Die Flensburger Walzenmühle ist ein architektonischer Botschafter des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Ein imposantes Bauwerk, das auch das Büro des fast ebenso alten Arbeitgeberverbandes beherbergt. Besucher steigen zumeist in den Fahrstuhl bis in den vierten Stock, benutzen dann das Treppenhaus, um noch eine Etage höher zu gelangen. Direkt unterhalb des Turmes, wo sich früher mal die Wohnung eines Handball-Profis befand, liegen seit 2012 die Büroräume des „Arbeitgeberverbandes Flensburg – Schleswig – Eckernförde“.
Es handelt sich um eine Organisation, die ihre Mitgliedsunternehmen arbeitsrechtlich berät und vertritt, als Interessensvertretung gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit auftritt und Fortbildungen sowie Veranstaltungen anbietet. Der Einzugsbereich dieses eingetragenen Vereins ist größer als es die im Namen angegebenen Städte Flensburg, Schleswig und Eckernförde suggerieren. In der Satzung ist auch von „angrenzenden Gebieten“ die Rede. So tauchen unter den knapp 400 Mitgliedsunternehmen, die zusammen rund 25.000 Menschen beschäftigen, auch Firmen aus Nordfriesland und anderen Gebieten auf.

125 Jahre Arbeitgeberverband Flensburg · Schleswig · Eckernförde e.V.
Mitarbeiter des Arbeitgeberverbandes; Foto: Stefan Jonas

125 Jahre Ehrenamt im Arbeitgeberverband

Der hiesige Arbeitgeberverband ist inzwischen 125 Jahre alt. Deshalb findet am 19. September ein Jubiläumsakt für geladene Gäste auf Schloss Gottorf statt. Die Festrede wird Norbert Erichsen halten, seit zehn Jahren der Vorstandsvorsitzende des Verbandes. „Dieses Amt ist eine Ehre, denn vor mir hatten einige gestandene Kaufleute dieses Amt inne“, sagt er. „Der Arbeitgeberverband ist ein Netzwerk und bietet so eine gute Gelegenheit, für die regionale Wirtschaft zu wirken und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, die sich in einer sehr ähnlichen Situation befinden.“ Denn in mittelständischen Unternehmen sei es oft so, dass kein Vorstandsgremium, sondern eine Führungsperson allein Entscheidungen zu treffen habe und Verantwortung übernehmen müsse.

Norbert Erichsen, der wie die anderen zwölf Mitglieder des Vorstandes ein Ehrenamt ausübt, hat einen sehr kurzen Weg zum Büro in der Walzenmühle. Er ist Geschäftsführer und Gesellschafter der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG), die auf der anderen Seite der Werftstraße produziert. Diese räumliche Nähe ist aber alles andere als Bedingung für den Vorsitz des Verbandes, wie ein kleiner Blick zurück beweist. Vorgänger Eberhard Otte war Chef der Punker GmbH aus Eckernförde. Der ehrenamtliche Vorstand des Arbeitgeberverbandes trifft sich etwa vier Mal im Jahr zu Sitzungen und gibt den Rahmen vor. Dazu gesellt sich einmal jährlich die Mitgliederversammlung im Glücksburger „Strandhotel“.

Die hauptberufliche Geschäftsstelle

Das operative Geschäft liegt in den Händen der hauptamtlichen Mitarbeiter. Als Geschäftsführer fungierte 18 Jahre lang Dr. Fabian Geyer – bis er zum Oberbürgermeister Flensburgs gewählt wurde. In der Walzenmühle kam es Anfang 2023 zu einer internen Nachfolge-Regelung, als Dr. Christian Jaekel das Zepter übernahm. Er stammt zwar aus Essen, promovierte aber in Lübeck und „arbeitete“ sich dann immer weiter gen Norden, bis er 2009 beim Arbeitgeberverband in Flensburg landete. Nun kümmert er sich um dessen Geschäftsführung und ist zugleich einer der vier Syndikus-Anwälte, die die Mitglieds­unternehmen auf dem Feld des Arbeitsrechts beraten und – in etwa 200 Gerichtsverfahren im Jahr – vertreten sowie in Tarifverhandlungen begleiten.

Vor einigen Monaten ist Dr. Christian Jaekel anlässlich des anstehenden Jubiläums in die bewegte Geschichte des Arbeitgeberverbandes eingestiegen. Er sichtete eine noch vorhandene große Kiste mit vielen historischen Aufzeichnungen und Dokumenten, registrierte aber auch einige Lücken, die durch Anfragen beim Stadtarchiv Flensburg oder beim Kreisarchiv Schleswig nur bedingt gefüllt werden konnten. So ließ sich für die Zeit ab Mitte der 30er Jahre bis Anfang der 50er Jahre fast nichts aufspüren. Das lag vor allem daran, dass die Nationalsozialisten Gewerkschaften und Arbeitgeber-Organisationen gleichermaßen zerschlugen und stattdessen die „Deutsche Arbeitsfront“ mit 25 Millionen Mitgliedern installierten.

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Mitgliederversammlung der 1960er Jahre

Die Anfänge des Arbeitgeberverbandes

Was man weiß: Die Gründung von Arbeitgeberbänden war im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Antwort auf die Gewerkschaften, die sich zuvor überall herausbildeten, um für Arbeiter die schwierigen Arbeitsbedingungen mit hoher Belastung und hohem Unfallrisiko bei nur geringem Lohn zu verbessern. Als Reaktion auf diese neuen, großen Gemeinschaften wollten auch die Unternehmer organisiert sein – so auch in Flensburg und Umgebung.

Ein Schritt, der mit dem Gründungsprotokoll des Verbandes vom 20. Mai 1898 bestens dokumentiert ist. 80 Herren waren an jenem Tag im Adlersaal der einstigen Flensburger Veranstaltungsstätte „Colosseum“ anwesend. 52 Firmen traten dem „Arbeitgeberverband für Flensburg und Umgebung“ bei. Zum ersten Vorsitzenden wurde der Reismühlenbesitzer E. Kallsen gewählt. Schon sehr bald übernahm der Kaufmann Emil Molsen, der 1903 die Tätigkeiten und vorhandenen Strukturen unter der Bezeichnung „Vereinigung Schleswiger Arbeitgeberverbände“ zwischen Schlei und Hadersleben bündelte.

In der Weimarer Republik erkannten die Arbeitgeber die Gewerkschaften als berufene Vertreter der Arbeiterschaft an. Arbeiterausschüsse und Acht-Stunden-Tage waren nun die Norm. Dennoch wuchsen die Aufgaben der Arbeitgeberverbände. Die Tarif- und Lohnpolitik sowie damit verbundene Streiks waren sich wiederholende Konfliktfelder in der Zwischenkriegszeit. Deshalb hatten die damaligen Flensburger Vorsitzenden des Verbandes – die Herren Kotzki, Balle und Holm – ab dem Jahre 1922 nicht mehr nur ehrenamtliche Vorstandskollegen, sondern auch einen Geschäftsführer und Syndikus an ihrer Seite.

1933, mit Beginn der NS-Diktatur, bricht die Chronik vorerst ab. Erst für September 1947 lässt sich in den Unterlagen das Protokoll einer erneuten Vorstandssitzung in Flensburg finden. Unter den Vorsitzenden Friedrich Klaus und Dr. Hans Adolf Rossen nahm der Verband während des sogenannten Wirtschaftswunders an Fahrt auf. Ein Strukturwandel begleitete die Jahrzehnte. Heute liegen Flensburgs Branchen-Schwerpunkte in den Bereichen Gesundheit, Dienstleistungen und Maschinenbau, während Schleswig, Eckernförde und die Kreisgebiete durch Kleinbetriebe und mittelständische Unternehmen geprägt sind.

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Adlersaal im „Colosseum“: Geburtsort des Arbeitgeberverbandes

Beratungen, Seminare und ein „Förde-Fuchs“

Seit dem Jahre 2000 hat sich binnen zwei Dekaden die Mitgliederzahl des „Arbeitgeberverbandes Flensburg – Schleswig – Eckernförde“ verdoppelt. Eine Entwicklung, die die Relevanz der Organisation betont, zugleich aber auch das Arbeitspensum erhöhte. Das Büro wurde gerade erst um eine Stelle aufgestockt. Neben der individuellen juristischen Beratung und Vertretung der Mitgliedsunternehmen werden zahlreiche Fortbildungen angeboten, etwa arbeitsrechtliche Seminare, Fachvorträge von Richtern, Rhetorik-Kurse oder Führungskräfte-Schulungen für die Unternehmen. Und ein besonderer „Bonbon“: Seit 2008 verleiht der Arbeitgeberverband jährlich den „Förde-Fuchs“. Mit diesem werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich für das Ansehen der Region besonders verdient gemacht haben, und deren Wirken weit über die Region hinausstrahlt.

Der Verband tritt zudem als Interessensvertretung der Mitgliedsunternehmen auf – in einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt verändert, die globalen Verflechtungen der Ökonomie zunehmen und der bürokratische Aufwand immer weiter ausufert. Der Arbeitgeberverband pflegt einen engen Draht in die Landeshauptstadt Kiel. Nicht von ungefähr wird beim Jubiläumsakt auf Schloss Gottorf auch der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen ein Grußwort an die Festgemeinschaft richten.
Manch einer mag sich fragen, wie sich eigentlich ein Arbeitgeberverband finanziert. Die Faustformel: Der Jahresbeitrag beträgt ein Promille der Brutto-Jahres-Gehaltssumme des Unternehmens. In dem Jahresbeitrag sind sämtliche Leistungen des Verbandes enthalten. „Wir vertreten die Positionen der hiesigen Unternehmen und beraten unsere Mitglieder stets bedarfsorientiert sowie praxisgerecht“, betont Dr. Christian Jaekel. Das Motto lautet: „Wir geben Wirtschaft Kraft.“

Text und Fotos: Jan Kirschner

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