Sponsoring in Sport und Kultur

Ulrich Rotermund musizierte in einer Band, bespielte zeitweise Musik-Bänder für die Läden. Er hatte Beziehungen in die Künstler-Szene, und er soll es gewesen sein, der für ein Kieler Veranstalter-Quintett den Kontakt zu seiner Mutter herstellte. Beate Rotermund sprang schließlich als wichtigste Geldgeberin für ein Event ein, das an den „Mythos Woodstock“ anknüpfen sollte.
„Love & Peace“ lautete auf der Ostseeinsel Fehmarn das Motto für ein Festival, das vom 4. bis zum 6. September 1970 auf einer 50 Hektar großen Wiese am Leuchtturm Flügge ausgerichtet wurde.
Die damals 50-jährige Kauffrau schoss 266.500 D-Mark, rund die Hälfte des gesamten Budgets, vor und ließ den Vorverkauf der Festival-Tickets auch über ihre 21 Ladengeschäfte laufen. Sie hoffte auf eine Image-Politur. Obwohl sie häufiger Minirock trug, einen Kurzhaarschnitt mit Pony bevorzugte und durchaus progressive Ansichten hatte, galt sie aus Sicht der Studentenbewegung eher als kommerziell und spießig. Zudem setzte sie bei „Love & Peace“ auf eine dem Sex aufgeschlossene Jugend als potenzielle Käuferschaft.
Beate Rotermund geizte auf Fehmarn nicht mit eigener Präsenz. Sie verfolgte bereits den Aufbau ihres „Rolling Shops“. Das war ein Lastwagen, von dem sie später mit ihren drei Söhnen Kondome und Aufklärungsbroschüren verteilte. Autogramme von ihr standen hoch im Kurs. „Frau Uhse“, wie ein Berichterstatter bemerkte, fand auch die Muße, sich vor die Bühne zu setzen und dem Auftritt von Headliner Jimi Hendrix zu lauschen. „Dufte“, meinte sie zu Hits wie „Hey Joe“ oder „Purple Haze“. Nichtsahnend, dass der Rock-Star nur wenige Tage später versterben sollte.
Inmitten der Hippie-Menge sammelte die Unternehmerin spezielle Erkenntnisse. „So wie diese jungen Leute aussehen mit ihren Stirnbändern, ihren bunten Kleidern, ihren Haschpfeifen, so laufen in spätestens fünf Jahren 95 Prozent aller Bundesbürger herum“, meinte der prominente Gast aus Flensburg. Und das Haschisch – wenn es denn legalisiert wäre – würde doch gut ins eigene Warensortiment passen. „Ich rauche selbst ab und zu, es ist sehr schön“, sagte die Geschäftsfrau. Das Gramm Haschisch kostete in Fehmarn fünf D-Mark.

Ein Hardcore-Rock-Fan war Beate Rotermund gewiss nicht. Während die Söhne im Auto übernachteten, setzte sie sich zeitig nach Puttgarden ab, um im „Hotel Dania“ zu essen und zu entspannen. In ihrer Unterkunft übernachteten auch viele Musiker, die zum Teil ihren Gig wegen der schlechten Witterung oder der angeschlagenen Technik absagten. Die Flensburgerin spürte, dass auf dem Festival nicht nur das Wetter den Organisatoren einen Streich spielte. Sturm und Regen nagten am Besucherstrom, während viele Schäden und eine Rocker-Invasion eine friedliche Party störten. Medien berichteten über ein „Pop-Grusical“ oder „Deutschlands erste große Open-Air-Kata­strophe“. Nicht das, was Beate Rotermund lesen wollte. „Sicherlich ist manches schiefgelaufen, aber beim nächsten Mal wird man wissen, wie man es besser macht“, bilanzierte sie.
Da hielt sie noch eine erneute Anschub-Finanzierung für eine zweite Auflage von „Love & Peace“ für denkbar. Drei Tage nach dem Festival tauchte eine Veranstalter-Abordnung am Unternehmens-Hauptsitz von „Beate Uhse“ in der Flensburger Gutenbergstraße auf – und ließ die Hosen runter. Die Liste der offenen Posten war lang: Ordner 15.000 D-Mark, Bühne 20.000 D-Mark, Flurschäden 30.000 D-Mark, zerstörtes Informationszentrum 45.000 D-Mark, Steuern mindestens 20.000 D-Mark. Und statt der kalkulierten 60.000 Besucher waren nur etwa 30.000 gekommen. Ein finanzielles Fiasko, zumal auch die Rocker und ein Mitveranstalter mit größeren Geldmengen abgezogen waren. Ein Bühnenbauer rief in Flensburg an, weil er gehört hatte: „Uhse kommt für Folgeschäden auf.“ Beate Rotermund zürnte: „Jeden, der dieses Gerücht streut, werden wir mit einer Klage überziehen.“
Der Flensburger Sex-Konzern hatte 26.500 D-Mark durch den eigenen Kartenverkauf eingenommen. Die Chefin rechnete: „Es bleiben also noch 240.000 Mark – dann hätten wir unser Geld ohne Zinsen zurück.“ Ihr Assessor kontaktierte sofort die Bank der Veranstalter, um noch eingehende Zahlungen aus dem Ticketing sofort abzuzweigen. Beate Rotermund schwante bereits Böses. „Wir haben das Gefühl, dass die Fehmarn-Festival-Gesellschaft sehr tief in der Klemme steckt“, fasste sie das Gespräch zusammen. „Im Moment ist unser Risiko fast 100 Prozent.“
Letztendlich war „Love & Peace“ ein teures Sponsoring, das die Erfolgsstory von „Beate Uhse“ aber nicht beeinträchtigen sollte. Aber vielleicht war dieses Festival ein Grund dafür, weshalb die Unternehmerin lange Zeit mit dem neuen Werbe-Instrument sehr sparsam umging. Im April 1965 hatte sie 17 Werke zur Sexualkunde („wissenschaftliche Fachbücher“) der Berliner Universitätsbibliothek öffentlichkeitswirksam gespendet. Dann tat sich lange nichts. Und wenn doch, bedachte die Flensburger Konzern-Chefin den Sport, allen voran den starken Handball in ihrer Heimatregion.
Im September 1979 sorgte dieses Sponsoring für bundesweite Furore. Die Verantwortlichen des TSB Flensburg, der gerade in die Bundesliga aufgestiegen war, rieben sich die Hände. Sie hatten eine Einladung erhalten – von Beate Rotermund. Nun standen die Handball-Funktionäre auf dem Anwesen der Sexshop-Unternehmerin in Schausende. Mannschaftskapitän Hans-Joachim Krüger spielte im Keller der Villa mit der „Aufklärungsdame der Nation“ etwas Squash. „Ich bin ein Sportfreund, treibe viel Sport“, erzählte Beate Rotermund. Golf, Tennis und sogar Wasserski zählten in jener Zeit zu ihren Hobbys.

Der entscheidende Akt vollzog sich am Holztisch im Garten. Bei Campari-Soda und Roséwein landeten die Unterschriften unter dem Vertrag – und damit die Schriftzüge „Beate Uhse“ auf den Hemden der Handballer und „Beate Uhse am Ball“ auf den Trainingsanzügen. Ein Coup, der umgerechnet 50.000 D-Mark einbrachte und Pionier-Charakter hatte. Bis auf ein kurzes Intermezzo Mitte der 70er Jahre war die Trikot-Werbung im Amateur-Handball verpönt gewesen.
Der TSB hatte einen direkten Draht zur Chefin. Im Wirtschaftsrat des Sportvereins saß Hans Hermann Laturnus. Er war Geschäftsführer eines Flensburger Warenhauses, bei dem auch Beate Rotermund als Kundin ein- und ausging. Was niemand wusste: Fast zeitgleich wurden auf der mittleren Ebene des Erotik-Unternehmens Verhandlungen mit der Handball-Konkurrenz aus Göppingen geführt. Doch im Süden bekam man kalte Füße: Die schwäbische Vereinsführung war konservativ geprägt, Sex-Werbung passte nicht in die Weltanschauung.
Mit dieser Haltung waren sie nicht allein. „So eine Schweinerei wollen wir nicht“, äußerten sich Vertreter anderer Klubs. Andere meinten: „Wir würden uns mit solchen Hemden lächerlich machen.“ Ein Sprecher des Deutschen Handballbundes zweifelte: „Ich könnte mir etwas Geschmackvolleres vorstellen.“ Dann, als sein Vorstand die Beate-Uhse-Werbung abgesegnet hatte, schwenkte er um: „Wir sind doch alle aufgeklärt, ich empfinde nichts Anstößiges bei der Sache.“ Durchatmen in Flensburg.
In den Medien war der TSB urplötzlich die Nummer eins. Die „Hamburger Morgenpost“ titelte: „Für 50.000 Mark kaufte sich Beate Uhse Flensburgs Handballer!“ Der „Express Bonn“ schrieb: „Mit Beate auf der Brust ist das Spielen eine Lust.“ Und selbst die „Rieser Nachrichten“ aus Nördlingen beschäftigte sich mit den Nordlichtern: „Flensburg startet mit Sex-Reklame.“ Als es sportlich nicht wie gewünscht lief, kippte der Ton in den Zeitungen: „Auch Beate Uhse brachte die Handballer des TSB nicht auf Trab.“ Oder: „Beate Uhses Buben waren ganz artig.“ Der Klassenerhalt wurde verpasst. Beate Rotermund war enttäuscht und stellte ihren Ausstieg in Aussicht: „Meine Produkte sind erstklassig, dann kann ich doch nicht für zweitklassige Sportler werben.“ Dennoch blieb „Beate Uhse“ weiterhin am Ball. Bis 1983 warben die TSB-Handballer für das Erotik-Unternehmen – allerdings zu etwas geringeren Konditionen.
Als sich 1990 die SG Flensburg-Handewitt, der spätere deutsche Meister, gründete, trat „Beate Uhse“ dem Sponsorenpool „Club 100“ bei. Beate Rotermund selbst verfolgte das Handball-Geschehen wohl eher beiläufig, wie ein Grußwort mit einer längst überholten Vereinsbezeichnung verrät. „Für die neue Handball-Saison wünsche ich allen Spielern guten Schuss und Weiche-Handewitt dazu viel Erfolg“, schrieb sie im Sommer 1998. Wenn die „Chefin“ persönlich eine Bundesliga-Partie besuchte, kam sie im Sportwagen an der Fördehalle vorgefahren. Einmal saß sie direkt neben Ministerpräsidentin Heide Simonis. Beide Damen hatten einen Vereinsschal um den Hals und jubelten die SG zum Sieg.
Auch der Frauen-Handball wurde bedacht. Als 1982 der TSV Jarplund-Weding die höchste deutsche Spielklasse erreichte, legten Verein und Unternehmen den Grundstein für ein Sponsoring, das die gesamte Dekade hielt und – alle Jahre zusammengezählt – rund 150.000 D-Mark umfasste. Zunächst leuchtete auf den Trikots der Handballerinnen „Beate Uhse Video“. Beate Rotermund äußerte sich im August 1983 verzückt: „Wir freuen uns, dass eine Damenmannschaft so modern und liberal eingestellt ist, mit dieser Werbung auf der Brust anzutreten.“

Wenige Tage später schaute sie bei einer Übungsstunde in der Jarplunder Schaulandhalle vorbei. Die 64-Jährige warf aufs Tor und beteiligte sich an den Gymnastik-Übungen, um ihre Sportlichkeit zu beweisen. Trainer Henning Rohde fragte: „Dürfen wir Sie denn auch mal während unserer Heimspiele auf der Tribüne begrüßen?“ Beate Rotermund lächelte: „Aber selbstverständlich, mein Interesse an dieser Sportart ist riesig. Schließlich habe ich in jungen Jahren selbst mal Handball gespielt.“ Sie posierte auf einem Foto mit Mannschaftsführerin Ingrid Fietz. Es menschelte zwischen Sponsorin und Sportlerinnen. Die Mannschaft wurde zu Sommerfesten in die Gutenbergstraße oder zu einer Weihnachtsfeier nach Schausende, dem Wohnsitz der Unternehmerin, eingeladen. Ein anderes Mal sah man zusammen einen Film, ehe sich die Handballerinnen Badeanzüge aussuchen durften.
In den 90er Jahren setzte „Beate Uhse“ andere Schwerpunkte im Sponsoring, das sich um Kunst und Kultur drehte. „Wer diesen Bereich fördert, zeigt, dass er über seinen Horizont hinausblicken kann“, verriet Beate Rotermund einmal. „Es werden neue Berührungspunkte zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit sichtbar, was die Hemmschwellen herabsetzt.“ So verhalf sie 1992 dem Kleinen Theater in Salzburg zu einer Aufführung von Arthur Schnitzlers Partnerwechsel-Stück „Reigen“. An diesem Abend weilte die Norddeutsche in Österreich und erklärte in einer Ansprache: „Ich fühle mich mit Arthur Schnitzler seit jeher tief verbunden. Auch über mich durfte anfangs nur mit gehobenem Zeigefinger gesprochen werden.“ Einige Jahre später stieß sie einen „Beate-Uhse-Erotik-Kunstpreis“ an, der allerdings nicht ihren Tod überdauerte.
Ende Januar 1999 war Beate Rotermund einmal mehr im Fernsehen. Die rüstige Seniorin demonstrierte zwei Tritte von rechts, zwei von links und einen Ellenbogen-Check gegen die Brust des Polizei-Trainers. Sie förderte insgesamt sechs Selbstverteidigungskurse. Das Motto: „Polizei und Frauen – gemeinsam gegen Gewalt“. In das Mikrofon sagte sie: „Viele Frauen sind zu scheu, unsicher und zurückhaltend. Viele fordern so die Reaktion von einem beknackten Mann heraus.“
Im selben Jahr erschien eine Postkarte mit ihrem Konterfei und dem Spruch: „Der Nationalpark macht Lust auf Meer. Wir Schleswig-Holsteiner können stolz sein auf dieses Geschenk der Natur.“ Die Sex-Unternehmerin reihte sich damit in eine illustre Prominenz ein, die sich für eine Image-Kampagne des Kieler Umweltministeriums einspannen ließ. Es entstanden nicht nur Postkarten, sondern auch Zeitungsannoncen und Aufkleber. Beate Rotermund ließ in ihren Läden Plakate aufhängen. Womit sie nicht rechnete: Es regte sich auch Protest. Eine Westküsten-Bürgerinitiative pilgerte in die Gutenbergstraße. Auf einem Transparent stand: „Liebe Frau Beate Uhse, verhüten Sie mit uns diese die Westküste erdrückende gift-grüne Naturschutz-Politik“. Ein weiteres Beispiel dafür, dass Public Relation und Sponsoring nicht immer den erwünschten Effekt hat.

Text: Jan Kirschner
Fotos: Privat

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