Die meisten Handballer sind groß – und einige sind noch größer. Zu dieser zweiten Kategorie zählt zweifelsfrei Blaz Blagotinsek. Der Slowene spielt seit Sommer für die SG Flensburg-Handewitt und misst stattliche zwei Meter und drei Zentimeter. Da er 120 Kilogramm auf die Waage bringt, kann er durchaus als kolossale Erscheinung bezeichnet werden. Und wenn er in der Abwehr seine langen Arme zur Seite hebt, wirkt er wie eine Bahnschranke, die dem gegnerischen Angriffsspieler verdeutlicht: Endstation, hier geht es keinen Schritt weiter!

Aber es ist kein Geheimnis: Auch der heute 29-Jährige war mal klein. Und als er zehn war, fand im kleinen Slowenien die Handball-Europameisterschaft statt. Es war das Turnier von 2004, als die deutsche Nationalmannschaft triumphierte. Der Finalgegner war das Team des Gastgebers. „Es herrschte eine Riesen-Euphorie im Lande“, erinnert sich Blaz Blagotinsek. „Ich sah das Endspiel im Fernsehen – und wollte unbedingt Handballer werden.“

Blaz Blagotinsek

Das Handball-ABC von Celje

Der Zufall wollte es, dass er in der Nähe von Celje lebte. Diese Stadt zählt zwar nur knapp 40.000 Einwohner, ist aber die Handball-Hauptstadt von Slowenien. Stetig werden Ballwerfer-Talente ausgespuckt, die häufig in andere Länder wechseln. Und ausgerechnet 2004 reichte es für den RK Celje nach Endspielen gegen die SG sogar für die Krone der europäischen Champions League. In jenem Jahr fing Blaz Blagotinsek in der Schule mit dem Handball an. Der RK Celje hatte ihn sehr bald im Blick. An der Schwelle zum Männer-Handball wurde der Hüne vom Rückraumspieler zum Kreisläufer umgeschult und für ein paar Monate nach Krsko ausgeliehen. 2014 hatte er dann aber einen Platz im Männer-Team des RK Celje und reiste einmal sogar für ein Spiel nach Flensburg.

Jetzt ist die Fördestadt seine Wahlheimat. Auch wenn Celje in der bergigen slowenischen Steiermark liegt und ein anderes Relief aufweist, kann Blaz Blagotinsek durchaus Gemeinsamkeiten feststellen. „Die Größe und die Einkaufszentren sind ähnlich“, findet er. „Und Celje liegt auch an einem Gewässer, zwar nicht am Meer, aber am Fluss Savinja.“ Mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter hat sich Blaz Blagotinsek in Handewitt niedergelassen. In dem Haus, in dem zuvor SG-Spielmacher Jim Gottfridsson mit seiner Familie wohnte. „Wir fühlen uns wohl“, sagt der Handball-Profi. „In unserer Umgebung gibt es genug Möglichkeiten zum Spazierengehen, zum Beispiel ein Naturschutzgebiet. Da sind wir gerne mit unserem Hund.“

Blaz Blagotinsek

Über Veszprém in die Bundesliga

Die Karriere führte nicht direkt von Celje nach Flensburg. Die wesentliche Zwischenetappe war Veszprém. Der ungarische Traditionsklub hat eine der lautesten Hallen Europas und viele Stars. Als der noch sehr junge Blaz Blagotinsek am Plattensee auftauchte, waren Aaron Palmarsson, Christian Zeitz, Laszlo Nagy, Momir Ilic und Andreas Nilsson die großen Namen. Ein europäisches Schwergewicht, das mehrfach in der Endrunde um die Champions League stand, aber nie den ganz großen Coup landete.

Im Frühling 2022 vermeldete dann die SG – für viele völlig überraschend –, dass sie mit Blaz Blagotinsek einen von 2023 bis 2026 gültigen Vertrag geschlossen habe. Wenige Monate später öffnete sich bereits das Tor zur Bundesliga: Göppingen hatte Verletzungssorgen in der Defensive, und der Slowene hatte Interesse. „Mein Plan war es, schon etwas Deutsch zu lernen und vor allem die Bundesliga besser kennenzulernen“, erzählt der Abwehr-Stratege. „Die Bundesliga gilt ja als beste Spielklasse der Welt – und daran wollte ich mich gewöhnen.“ Mit Göppingen lief es auf nationaler Ebene nicht so gut, aber in der European League schafften es die Schwaben bis in die Endrunde in Flensburg – und der Neuzugang konnte schon mal seine Visitenkarte im hohen Norden abgeben.

Blaz Blagotinsek

Anfänge in Flensburg

Im Juli begann die Vorbereitung, in der stets viel Kraft und Kondition gebolzt wird. Eine harte Zeit, für Blaz Blagotinsek sogar besonders hart. „Die ersten zwei bis drei Wochen im Juli regnete es viel, und ich war allein im Hotel“, erzählt er. „Meine Frau und meine Tochter kamen erst später nach, als wir ein festes Zuhause hatten.“ Ein Lichtblick: Ljubomir Vranjes, den Sportlichen Leiter der SG, kannte er bereits als Trainer aus gemeinsamen Zeiten in Veszprém und der slowenischen Nationalmannschaft. Die beiden unterhalten sich übrigens auf Serbokroatisch. Diese Sprache lernte Blaz Blagotinsek, da er in seinen Mannschaften immer viel mit Handballern aus Serbien oder Kroatien zu tun hatte.

Nur selten taucht er im Angriff auf, seine Tore sind eine echte Mangelware. Stattdessen hat ihn SG-Coach Nicolej Krickau zum „Abwehr-General“ ernannt. Dort lief es zuletzt immer besser, und immer häufiger reckt Blaz Blagotinsek nach geblockten Würfen seine Hände gen Hallendach. „Es bringt viel Spaß, wenn wir in der Abwehr zusammenstehen und Gegentore verhindern“, schmunzelt er. „Ich freue mich aber auch, wenn ich mal ein Tor werfe.“ Es sind aber seine Defensiv-Qualitäten, die ihn zum festen Bestandteil der slowenischen Nationalmannschaft gemacht haben. Seit der Weltmeisterschaft 2015 verpasste er kein Großturnier mehr. Bei der Weltmeisterschaft 2017 langte es sogar für Bronze. Im Januar lockt die Europameisterschaft in Deutschland. Blaz Blagotinsek wird wohl zum zehnten Mal in Folge seinen Geburtstag in Hotel und Halle feiern. Er wird am 17. Januar 30 Jahre alt.

Blaz Blagotinsek

Text und Fotos: Jan Kirschner   

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