Immer wieder stellt man fest, dass das Leben nach eigenen Regeln spielt, die die einen dabei bevorzugen, andere hingegen immer wieder schweren Prüfungen unterziehen. Zudem sind nur selten geradlinige Lebensläufe zu erkennen, wenn man erst einmal ein bestimmtes Alter erreicht hat und sich die Zeit nimmt auf sein bisheriges Leben zurückzublicken. So erging und ergeht es auch unserem heutigen Chronisten, einem Flensburger Jung‘ durch und durch, mit langjährigen Wurzeln in der Region.
Doch der Reihe nach …

Die Kindheit

Unser Chronist Holger Bartelsen ist ein typischer Flensburg Jung‘ seiner Generation, der 1968er. Gemeint sind hier allerdings nicht die turbulenten Ereignisse um die Studentenproteste des Jahres 1968; für Holger Bartelsen steht 1968 als sein Geburtsjahr. Er ist das jüngste von vier Kindern der Bartelsen-Familie. Die Bartelsens wohnten und lebten in der Flensburger Südstadt, „auf der Rude“, wie die Einheimischen ihr Viertel stets nannten. Sie wohnten in der Diblerstraße, im Haus Nr. 44.
„Die Rude und die gesamte südliche Hälfte der Innenstadt kenne ich seit meinen ersten Tagen auf diesem Planeten wie meine Westentasche“, weiht uns Holger in seine Ortskenntnisse ein. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie vor gut 50 Jahren die Kinder heranwuchsen und groß wurden. „Für uns Kinder fand das tägliche Leben weitestgehend auf der Straße, sprich: draußen – statt.
Das war auch in unserer Familie einfach so. Meine Eltern waren beide berufstätig, Oma und Opa passten deshalb meistens auf uns „Gören“ auf. Die Großeltern waren froh, wenn insbesondere wir beiden Jungs draußen waren. Ich war zwar das Nesthäkchen, aber ich galt schon immer als aufmüpfiges Kerlchen. Zu Hause herrschte ein strenges Regiment. Meinem Vater rutschte schon mal die Hand aus, stets in den Momenten, in denen wir Kinder, insbesondere wir Jungs, aus seiner Sicht mal wieder „Mist gebaut“ hatten, gab es schnell mal „was an die Ohren“. Zu unserem Glück hat unsere liebevolle Mutter eigentlich immer die Wogen anschließend geglättet und uns getröstet. Die Bartelsens waren eine alteingesessene Flensburger Familie, der Großvater betrieb in den Jahren um den Zweiten Weltkrieg herum ein eigenes Fuhrunternehmen mit Sitz in Glücksburg.
„In unserer Straße lebten Anfang der 70er Jahre gefühlt „Horden“ von Kindern“, erinnert sich Holger. „Wenn ich rauskam, waren schon zig andere Gleichaltrige draußen.

Der Hang zum Fahren ist schon da

Man spielte die üblichen Spiele wie Verstecken, Ticker, die Mädels Gummi-Twist, wir Jungs auch mal Fußball oder Cowboy und Indianer. Als meine Spielkollegen und ich älter wurden, erweiterten wir unseren Dunstkreis, fingen an, nach und nach die weitere Umgebung zu entdecken. Spielmöglichkeiten fanden wir genug – ob nun rund um den Bahnhof, oder rüber zur Exe – es gab in der Südstadt genug Ecken und Platz für Abenteuer.“ 1975 fing für Holger der sogenannte Ernst des Lebens an, er wurde in die Volksschule auf der Rude eingeschult. „In der Schule war ich nicht der beste, zu Hause hat sich aber auch keiner so richtig um mich und meine schulische Leistungen gekümmert – die Erwachsenen hatten genug mit ihrer Alltagsbewältigung zu tun.“
Ganz besonders gut hat Holger noch den Schneewinter 1978/1979, auch allgemein als „Schneekatastrophe“ bekannt, im Gedächtnis behalten. „Auch unser Umfeld, die Diblerstraße, blieb von den Schneemassen nicht verschont, teilweise versank die Rude regelrecht in der weißen Pracht.“ Doch eine Gruppe von Jungs, natürlich auch Holger dabei, machte aus der Not eine Tugend: „Wir besorgten uns Schaufeln und Besen, Kehrgeräte aller Art, und boten uns gegen Entlohnung in der Nachbarschaft als „Räumkolonne“ an. Das wurde auch gern von vielen betroffenen Nachbarn angenommen, und mancher „Heiermann“ verschwand als Belohnung für geleistetes Schneeschippen in unseren Taschen“, schmunzelt Holger beim Erinnern an jene aufregenden Tage und Wochen.
Im Jahr 1979 wechselte Holger auf die Unesco-Schule in den Nachbarstadtteil Weiche. „Ich war auch auf jener Schule wie bereits erwähnt nicht der Vorzeigeschüler, doch habe ich immerhin im Jahre 1984 mit Erfolg meinen Hauptschulabschluss hinbekommen“, blickt Holger realistisch auf seine Schulkarriere zurück.

Die Lehrjahre

Ein spezieller Berufswunsch hatte sich bei Holger bereits in seinem letzten Schuljahr entwickelt: Er hätte gerne Schuhmacher werden wollen. Doch waren die Umstände in diesem Berufszweig in jener Zeit nicht auf seiner Seite. Fast im gesamten Bundesland Schleswig-Holstein war just im Sommer 1984 nicht eine einzige Lehrstelle in diesem Handwerk zu haben, außer im von Flensburg viel zu weit entfernten Lübeck.
„So blieb mir nichts anderes übrig, als umzudenken. Eine Lehrstelle in einem anderen Handwerk sollte es nun sein. Ich begann eine Tischlerlehre bei U. Hansen in der Flensburger Innenstadt.
In diesen meinen Lehrjahren kam ich das erste Mal mit dem Baustoff „Holz“ in Berührung – ein Umstand, der später noch einmal wichtig werden sollte in meinem Leben“, schildert Holger die Wahl des Lehrberufs. „Die Lehre habe ich – aus heutiger Sicht leider – nicht beendet.“
Stattdessen entschied sich der junge Mann im Nachgang für ein Berufsgrundbildungsjahr.
Das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) beziehungsweise Berufsgrundschuljahr ist ein berufsvorbereitendes Angebot. Das BGJ richtet sich an Jugendliche mit Hauptschulabschluss. Es vermittelt praktisches und theoretisches Grundlagenwissen in einem Berufsfeld.
Als knapp 19jähriger Jungspund wechselte Holger schließlich zu seinem ersten richtigen Arbeitgeber in seiner Berufslaufbahn: Er nahm eine Anstellung beim damaligen Kalksandsteinwerk Oeversee an. Im Jahr 2000 wurde jenes Werk im Oeverseer Gewerbegebiet „Krokamp“ geschlossen und verfiel später dann zu einer Industrieruine.
„Zu meiner Zeit gab es dort jedoch noch viel zu tun. Insgesamt rund 10 Jahre lang blieb ich jenem Unternehmen treu, war dort gewissermaßen ein „Mädchen für alles“, erinnert sich Holger an seine ersten Berufsjahre. „Die Aufgaben waren sehr vielfältig, nach einigen Jahren wurde mein dortiges Engagement jedoch für ein komplettes Jahr unterbrochen: Die Bundeswehr rief!“ Das war im Sommer des Jahres 1990. Deutschland war soeben wiedervereint, die Wehrpflicht wurde ab Mitte 1990 auf nur noch 12 Monate verkürzt, Holger war einer der ersten, der von der Kürzung profitierte. „Das eine Jahr Bundeswehr – von 1990 bis 1991 – habe ich hauptsächlich bei der FlaRak in Süderbrarup verbracht. Das dortige Flug-abwehrraketenbataillon 39 war ein Verband der Luftwaffe zur Flugabwehr. Die Zeit verging für mich recht schnell, ich konnte in den 12 Monaten mehrere Führerscheine, unter anderem auch den der Klasse 2, erwerben – das war gut für mein späteres Berufsleben“, schätzt Holger seine Wehrdienstzeit pragmatisch ein.

Die kleine Familie auf dem Standesamt

Der junge Erwachsene

Nach Beendigung des Jahres beim „Bund“ ging es zurück zum vorherigen Arbeitgeber in Oeversee. Holger, jetzt frischer und stolzer Besitzer des LKW-Führerscheins, wurde nun vom Arbeitgeber häufig als LKW-Fahrer eingesetzt. „In den Sommermonaten haben wir teilweise regelrecht geschuftet, manchmal 15- bis 20-Stunden-Schichten absolviert. Es gab im Sommerhalbjahr immer sehr viel zu tun, dafür war dann in den Wintern entsprechend weniger los. Die Arbeiten als Fahrer 
u. a. eines 40-Tonnen-Aufliegers sowie als Kranfahrer waren anstrengend und kräftezehrend“, denkt er an jene harten Jahre zurück. „Wir haben uns unseren Lohn sauer verdienen müssen“, weiß er noch. „Auch der Ton war rau – wie es nun mal auf dem Bau und in den entsprechenden Gewerken üblich ist.“ 1997 wechselte Holger den Betrieb, er fand eine Anstellung beim nachbarlichen Betrieb Gonde Clausen, ebenfalls einem Kies- und Betonwerk in Oeversee.

Sein Markenzeichen

Privates Glück

Privat wohnte Holger schon lange nicht mehr bei den Eltern, hat anfangs in eigentlich allen Ecken Flensburgs jeweils eine Zeitlang gewohnt. „Als junger Mann hatte ich ein paar wilde Jahre zu überstehen, ich war wohl der Meinung, dass man eben alles mal ausprobieren müsste, auch mal über die Stränge schlagen, sich die Hörner abstoßen“, erinnert Holger sich an seine persönliche Sturm- und Drangzeit. „Aus heutiger Sicht kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass sich meine Lebenssituation erst dadurch wesentlich stabilisierte, als ich meine spätere Ehefrau und Liebe meines Lebens, meine Martina, kennenlernte“, ist er sich sicher über diesen glücklichen Umstand in seinem Leben.
„Anfangs waren wir frisch verliebt, hatten dann aber eine Krise und gingen wieder auseinander, doch die Umstände haben uns bald wieder zueinander finden lassen. Zufällig trafen wir uns eines Tages in Jarplund vor ihrem Elternhaus, kamen ins Gespräch, merkten schnell, dass wir doch eigentlich zusammengehörten.“ So wurden die beiden schnell ein Paar und waren glücklich miteinander. Ihr Glück sollte sich zudem bald vermehren: Im Winter 1995/1996, in einem der letzten eisigen Winter hier oben, sollten die beiden eigentlich an einem eiskalten und schneereichen Abend nach Kiel zu einem Konzert der Sängerin Marla Glen fahren. Doch die Straßenverhältnisse ließen die Fahrt nach Kiel nicht zu, man musste notgedrungen zu Hause bleiben. Den freien Abend haben die jungen Leute gut und spürbar erfolgreich anderweitig genutzt. „Nur wenige Tage später sagte mir Martina, dass sie das Gefühl hätte, dass sie wohl ein gemeinsames Kind erwarten würden.“ Und so war es auch. „Uns war eines klar: Sollte es ein Mädchen werden, kann es nur einen Namen für die Kleine geben: Marla!“ Tja, und so kam es prompt. Martina und Holger wurden stolze und überglückliche Eltern der kleinen Marla. 1997 haben die beiden Erwachsenen ihre Beziehung dann auch amtlich gemacht. Sie haben geheiratet und kamen frisch vermählt schon als fertige kleine Familie mit Marla auf dem Arm aus dem Standesamt heraus.

Mitbringsel für Kids

Holgers Familienleben

Bei Gonde Clausen war Holger nicht immer sehr zufrieden, im Jahr 2000 wechselte er zur Firma Direkt Marketing Service nach Harrislee. „Das war nicht unbedingt mein Wunsch-Arbeitgeber, doch es musste ja schließlich der Unterhalt für die eigene Familie verdient werden.“
2005 wechselte er nach Flensburg, erst zu Avarto, dann weiter zu Motorola. Ein Jahr später ging es beruflich nach Kappeln zur DG Kappeln. „Ich hatte eigentlich ständig wechselnde Tätigkeiten. Das war nicht immer schön, man kam sich oft ziemlich ausgenutzt vor.“ Doch waren ihm die eigenen Leute und das eigene Privatleben wichtiger als beruflicher Erfolg. Im Jahr 2004 bezogen die drei Bartelsens ein Reihenhaus im Stadtteil Fruerlund, die Tochter Marla wuchs heran und gedieh prächtig, Ehefrau Martina arbeitete mit viel Freude im Pflegebereich, Holger nutzte den hauseigenen Keller als Raum für seine Hobbies – es war alles so wie man es sich erhofft und wünscht.
Holger pflegte in jungen Jahren diverse Hobbies. „Zweiräder haben mich schon immer fasziniert, dann bin ich irgendwann zum Tauchen gekommen. Ich habe mit Begeisterung in der Ostsee und auch an dänischen Küstenabschnitten die Unterwasserwelt entdeckt.“ Kurz nach der Wende hatte er insgesamt drei geschenkte Trabis nacheinander restauriert, und diese Kultautos sogar im privaten Bereich gefahren. Eine Zeitlang konnte Holger sich fürs Segeln begeistern, ist dabei viel herumgekommen und hat einmal sogar an einem Cutty-Sark-Tall-Ships-Race von Bremerhaven nach England teilgenommen. „Das war ein megaharter Törn, schlechtes Wetter, viel zu wenig Verpflegung an Bord, wir haben tagelang mächtigen „Kohldampf geschoben“. Mit Genuss habe ich bei der Ankunft in England gleich zwei Fischfrikadellen verzehrt, und das als eigentlicher Kostverächter in Sachen Fisch“, hat er zwiespältige Erinnerungen an jene Zeiten. Er entwickelte sich außerdem im Lauf der Jahre zum Sammler vieler Exponate, so hatten es ihm schon immer Brillen jeder Art und Größe angetan. „Insbesondere auf Flohmärkten habe ich viele dieser Teile günstig erstanden, so manches daheim wieder aufgemöbelt und anschließend im Bekanntenkreis verkauft. Das Rumpusseln hat mir schon immer viel Freude bereitet, das war schon von jeher mein Ding. So bin ich auch irgendwann zum Material „Holz“ gekommen, habe vorsichtig angefangen zu schnitzen.“ Holger erzählt weiter: „Ich werde mich immer an mein erstes Schnitzwerk erinnern. Das habe ich nämlich mit dem Weidemesser meines Vaters angefertigt. Mein Vater war viele Jahre als Jäger aktiv und in der Region unterwegs, hat sein erlegtes Wild oft genug bei uns zuhause im Keller zerlegt – mit eben jenem Weidemesser. Übrigens war mein Vater in den 70er Jahren als der erste offizielle Krähenverschrecker in Flensburg aktiv. Diese Vögel traten eine Zeitlang als regelrechte Plage auf der Rude in Erscheinung – Vater hat die Tiere mit einer Schreckschusspistole so lange immer wieder aufgeschreckt, bis sie sich endlich verzogen.“

In der Museumswerft

Der erste Schicksalsschlag

Im Jahr 2012 suchte Holger wegen einiger Beschwerden seinen Arzt auf. Nach mehreren Untersuchungen erfuhr er dann die verheerende Diagnose: Darmkrebs! War eine solche niederschmetternde Nachricht nicht schon schlimm genug, folgte in den nächsten Jahren eine wahre und lange Leidenszeit. Mehrere Operationen musste er erdulden, zahlreiche Krankenhausaufenthalte und lange Jahre des Kämpfens, stets mit Rückschlägen verbunden, wie sogar einmal einer Not­operation. Seine Martina hörte nach fast 25 Berufsjahren auf zu arbeiten und pflegte ihren Mann zu Hause hingebungsvoll – bis Holger dann tatsächlich nach rund fünf Jahren den Krebs besiegt hat. „Ohne meine Martina würde ich heute nicht hier sitzen“, sagt ein heute noch sichtlich erschütterter Gesprächspartner. „Sie hat Unglaubliches geleistet in den schweren Jahren“, ist Holger sehr bewegt.

Mit Sack und Pack zur Bergmühle

Das Schicksal schlägt erneut grausam zu

Im Jahr 2017 war Holger so weit wiederhergestellt, dass Martina wieder einer geregelten Arbeit nachgehen konnte. So konnte die Familie Bartelsen endlich glücklich und erleichtert in den Alltag zurückkehren, bis … ja bis es im folgenden Jahr 2018 seine Frau Martina unerwartet traf. Bei ihr lautete die niederschmetternde Diagnose: Lungenkrebs! Nun hatte sich das Blatt gewendet; Holger pflegte fortan seine Martina, kümmerte sich rund um die Uhr um seine geliebte Ehefrau. Man merkt ihm sichtlich an, dass die Erinnerung an jene Wochen, Monate und Jahre ihn immer wieder aufwühlen. „Es war eine anstrengende und schwere Zeit für uns alle. Martina war tapfer, doch der Krebs war stärker, besiegte sie schließlich … und wir mussten sie schweren Herzens gehenlassen. Sie verstarb 2021, wir konnten jedenfalls noch von ihr Abschied nehmen! Die 24 Jahre gemeinsamer Ehezeit werde ich mein Lebtag nicht vergessen“, hält Holger die Erinnerungen und Gedanken an seine Martina hoch.

Für Kids ein Heidenspaß

Ein neuer Lebensabschnitt

„Wenn ich nicht die Unterstützung insbesondere meiner Tochter, der Enkelkinder und der Familie erfahren hätte in jener Zeit, nicht auszudenken …“, so unser Chronist. „Ich habe mich schließlich wieder aufgerappelt, habe für mich eine Mietwohnung gesucht und in der näheren Nachbarschaft gefunden. Meine Tochter ist mit ihrer Familie in ihr Elternhaus nach Fruerlund gezogen. Ich bin froh und glücklich darüber, sie und meine beiden Enkel so nahe bei mir zu haben. Sie sind die große Freude in meinem jetzigen Leben!“
Daneben hat Holger eine neue Bestimmung für sich entdeckt, die ihn regelmäßig beschäftigt und ihm einen sinnvollen Lebensinhalt gegeben hat: Das Holzschnitzen!

Konzentriert beim Arbeiten

Vom Holzbearbeiter zum Künstler

Das Bearbeiten des Materials „Holz“ hat Holger schon länger fasziniert, spätestens nach seinem Umzug hat sich das Schnitzen zu seiner Hauptbeschäftigung entwickelt. Das kann der Schreiber dieser Zeilen nur bestätigen: Betritt man Holgers Wohnung, ist gleich linkerhand im eigentlichen Gäste- bzw. Kinderzimmer eine komplette Tischlerwerkstatt eingerichtet. Überhaupt finden sich in seiner Wohnung auf den zweiten Blick beinahe überall Zeichen und Zeugnisse seiner Schnitzarbeiten und Schnitzkunst. Mit viel Freude und berechtigtem Stolz zeigt uns der Künstler jene Exponate, die er in seinen vier Wänden stehen, liegen und hängen hat. Seine Prunkstücke sind, wie er selbst sagt, seine „Brillengesichter“. Holger betreibt seine künstlerische Arbeit jedoch nicht nur für den eigenen Hausgebrauch. „Meine erste Ausstellung durfte ich im Café der Flensburger Museumswerft durchführen. Daneben habe ich in den Räumlichkeiten des Cafés öffentlich gearbeitet, sprich geschnitzt. Eines Tages kam ein junges Mädchen dort auf mich zu, fragte neugierig:
„Was machst Du da?“ Ich hab es ihr erklärt und gezeigt. Bald wurden es immer mehr Besucher des Lokals, oft eben wissbegierige Kinder, die ihn beim Schnitzen beobachteten und „löcherten“. Schließlich sprach mich der Pächter darauf an: Du, das ist eine tolle Sache mit Deinem öffentlichen Schnitzen im Gastraum – Du lockst damit tatsächlich viele Kunden an!“ Es sollte nicht nur bei diesen öffentlichen Auftritten bleiben: „Über ein Jahr lang – beginnend im März 2019 – hatte ich im hiesigen Kulturhof in der Großen Straße 42-44 eine Dauerausstellung meiner Exponate laufen, konnte nach und nach diverse Stücke an interessierte Kunden verkaufen – ein schönes Zubrot für einen Rentner“, weiß Holger seinen Erfolg als Schnitzer und Künstler zu schätzen. Eine zweite Ausstellung durfte ich im Jahre 2021 in den Räumlichkeiten der Museumswerft präsentieren. Wegen seiner medizinischen Vorgeschichte kann er leider nicht mehr in einem Beruf tätig sein. „Mittlerweile sind einige Anfragen bei mir in Sachen Ausstellung und Präsentation eingegangen. So werde ich in Kürze in den Räumlichkeiten von Möbel Schulenburg meine Stücke präsentieren können“, freut sich Holger über die erlebte Wertschätzung und Anerkennung seiner Arbeiten.
Vor einigen Jahren erfuhr er durch Zufall, dass in Hürup sturmbedingt eine Linde umgestürzt war. Er bemühte sich um das Holz des Baumes, traf mit dem Eigentümer eine entsprechende Vereinbarung. „Das Problem des Zersägens der Linde und des Transports des vielen Holzes nach Flensburg zur Museumswerft konnte ich unbürokratisch mit Hilfe des hiesigen TBZ regeln – mein großer Dank geht an die dortigen Verantwortlichen.
Dem einstigen Eigentümer der Linde, Herrn Schmidt, in Hürup Nachbar und Vater des Betreibers von Schmidt Insektenschutzrahmen, werde ich als Dankeschön aus dem Holz der Linde etwas Besonderes schnitzen – ich habe da schon ein paar Ideen entwickelt“, freut sich Holger über das so wunderbar geklappte Unterfangen. Seine Kunst hat ihm daneben noch zu einer weiteren Aufgabe verholfen. „Bereits seit dem Jahr 2018 leite ich an der Harrisleer Gesamtschule nachmittags eine AG mit meinem Fachgebiet „Holzschnitzen“ – auf Hono­rarbasis. Anfangs hatte ich nur ein Mädchen regelmäßig dabei im Kursus. Das war meine „treue Seele“ Bercem, die sehr viel Interesse mitbrachte und mit der Zeit immer besser wurde. Inzwischen sind jedoch weitere interessierte Schülerinnen und Schüler hinzugekommen – für mich eine dankbare und spaßbringende Tätigkeit“, schätzt Holger seine „Lehrtätigkeit“ ein. Ein anderes, noch recht neues Hobby betreibt er seit kurzem: „Ich bin neuerdings Mitglied bei den Oldtimerfreunden der Feuerwehr Flensburg, einem Verein zur Erhaltung alter Feuerwehrfahrzeuge und -geräte. Mein LKW-Führerschein kommt mir dabei zugute; ich darf eines unserer größeren Fahrzeuge aus unserem Bestand – wie etwa das Löschgruppenfahrzeug F16, oder die „Drehleiter“ bei unseren Exkursionen fahren. Das bereitet mir viel Freude, zudem sind die anderen Oldie-Freunde durch die Bank nette Menschen und sehr umgänglich!“, weiß Holger zu erzählen.

Arbeitsplatz der Enkel

Ein Herzenswunsch

Gefragt, was er sich denn noch so für sein neues Leben wünschen würde, fällt ihm schnell eine Antwort ein. „Im Holzschnitzen bin ich ja gewissermaßen Autodidakt, habe mir alles Wissen und Können über die Tätigkeit selbst angeeignet.
Ich würde mich gern auf meinem Spezialgebiet fortbilden, noch dazulernen. Das würde nach meiner festen Überzeugung am besten an der „Berufsfachschule Holzbildhauerei Flensburg“ (BFBi) funktionieren. Die kurz BFBi genannte Schule dient der beruflichen Erstausbildung zum Holzbildhauer in schulischer Form. Neben der schulischen Abschlussprüfung findet eine Gesellenprüfung vor der Handwerkskammer statt. Diese Berufsfachschule ist übrigens ein Bildungsgang des regionalen Bildungszentrums (RBZ) Eckener-Schule Flensburg“, klärt uns Holger auf.

Der Künstler mit einem Brillengesicht

„Schon mehrfach habe ich versucht, an dieser Schule eine Möglichkeit der Teilhabe zu bekommen – sei es als Gasthörer oder wie auch immer. Einer der dort tätigen Dozenten, Arne Schmidt-Osterloh, selbst Fachlehrer und Holzbildhauermeister, unterstützt schon länger mein diesbezügliches Ansinnen. Leider ist der Schulträger – die Stadt Flensburg – bislang hart geblieben, hat auf meine Bitten hin mir immer nur abschlägig geantwortet“, sagt ein diesbezüglich enttäuschter Holzschnitzer und Künstler. Das Flensburg Journal bedankt sich bei Holger Bartelsen für ein sehr interessantes und informatives Gespräch, drückt ihm ganz kräftig die Daumen, dass die Stadt Flensburg es als Schulträger der BFBi letztlich doch noch möglich machen könnte, dass dem talentierten und wissbegierigen Selfmade-Künstler ein Zugang – wie auch immer – zu eben jener Ausbildungsinstitution geebnet werden wird. Vielleicht liest ja einer der Verantwortlichen diese Zeilen und wird dem genannten Künstler unbürokratisch helfen können …

Mit Holger Bartelsen sprach Peter Feuerschütz,
Fotos: Benjamin Nolte, privat

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