„Bisher war in Flensburg ein Stadtmanager nie der große Wurf“, erinnert sich Geyer. Es gibt die vielen unterschiedlichen
Interessengemeinschaften, keine passende Antwort gegen den wachsenden Onlinehandel und der sichtbare Leerstand sorgt zunehmend für eine geringe Attraktivität der Innenstadt. Geyer kommt zu dem Schluss: „Man muss die Stadt völlig neu denken, mit Mut und vor allem viel kundenbezogener.“

Ein Zukunftsmodell könnte sein, dass die Innenstadt sich auf zwei Säulen konzentriert. Zum einen ein großer Bereich mit attraktiven und vielfältigen Angeboten der Gastronomie und zum anderen ein pfiffiger modern ausgerichteter Handel, der stationär und online miteinander verbindet und nicht mehr nur klassisch Ware anbietet. „Der potenzielle neue Stadtmanager soll ja angestellt werden, um die Interessen zu bündeln. Dem stehe ich kritisch gegenüber,weil diese Person vor allem viele Gespräche führen soll, was man schon seit Jahren hätte machen können.“ Dafür brauche man laut Geyer nicht noch eine Stelle in der Verwaltung
zu schaffen. Was der Jurist befürchtet, könnte in wenigen Jahren Realität werden: „Der Flensburger ist eigentlich stolz auf seine Innenstadt, doch das kann irgendwann kippen“, warnt er und mahnt zugleich: „Seit den Investitionen aus PACT 2 ist nichts mehr Innovatives in der Innenstadt passiert. Vermutlich, weil die PACT-Mittel noch aus privatwirtschaftlichem Geld geflossen sind.“

Geyers Erkenntnis, der seit 16 Jahren in Flensburg lebt und arbeitet, ist, dass hier in Flensburg keine gute Idee von außen umgesetzt wurde und man politisch viel zu lange diskutiert und zerredet. „Was Flensburg braucht ist eine Koalition der Willigen und
Fähigen, denn hier arbeiten viele gegeneinander und nicht miteinander.“ Spätestens jetzt, mit dem Blick auf das Ende der Pandemie ist es zwingend erforderlich, dass man aus dieser trägen Situation mit einem Knalleffekt herauskommen muss. „Die
Stadt kann nur gesunden, wenn die private Wirtschaft brummt.“

Zudem liegt dem AGV-Geschäftsführer am Herzen, die Themen Wirtschaft und Gesundheit in den Fokus zu rücken, nicht zuletzt durch die veränderten Arbeitsprozesse. Aus seiner Sicht fehlt es in Flensburg noch an genügend Gesundheitsangeboten,
speziell auch für jüngere Leute. „Auch hier hängt es an der privaten Wirtschaft, wenn man sie denn ließe“, resümiert Geyer. Er vermisst Visionen für den Wirtschaftsstandort Flensburg und bemängelt das geringe Verständnis und Zusammenhangsdenken
in der Stadtentwicklung.

An einem einfachen Beispiel versucht er das deutlich zu machen: „In Trier habe ich studiert, dort gibt es viele Plätze mit sichtbaren Treffpunkten, wo die Menschen gerne hingehen: Plätze mit Brunnen oder Skulpturen.In dieser Stadt haben wir sowas eigentlich
nicht, die Mehrzahl der Plätze besitzt keinen Reiz und Charme. Die Stadt muss auf die Menschen bezogen attraktive Räume schaffen, an denen man gemeinsam erleben kann, und dafür müssen rasch gute Lösungen präsentiert werden. Wenn ich z. B. an Gosch denke, dann sehe ich den Radfahrer, der die Kellnerin anfährt. Und daneben ist die nicht entwickelte Brache der Hafenspitze.
Flensburg wäre gut beraten, solche Treffpunkte zu schaffen.“ Denn dann, so Geyer, ist der unmittelbare Bezug zur Wirtschaft geschaffen, z. B. Tagesgastronomie, die sich automatisch ansiedelt, wenn man sie denn ließe.

In Flensburg beginnt das Problem hingegen schon bei der Suche nach passenden Fördermitteln. Besser wäre man begänne zu schauen, woher man die nötigen privaten Mittel bekommen kann – und diese ließen sich mit einer guten Strategie und wenig bürokratischen Hindernissen leicht einwerben und einsetzen. Die Stadt muss nicht alles regeln und vorgeben.

Verwundert war Geyer auch jüngst beim Besuch eines Restaurants in der Neustadt. Auf die Frage, warum die exzellente
orientalische Küche nicht näher in der Innenstadt wiederzufinden sei, erklärte die Betreiberfamilie ihm, dass man ihr bedingt durch den begrenzten Aufenthaltstitel keinen Platz in der Innenstadt zuweisen könne. Für Geyer ist das nicht nachzuvollziehen: „Da musst Du Dir als Flüchtling in einem neuen Land eine Existenz schaffen, aber darfst das nicht an dem Ort, an dem es wirtschaftlich erfolgreich wäre!“ Dabei würde dieses Restaurant aufgrund seiner sehr guten Qualität die Innenstadt bereichern. Wie bunt ist Flensburg denn nun wirklich?

Aus privater Sicht ist der Wunsch von Geyer, die sozialen Kontakte wieder aufleben zu lassen, extrem groß. Doch er befürchtet, dass viele Menschen sich an die neue Situation gewöhnt haben und sich von gesellschaftlichen Aktivitäten oder aus den Vereinen
fernhalten. „Das wäre natürlich verheerend, für die Gesellschaft und für die Menschen selbst!“

Das Gespräch führte Marco Adler
Foto: Archiv

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