Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck besucht den Flensburger Seniorenbeirat

Lange bevor Robert Habeck Bundesminister und Vizekanzler wurde, hatte er Anne-Margrete Jessen vom Flensburger Seniorenbeirat anlässlich einer Bürgersprechstunde seiner Partei versprochen, den Seniorenbeirat zu besuchen, um mit dem Gremium das Thema „Älterwerden“ zu diskutieren. Mit seiner Amtsübernahme und den sich danach in der Welt überschlagenden Ereignissen war allen klar, dass nun für Habeck andere Themen im Fokus stehen. Aber der Vizekanzler hielt Wort und in einem kurzfristig anberaumten Termin kam er am 17. Juni in das „Dänische Versammlungshaus“ in Flensburg-Weiche, um sich den Fragen der Anwesenden zu stellen. Er begann mit einer philosophischen Betrachtung über das Älterwerden die gut einstündige Veranstaltung, um sich dann den Fragen der Teilnehmenden zu stellen.
Beim Thema Alter und Älterwerden drängten sich ihm drei Fragen auf. Zum einen: Was macht das Älterwerden mit einem persönlich? Häufig passt das Alter nicht zur persönlichen Selbstwahrnehmung. Das geht neben vielen Menschen auch Robert Habeck so. Das individuelle Lebensgefühl und das objektive Alter, die Außensicht und die Selbstsicht passten oftmals nicht zusammen. Das sei sowohl positiv wie negativ. Positiv, weil man Dinge, die man mit dem negativ belegten Begriff „Alter“ assoziiere wie z. B. Gebrechlichkeit nicht auf sich beziehe, negativ könne es aber auch sein, wenn das zu einer Selbstüberschätzung führe. Positiv, weil Dinge, die man mit Jugend verbindet: Aufbruch, sich neu erfinden, Neugier etc. ja erhalten geblieben seien. Sein Fazit: Ein gutes Mittelmaß ist auch hier der Schlüssel für ein gutes Leben. Dazu gehöre auch, der nächsten Generation ihre Luft zum Atmen zu lassen. Umgekehrt müsse man auch anerkennen, dass sich das Leben anders darstelle und dass sich dadurch andere Notwendigkeiten ergeben würden. Ein Plädoyer für gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz – „Toleranz in uns selbst“. Jeder müsse sich gut fühlen in dem Leben, in dem er sich befindet, ohne darauf zu beharren, dass das auch die optimale Lösung für alle anderen sei.
Zum anderen: Was macht Alter und altern mit der Gesellschaft? Alt sein heute oder leben im Alter und Alt sein vor einigen Jahrzehnten unterscheide sich komplett. Es fühle sich ganz anders an und Menschen altern heute viel später. „Das ist eine tolle Sache; Fortschritt der Zivilisation, eine bessere Medizin, eine sehr stabile Gesellschaft, ein Land im Frieden. Wir leben in einer langen, langen Friedenszeit, was nicht selbstverständlich ist. Unsere heutige Rüstigkeit und, dass wir älter und älter werden, ist ein großes Privileg, das aus gesundheitlichen, politischen und ökonomischen Gründen resultiert. Es ist heute also etwas anderes älter zu sein, als noch vor einiger Zeit“, so Habeck. Daraus resultiere die Frage, was machen wir damit? Man könne also mehr geben und das sei ja auch der Fall. Sehr viel ehrenamtliches Engagement und gesellschaftliche Tätigkeit werde von älteren Menschen getragen. Menschen würden etwas zurückgeben und das gehe sogar bis in die Politik hinein. Alt sei auch in der politischen Landschaft negativ besetzt. Alt werde meist noch gleichgesetzt mit verstaubt, Status Quo, rückwärtsgewandt. Daher halte er das Aufnehmen von Erfahrung in die Gesellschaft und in den politischen Raum für extrem wichtig und notwendig. Mehr Durchlässigkeit dafür zu schaffen und eine zunehmende Wertschätzung dafür sei unbedingt notwendig.
Und schließlich die Frage: Was macht es mit dem eigenen Gedächtnis, wenn man 100 Jahre lebt? Die Natur habe es schließlich so nicht vorgesehen, dass wir nun durch medizinischen und technischen Fortschritt so alt werden. Was passiert, wenn man 3 bis 4 Generationen überspannt in seinem Leben? Wie kann man diese große Zeitspanne übereinander kriegen? Wir sollten diese weit zurückreichenden Erinnerungen nutzen, um klüger für die Gegenwart zu werden. Unbestritten sei, dass man die Erfahrung des Alters besser nutzen könne. „Vieles ist schon da. Es gibt jedoch Bereiche, in denen man Menschen mit ihren Erfahrungen – wenn sie es denn wollen – im öffentlichen Raum stärker einbinden kann. Das ist eine politische Aufgabe. Der Seniorenbeirat Flensburg ist ein Beispiel dafür, wie das gelingen kann.
Habecks Erkenntnis am Ende seiner philosophischen Betrachtung: „Wir sind eine Gesellschaft, wo Altwerden dazu gehört, wo sich auch der Blick aufs Alter verändert – verbessert, wie ich meine, weil es mehr alte Menschen gibt. Wir leben länger und dieses Altwerden soll dann zunehmend positiv interpretiert und genutzt werden.“
Viel zu schnell ging die vereinbarte Stunde zu Ende. Die Zuhörenden hatten jedoch noch Gelegenheit verschiedene Wünsche und Anregungen zu adressieren, wie z. B. das Recht auf eine Zukunft auch mit 75, die Erfordernis, auch im Alter Mobilität zu gewährleisten, damit die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht und Einsamkeit vorgebeugt werden kann. Durch niederschwellige Einstiege die digitale Teilnahme älterer Menschen zu ermöglichen und besonders die Forderung, ältere Menschen bei der Entwicklung digitaler Hilfen mit zu beteiligen, mit einzubeziehen.
Ratsherr Glenn Dierking gab dem Vizekanzler dann noch den Auftrag mit auf den Weg, dafür zu sorgen, dass die Tafeln überflüssig würden, weil allen Menschen ein auskömmliches Leben ermöglicht würde. Ein Auftrag, der unweigerlich zum Thema Umverteilung hinüberleitete. Die fortgeschrittene Zeit verhinderte hier leider eine Vertiefung der Problematik.

Fotos und Text: Seniorenbeirat Flensburg

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