Die Themen Einsamkeit und Isolation rückten spätestens im Zuge der Corona-Pandemie intensiv in den medialen Fokus. Während der größte Teil von uns in den vergangenen 2 Jahren die Möglichkeit hatte, wenigstens über soziale Medien und das Internet Kontakt zu Freunden und Familie zu halten, sah es in der älteren Generation oft anders aus. Zum einen ist die Affinität zu digitaler Kommunikation in höherem Alter oft nicht so ausgeprägt, zum anderen haben viele ältere Menschen zunehmend weniger Kontaktpersonen. Wir alle erinnern uns vermutlich noch an die ergreifenden Berichterstattungen aus den Seniorenheimen, die zeigten, wie sehr die Bewohner dieser Einrichtungen unter den Kontaktbeschränkungen zu leiden hatten.
Gut, dass es auch in solchen Zeiten Menschen gibt, die mit Kreativität und Motivation dafür sorgen, anderen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Zwei dieser Menschen haben wir kürzlich zum Gespräch getroffen: Anna und Finnja, die gemeinsam mit ihren Kommilitonen Lena, Johannes und Tom im Rahmen ihres Studiums der Medieninformatik an der Hochschule Flensburg das Projekt „Briefmöwen“ ins Leben gerufen haben. Ergänzt wird das Team durch BWL-Studentin Charlene. Was als Studienprojekt begann, geht inzwischen weit über die Definition eines solchen hinaus und bereitet zahlreichen Senioren eine große Freude. Wie? Das haben uns Anna und Finnja im Gespräch erzählt.

Im Studienfach Projektmanagement standen die Studenten vor der Aufgabe, ein Projekt zu planen und durchzuführen. Dieses Projekt sollte einen Bezug zur damals beginnenden Corona-Pandemie haben und nach Möglichkeit Hilfestellungen in dieser besonderen Situation bieten. Eine Idee musste her und wie es im Zuge solcher Ideenfindung üblich ist, wurde – nicht nur innerhalb der Projektgruppe – intensiv hin und her überlegt. So kam es, dass der Stein im Gespräch mit Finnjas Mutter ins Rollen kam. Diese erlebte aufgrund ihres Berufes täglich, wie sich die komplett neue und noch nie dagewesene Situation auf die ältere Generation auswirkte, insbesondere auf die Senioren, die in Seniorenheimen lebten. Die harten Kontaktbeschränkungen dienten natürlich dem Schutz der Bewohner, sorgten jedoch auch dafür, dass sich herzzerreißende Szenen abspielten. Zur Angst vor der noch weitestgehend unbekannten Krankheit kamen Isolation und Einsamkeit. Der sonst so freudig herbeigesehnte Besuch der Kinder und Enkel war plötzlich einfach nicht mehr möglich. Treffen mit Freunden zum Kaffee und Kuchen, der soziale Kontakt zu Gleichgesinnten oder der Wochenendausflug ans Meer oder in die Stadt fielen ersatzlos aus. Einsamkeit, Trostlosigkeit und Verzweiflung machten sich breit. Hier setzten die Studenten an. Die Idee: Aufmunternde und positive Nachrichten per Post sollten den Bewohnern zugestellt werden. Denn wer freut sich nicht über einen lieben Brief?

Die Namensfindung fiel der Gruppe nicht besonders schwer. Ein gewisser Bezug zu Flensburg sollte gern enthalten sein und was wäre in diesem Zusammenhang wohl besser geeignet als eine Möwe? Das Projekt „Briefmöwen“ war geboren.
Doch würden sich überhaupt genügend Menschen finden, die ein Interesse daran hätten, wildfremden Senioren Briefe zu schreiben? Ein mögliches Hindernis stellte vielleicht schon die Themenauswahl dar. Was schreibt man einem Menschen, den man gar nicht kennt? Wie fängt man einen solchen Brief an? Diese Fragen beantworteten die „Briefmöwen“ recht schnell vorsorglich mit einer Sammlung kreativer Themenvorschläge auf ihrer Webseite.

Via Social Media machten sie auf sich aufmerksam und erhielten schnell Unterstützung. Zu den Supportern der ersten Stunde gehörte unter anderem Björn Staupendahl, einer der Ansprechpartner im Flensburger Rathaus für den Pflegestützpunkt Flensburg. Es folgten Berichte in Tages- und Wochenpresse sowie im Radio. Die Reichweite des Projektes wuchs und anfängliche Unsicherheiten, ob das gesetzte Ziel von etwa 30 Briefen überhaupt realistisch war, lösten sich schnell in Luft auf. Die Resonanz war groß.

Seit dem Projektstart am 1. Mai 2020, so schätzt Finnja, sind monatlich tatsächlich ca. 30 bis 40 Briefe eingegangen. Hier machen sich natürlich saisonale Schwankungen bemerkbar. So trafen im Sommer deutlich weniger Nachrichten ein als in den Wintermonaten. Speziell vor Weihnachten erhielten die Briefmöwen immer eine Menge Post. Sogar über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus erstreckt sich der Kreis der Briefeschreiber. So erreichte sie beispielsweise ein Umschlag mit mehreren Briefen aus Nürnberg.

Die zahlreichen Briefe verteilen die Briefmöwen an Seniorenheime und über mobile Pflegeeinrichtungen. Aber auch Privatpersonen, die nicht unbedingt pflegebedürftig sind oder eine Senioreneinrichtung bewohnen, möchten sie gern erreichen. Die Schwierigkeit besteht hier natürlich darin, auf diese Menschen aufmerksam zu werden. Deswegen griffen sie vor Weihnachten einmal mehr auf die Social Media Kanäle zurück und starteten einen entsprechenden Aufruf.

Das Projekt Briefmöwen sorgt nun seit über 1,5 Jahren für Freude bei Sendern und Empfängern der Nachrichten und geht damit schon weit über die Zeit des eigentlichen Studienprojekts hinaus. Die durchweg positiven Reaktionen auf die Arbeit der Studenten veranlassen sie dazu, die Briefmöwen auch weiterhin fliegen zu lassen und Pläne für die Zukunft des Projekts zu schmieden. Wir dürfen also gespannt sein.

Mit den Briefmöwen schnackten Jessica Hofmann und Peter Feuerschütz.
Bilder: Briefmöwen, Florian Schmidt

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