In Australien leben – für viele Menschen durchaus ein schöner Traum, jedenfalls von dieser Seite der Erdkugel aus gesehen. Wir trafen an einem herrlichen und sonnigen Tag im März unsere Gesprächspartnerin Karen, die gerade zu Besuch bei ihrer an der Flensburger Förde lebenden Tante weilte. Karen Shugg ist vor 32 Jahren nach Australien umgezogen, ausgewandert im „zarten“ Alter von 22 Jahren. Ihre Geschichte klingt jedoch anders als die vieler anderer Landsleute, die bereits vor oder auch nach ihr der Heimat Deutschland den Rücken gekehrt und auf den fünften Kontinent ausgewandert sind, um dort „ihr Glück zu machen“.

Der Liebe wegen nach Australien

„Ich war als junges Mädchen eine begeisterte Briefeschreiberin, und hatte schon in jungen Jahren einen „Brieffreund“, der im weit entfernten Australien zu Hause war“, erinnert sich Karen. „Es war manchmal schon schwierig und für mich eine echte Herausforderung, auf Englisch meine Gefühle und Erlebnisse zu Papier zu bringen und so meinem Brieffreund Craig meinen jeweiligen Gemütszustand schriftlich nahezubringen.“ Trotz der sprachlichen Barriere verstanden die beiden sich gut, vertieften dabei ihre Freundschaft von Brief zu Brief. Zur Erinnerung: Das Internet steckte damals in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts noch in den Kinderschuhen, von Social Media wie Facebook, Tinder, Twitter, Instagram usw. gab es nicht den Hauch einer Spur in jenen Jahren.
Mit 16 Jahren zog es Karen für ein komplettes Schuljahr als Austauschschülerin in die Vereinigten Staaten – eine für das junge Mädchen tolle Lebenserfahrung! Und als äußerst positiven Nebeneffekt kamen ihre dadurch erheblich verbesserten Kenntnisse der englischen Sprache hinzu. Der Kontakt zu ihrem Brieffreund Craig in Australien hatte sich während des Aufenthaltes in den USA sogar noch vertieft, und sprachlich befand sie sich mit ihm jetzt praktisch auf Augenhöhe. Die Freundschaft der jungen Leute wurde ein fester Bestandteil ihres Lebens. „Den regelmäßigen Briefkontakt zu Craig habe ich als Zwölfjährige begonnen. Bis ich dann 20 Jahre alt wurde, waren wir halt gute Brieffreunde“, beschreibt Karen den Vorlauf ihrer späteren Beziehung.

Als Heranwachsende fast in Flensburg zuhause

Karen lebte zwar mit den Eltern und Geschwistern in Hamburg, doch schon von klein auf verbrachte sie sehr viel Zeit bei den Großeltern und bei ihrer Tante Inga in Flensburg, die damals in der Mühlenstraße auf dem Friesischen Berg wohnten. Die vielen kleinen Läden in der Friesischen Straße, den Südermarkt, und viele andere markante Ecken Flensburgs hat sie als Kind förmlich in sich aufgesogen, sie war mehr als nur mal eben zu Besuch in Flensburg, sie wurde schon beinahe während ihrer wochenlangen Aufenthalte in Flensburg ein einheimisches Nordlicht.
Nach ihrem einjährigen USA-Aufenthalt begann Karen nach erfolgreichem Schulabschluss eine Lehre bei der Deutschen Bank als Bankkauffrau. „Dann war es endlich soweit: Mein erster Besuch in Australien für 6 Wochen direkt nach meinem bestandenen „Abi“ kam zustande, im Juni 1987 verbrachte ich eine herrliche Zeit auf der anderen Seite des Planeten“, erinnert Karen sich gern an jene Zeit. „Und … wie soll ich sagen? Da hat es dann gefunkt zwischen uns beiden! Wie verliebten uns ineinander, und erlebten eine tolle Zeit!“ Es ging wohl beiden so, verspürten beide das berühmte „Kribbeln im Bauch“!
„Craig ist mir nach nur drei Monaten nach Deutschland nachgereist“, lächelt Karen mit leuchtenden Augen, „und hat dann ein ganzes Jahr bei meiner Familie gelebt, von November 1987 bis Oktober 1988! Danach ist er zurück nach Australien um selber seine berufliche Karriere zu starten. Anschließend mussten wir dann leider fast ein ganzes Jahr lang getrennt leben. Doch stand für uns bereits fest: Wir wollen zusammenbleiben und gemeinsam durchs Leben gehen!“ Nach erfolgreichem Abschluss ihrer Banklehre ist Karen schließlich im Monat September im Jahr 1989 ausgewandert. Als endlich alle Formalitäten für Karens künftiges Leben in Australien geregelt waren, begann ihr neues Leben in „down under“.

„Eigentlich sind alle meine Wünsche, Träume und Hoffnungen in Erfüllung gegangen“, ist Karen heute völlig überzeugt von der Richtigkeit ihres Handelns. „Ich habe einen tollen Mann kennengelernt und geheiratet, bin mit ihm glücklich, habe zwei Jungen geboren, und führe ein abwechslungsreiches und schönes Leben im Kreis meiner Familie, und vieler gemeinsamer Freunde!“ Und sie ergänzt: „In Australien ist zwar Manches anders als wir es hier in Deutschland kennen und gewohnt sind, doch wer dort drüben schon erste Erfahrungen gesammelt hat, liebe Mitmenschen vorfindet, auch noch die Sprache sehr gut beherrscht – für den ist die Eingewöhnung gar nicht so besonders schwierig!“ Anfangs hatte das junge Paar noch direkt in der Metropole Melbourne gelebt, und Karen hatte schnell und ohne Probleme einen guten Job bei einer einheimischen Bank gefunden.

Familiengründung und Familienleben

Die beiden genossen die ersten Jahre der Zweisamkeit, Karen lernte ihre neue Heimat schätzen und lieben. Befragt nach ihrem Nationalitätsstatus, antwortet sie: „Ich bin bis heute deutsche Staatsbürgerin geblieben; mein Mann ist natürlich Australier, und unsere beiden Söhne haben beide Staatsangehörigkeiten, weil sie in Australien von einer deutschen Mutter geboren wurden! Das ist aber für uns nur eine formale Angelegenheit; ich fühle mich nach wie vor als beides: Deutsche und Australierin. Doch wenn etwa bei großen Sportereignissen Australier mitwirken, fiebere ich natürlich für die Landsleute mit!“ Und ihre „family“? „Meine Jungs schätzen ihre Herkunft, wir waren ja auch schon m ehrfach gemeinsam in Europa und Deutschland zu Besuch. Als sie noch klein waren, haben wir uns einmal fast ein Jahr lang in Deutschland aufgehalten, da ist einer der beiden sogar eine Zeitlang hier zur Schule gegangen. Flensburg kennen die beiden natürlich auch gut, sie erinnern sich noch heute gern an die Besuche bei den Großeltern und Tante Inga in Mürwik!“
Karen und Craig wünschten sich ein komplette Familie, und beschlossen deshalb aufs Land zu ziehen, die gewünschten Kinder sollten später nicht so gern in einer Großstadt heranwachsen. Wohin die Reise gehen sollte, war schnell klar: Am liebsten in Craigs ursprüngliche Heimat, einen Ort namens Bacchus Marsh, rund 60 km westlich von Melbourne gelegen.
Es gelang den Shuggs tatsächlich, dort ein ländlich gelegenes Grundstück zu erwerben – mit rund 60.000 qm Landfläche – etwa 15 acres. Längst ist die Familie dort heimisch geworden, hat viele Freunde und Bekannte gewonnen, die Kinder sind dort herangewachsen und groß geworden. Während die Kinder klein waren, arbeitete Karen „nur“ als Hausfrau und Mutter, da war ihr Mann derjenige, der fürs Einkommen zuständig war – er arbeitet bei einer australischen Fluggesellschaft.
Nachdem die Söhne „aus dem Gröbsten“ rausgewachsen waren, hat Karen wieder angefangen zu arbeiten. Sie hat allerdings den Berufszweig gewechselt, eine Ausbildung zu einer Förderkraft und Alltagsbegleiterin von Schulkindern absolviert, und in dem neuen Beruf Arbeit ganz in der Nähe gefunden. „Der Job macht mir sehr viel Spaß, es ist immer wieder eine Freude, Kinder heranwachsen zu sehen und ihnen etwas mit auf den Weg geben zu können“, schätzt Karen ihren Beruf.
Das Leben auf dem Lande ist zwar anders als in der Großstadt, hat aber durchaus schöne und angenehme Seiten. „Man ist entspannter und gelassener, weiß die Natur viel mehr zu schätzen, und diese zu lieben. Die australische Fauna und Flora ist ja durchaus anders als die in Europa. Ich hätte mir als Kind und junges Mädchen nie träumen lassen, dass einmal Kängurus, Kakadus oder Echsen meinen Garten bevölkern würden – doch fühlen diese sich bei uns auf dem großflächigen Grund und Boden einfach zuhause, sind mittlerweile längst für mich ein gewohntes Bild, wenn ich etwa aus dem Küchenfenster schaue.“ Gern blickt sie dabei auch auf einen Baum, den seinerzeit Tante Inga bei ihrem Besuch in Australien von Karen und Craig geschenkt bekommen hat, und ihn umgehend auf dem Grund eingepflanzt hat. Der erwähnte Baum ist ein „bottle brush tree“, leuchtet feuerrot, und ist ein echter Hingucker. Der Kontakt zur Familie in Deutschland ist nie abgerissen, häufig wurde sich gegenseitig besucht.

Karens aktueller Deutschlandbesuch

Karens Mutter lebte seit vielen Jahren in der Nähe von Bielefeld, in Rheda-Wiedenbrück. Mutter und Tochter waren in ständigem Kontakt, das Internet gibt es längst her – neben Telefon und diversen anderen Kanälen, miteinander günstig zu kommunizieren. So bekam Karen natürlich im Laufe des letzten Jahres mit, dass die Gesundheit ihrer mittlerweile doch betagt gewordenen Mutter immer mehr zu wünschen übrig ließ. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Craig wollte sie die Mutter noch im Jahr 2021 erneut besuchen und sich eine Zeitlang um sie kümmern. Die Reisevorbereitungen waren schon ziemlich weit vorangeschritten, Anfang Dezember sollte es losgehen, doch dann kam den Shuggs die Corona-Pandemie dazwischen: Ursprünglich wollte Craig seine Frau einen Monat lang begleiten, hatte sich schon bei seinem Arbeitgeber die nötigen Wochen freigenommen, doch als die neue Corona-Variante Omikron sich rasend ausbreitete, war ihm die Reise ins ferne Europa unter den Umständen doch zu heikel, er fürchtete, dass man ihn möglicherweise später nicht so ohne Weiteres wieder in Australien einreisen lassen würde. So sagte er schweren Herzens ab, Karen flog allein nach Deutschland.
„Ich bin froh, dass ich die letzten Wochen und Monate mit meiner Mutter verbringen durfte. Sie wurde schwächer und schwächer, bis sie schließlich friedlich einschlief. Natürlich bin sehr traurig über den Tod meiner geliebten Mutter – doch ich durfte sie auf ihren letzten Schritten in diesem Leben begleiten. Das ist mir sehr viel wert, und ich konnte mich in Ruhe und Frieden von ihr verabschieden“, erzählt Karen gefasst.
Vor einigen Tagen fand die Trauerfeier statt, Karen blieb noch solange an Mutters letztem Wohnort, um alles Erforderliche regeln zu können. Einige Tage wird Karen noch bei ihren Familienangehörigen hierzulande verbringen, ehe es in der letzten März-Dekade per Flugzeug zurück nach Hause, nach Australien, für sie gehen wird. „Das wird eine ziemlich anstrengende Tour, frühmorgens – nach erfolgreichem PCR-Test – mit dem Zubringer von Düsseldorf nach Frankfurt, dann von Frankfurt mit Singapore Airlines nach Singapur, und schließlich die letzte Etappe aus der asiatischen Metropole nach Melbourne!“ Sie kennt die Route längst zur Genüge, ist dann aber auch froh, wenn sie endlich wieder australischen Boden betreten und ihre Liebsten in die Arme schließen kann!

Deutsche und Australier – verschiedene Mentalitäten?

Was unterscheidet Deutsche von Australiern? Karen überlegt, lässt sich Zeit mit einer Antwort. „Die Deutschen sind genauer, penibler, halten sich viel eher und häufiger an vorgegebene Regeln. Die Aussies sind dagegen entspannter, lässiger, auch kontaktfreudiger. Letzteres hat vielleicht mit dem Duzen zu tun, im Englischen ist jeder „you“, das Ansprechen und Fragenstellen fällt einfach leichter.“ Beispiele? „Deutsche bleiben bei roten Ampeln stehen – auch wenn weit und breit kein anderer zu sehen ist. Ähnliches gilt für die Leinenpflicht für Hunde, bei Nichtbefolgen wird man gleich auf sein Fehlverhalten hingewiesen“, schmunzelt Karen. „Andererseits kann die Lässigkeit der Aussies einen aber auch nerven, manchmal würde man sich schon eine gewisse Ernsthaftigkeit wünschen“, weiß sie aus eigener Erfahrung. „Doch sind die Unterschiede oft gar nicht sooo groß – es gibt überall auf der Welt eben solche und solche Menschen!“
„Meine australischen Freunde beneiden mich, wenn ich von Deutschland erzähle und Fotos und Schnappschüsse herumzeige; sie sind ganz begeistert von meinen Flensburg-Fotos, die mittelalterlichen Häuser in der Innenstadt, Kopfsteinpflaster – für sie ist ein Hauch der langen Geschichte dieser Stadt darin sichtbar. Umgekehrt beneiden mich die Deutschen um das Leben in Australien, die tollen Ozeane, die Artenvielfalt, die Weite des Kontinents.“
Welche typisch deutschen Eigenarten hast Du Dir in „down under“ bewahrt? „Nun, insbesondere das Weihnachtsfest mit seinen Traditionen lebt in meiner Familie weiter! Auch wenn Ende Dezember in Australien Hochsommer herrscht – mit entsprechenden Temperaturen – wird Weihnachten wie früher gefeiert; ich kümmere mich um unser Festmahl, mit Rotkohl und Klößen, was beides dort gar nicht so leicht zu besorgen ist. Mein Mann Craig ist für den Glühwein zuständig. Auch der Tannenbaum und Geschenke gehören dazu!“
Und Karen ergänzt: „Wir halten das Deutschtum jetzt nicht speziell stets hoch, freuen uns aber immer, wenn wir mal die Sprache hören, oder mal zufällig auf deutschsprechende Menschen treffen. Daneben bleiben wir durch unsere guten Kontakte nach Deutschland immer über Ereignisse auf dem alten Kontinent auf dem Laufenden.“
Das Flensburg Journal bedankt sich bei Karen für ein hochinteressantes und sehr entspanntes Gespräch – wäre schön, später mal wieder voneinander zu hören!

Mit Karen schnackte Peter Feuerschütz.
Fotos: B. Nolte, privat

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