Wurde vor rund 500 Jahren, so etwa um das Jahr 1500 n. Chr. herum, noch auf dem Flensburger Nordermarkt mit Vieh gehandelt, so änderte sich das spätestens zu jener Zeit, als die Flensburger den „Schiet“ nicht mehr vor ihrer Haustür haben wollten, und die Herden den Ochsenmarkt westlich der Stadt ansteuern mussten. Der Begriff „Ochsenmarkt“ blieb als Straßenname bis heute erhalten – die Rindviecher sind hier schon längst Geschichte, jedenfalls die vierbeinigen …

Am Ochsenmarkt

Ursprünglich gehörte dieser Stadtteil um den Ochsenmarkt herum zur Kirchengemeinde St. Marien. In den 1950er und 1960er Jahren fanden immer mehr Menschen in diesem Wohngebiet ihre Heimat, so dass St. Michael in dieser Zeit als eigenständige Kirchengemeinde entstand. Das Stadtbild rund um die St. Michael-Kirche ist heute geprägt sowohl von großen Einfamilienhäusern aus der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts als auch von modernen Einfamilien- und Mietshäusern, die ab 1960 entstanden sind. Die 1964 fertig gestellte St. Michael-Kirche liegt ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft in diesem Flensburger Wohngebiet zwischen dem Friesischen Berg und der Westlichen Höhe.
Kurz vor der Einmündung der Straße Am Ochsenmarkt in die Marienallee gibt es einen kleinen aber feinen Marktflecken mit einigen Fachgeschäften. In einem dieser Ladenlokale ist nunmehr fast auf den Tag genau seit 50 Jahren die St. Michael-Apotheke zu Hause.
Die Planer dieses in den 60er Jahren erbauten Abschnitts des Stadtteils Friesischer Berg hatten neben den zahlreichen Mehrfamilienhäusern auch den Bau von Ladenlokalen vorgesehen – eine Sparkasse sollte entstehen, daneben Kaufleute, Post und Apotheke angesiedelt werden. Mehrere Gebäude direkt am Marktflecken wurden im Auftrag der hiesigen Sparkasse gebaut, neben einer eigenen Bankfiliale zog als erster Mieter ein kleiner Supermarkt ein, ein IFA-Laden.

Waltraud Tomberger

Die in Flensburg aufgewachsene Waltraud Tomberger studierte in diesen Jahren an der Kieler CAU das Fach Pharmazie, und wurde schon 1965 gefragt, ob sie wüsste, wo in Flensburg sich der Ochsenmarkt befände – dort sollte sich eine neue Apotheke in einem Neubaugebiet niederlassen. Als Waltraud mit dem Studium fertig war, zog es sie nach Flensburg zurück. Sie fand eine erste Anstellung als Apothekerin im Stadtteil Weiche bei Helmut Schröder, seinerzeit Inhaber von Stromeyers Apotheke. Im Oktober 1970 trat man an sie heran mit der Frage, ob sie nicht die neue Apotheke am Ochsenmarkt gründen und übernehmen wollte. Die Sparkasse hätte Räume zu vermieten und suchte eine Apotheke als Mieterin. Waltraud Tomberger, mittlerweile verheiratet, war höchst interessiert. „Wir haben zwei Nächte lang diskutiert, ob wir das machen sollten, wir hatten eben erst erfahren, dass ich schwanger war, und per Stichtag 22.05.1971 ein Kind erwarten würden“, kann sie sich noch gut an damals erinnern. Mit einigem Herzklopfen haben die Tombergers sich dafür entschieden! Die Wahl des Namens war einfach: Die nebenan liegende Gemeinde St. Michael stand dafür Pate. Zum 1. Januar 1971 wurden die Räumlichkeiten angemietet, und bald schon ging es los: Den Umbau des Ladenlokals übernahm die darauf spezialisierte Firma Zwintzscher aus Kiel, eine aufregende Zeit begann. Schließlich wurde am 15. April 1971 die Eröffnungsrevision durch einen zuständigen Pharmazierat durchgeführt – das ist eine amtliche Abnahme der Apotheke, dabei wird geprüft, ob die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind. Die Revision war erfolgreich, die Apotheke konnte sofort eröffnet werden!

Die Anfangszeit war aufregend und spannend, erstes Personal wurde eingestellt, wie Frau Elfriede Thaysen als Apothekenhelferin und Frau Diedrichsen als Reinigungskraft. Zudem war Waltraud Tomberger hochschwanger und brauchte unbedingt für die letzten Wochen vor der Niederkunft eine Vertretung. Schließlich sprang für jene Wochen der Kollege Christian Herde ein.
„Für meine Mutter war es eine aufregende Zeit, mit dem ersten neugeborenen Kind und dazu einer gerade eben erst eröffneten neuen Apotheke!“, kann sich Kerstin Tomberger gut in ihre Mutter hineinversetzen. Doch dank der Unterstützung des Ehemannes und vieler freundlicher Mitmenschen liefen sowohl das Private als auch das Berufliche reibungslos. „Obwohl wir so vieles zu besorgen und zu regeln hatten, halfen uns insbesondere die Insider aus der Branche, wie etwa der Arzneimittel-Großhändler Max Jenne, mit seinem Außendienstler Herrn Max Meloch“, weiß Kerstin aus den Erzählungen der Eltern. „Man half sich damals; es war eine aufregende und schöne Zeit!“
Nicht nur das Töchterchen wuchs und gedieh, eine weitere Tochter kam hinzu, und die Apotheke erfuhr personell Aufwuchs, war bald etabliert im neuen Stadtteil am Ochsenmarkt.
Im Dezember 1988 zog die Zukunft in die Apotheke ein: Der erste Computer wurde im Ladenlokal installiert – seitdem ist die EDV nicht mehr wegzudenken aus den Arbeitsabläufen in der Apotheke. Heute kaum vorstellbar, wie es zuvor ohne die IT funktioniert hat.
Im Jahr 1993 wurde umfangreich umgebaut: Die Sparkasse ließ das Gebäude vergrößern und bautechnisch auf den neuesten Stand bringen; in dem Zuge konnte auch die Apotheke vergrößert und modernisiert werden; so wurde unter anderem der gesamte Eingangsbereich komplett neu gestaltet.

Kerstin Tomberger

Mittlerweile waren die Kinder der Apothekerin erwachsen geworden, die ältere Tochter Kerstin entschied sich 1991, nach ihrer PTA-Ausbildung, wie ihre Mutter ein Pharmaziestudium aufzunehmen. Nach erfolgreichem Studium in Hamburg erlangte sie weitere Berufserfahrung in Leipzig und bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt in London. Mit 30 Jahren stand sie im Jahre 2001 vor der Frage: „Wo möchte ich die nächsten Jahre meines Lebens verbringen? Möchte ich sesshaft werden?“
Sie entschied sich für Flensburg, obwohl es ihr in der Fremde durchaus gut gefallen hatte.
Kerstin wurde Mitarbeiterin in der Apotheke ihrer Mutter, um von ihr viele praktische Dinge noch zu lernen und weitere Berufserfahrungen zu sammeln. Das gelang ihr bestens in den Folgejahren, und am 1. Juni 2004 war es soweit: Sie übernahm hauptverantwortlich die Apotheke von ihrer Mutter. Die Übernahme erfolgte im großen Einverständnis mit den Eltern, und so wurde an jenem Tag ein fröhliches Fest am Ochsenmarkt gefeiert nach der Devise: Die St. Michael-Apotheke hat eine neue Chefin!
„Neben den beruflichen Freuden kam auch privates Glück dazu“, erinnert sich Kerstin gern an die Zeit. „Ich lernte meinen Mann kennen und lieben, wir heirateten, und nach den Geburten von Tochter (2007) und Sohn (2010) war die junge Familie Tomberger komplett!“
Den Erweiterungsbau des nahegelegenen CITTI-Park in Flensburg im Jahre 2013 nutzte Kerstin Tomberger, um auch ihren Betrieb zu erweitern. Sie gründete dort eine Filiale. „Ich sah den Apothekenneubau als gute Möglichkeit, den Familienbetrieb großflächiger aufzustellen; die Expansion ist eine passende Erweiterung des Stammhauses und bietet nicht nur der Firma viele Möglichkeiten, sondern auch den vielen Kunden, die jetzt an gleich zwei Stellen von den Vorteilen einer Stammkundschaft profitieren können!“ Im gleichen Jahr wurde auch am Ochsenmarkt erweitert. Kerstin Tomberger eröffnete über der Apotheke ein Kosmetikstudio. Damals mit einer Kabine, heute können dort drei Behandlungen gleichzeitig durchgeführt werden.

Ausblick

Kerstin Tomberger ist längst bekennende Flensburgerin, engagiert sich als Sponsor im Club 100 unserer hiesigen Vorzeigehandballer der SG Flensburg-Handewitt, ist 1. Vorsitzende im erst kürzlich gegründeten Verein „Zwölf Säulen-Kirchensanierungsverein St. Nikolai zu Flensburg e. V.“. Daneben engagiert sie sich im Apothekerverband, ihrer Berufsorganisation, sowie in der hiesigen Industrie- und Handelskammer.
„Im Herbst 2020 haben wir die Apotheke am Ochsenmarkt renoviert, damit „unser Geburtstagskind“ ansehnlich, funktional und modern in sein Geburtstagsjahr starten kann“, ergänzt die Apothekerin lächelnd.
So ein Betrieb wandelt sich mit den Jahren, er erlebt viele Mitarbeiter*innen sowie viele Nachbarn und Kunden. Unsere Herausforderung, der wir uns täglich neu stellen, ist es, an jedem Tag für unsere Kunden da zu sein, und immer hochwertige Medikamente liefern zu können sowie beste Beratung geben zu können!“
Das Flensburg Journal gratuliert zum 50. Geburtstag, und wünscht der Apotheke, der Familie Tomberger und allen dort beschäftigten Mitarbeitern für die Zukunft alles Gute!

Text: Peter Feuerschütz
Fotos: Benjamin Nolte, privat

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