Im Interview mit Landschaftsplaner Christian Hagge über ausgleichende Gerechtigkeit, Lebensqualität und den aktuellen Wettbewerb zum naturnahen Gärtnern
Erstmalig sucht die Stadt Flensburg in diesem Jahr das Natur-Talent 2025. Mit einer neuen Castingshow für Flensburger, die über außergewöhnliche angeborene Fähigkeiten verfügen, hat dies allerdings wenig zu tun. Bei diesem Wettbewerb wird der „Super-Star“ im Natur-Gärtnern gesucht. Mitmachen können alle Flensburger, die Gärten, Grünflächen, Kleingärten, Innenhöfe oder auf Dachgärten naturnahe Grünoasen gestalten. Dazu zählen auch Fassaden- oder Dachbegrünungen.
Auf die Teilnehmer warten viele attraktive Preise, die sie abstauben können und auf den Erstplatzierten zusätzlich die Auszeichnung der Stadt. Durchgeführt wird der Wettbewerb vom städtischen Landschaftsplaner Christian Hagge mit Unterstützung des ehemaligen Naturschutzbaufragten der Stadt Jürgen Maßheimer. Was es mit dem Wettbewerb auf sich hat, der auch von vielen ortsansässigen Unternehmen und Institutionen unterstützt wird, wollten wir von Hagge persönlich wissen.
FJ: Herr Hagge: Warum veranstaltet die Stadt einen Wettbewerb im Naturgärtnern?
Moin. Bei unserem Wettbewerb handelt es sich um eine Maßnahme, die wir im Rahmen unserer städtischen Mitgliedschaft im Verein „Kommunen für biologische Vielfalt“ ergreifen. Flensburg hat 2024 beschlossen, sich in diesem Bereich zu engagieren, da die internationalen und nationalen Bemühungen, den Verlust der biologischen Vielfalt zu verlangsamen oder gar zu stoppen erwiesenermaßen einfach nicht ausreichen. Zudem gab es den politischen Beschluss diesen Wettbewerb durchzuführen, um naturnahe Gärten zu fördern.
Wie soll der Wettbewerb dazu beitragen?
Mit dem Wettbewerb möchten wir Natur-Oasen, die vielleicht hinter so manchem Reihenhausgarten, Innenhof oder auch Schrebergarten im Verborgenen schlummern, ans Tageslicht bringen. Wir möchten diese Gärten und die Menschen, die sie erschaffen haben, in den Fokus rücken. Sie sind Vorbilder und verdienen unsere Anerkennung. Gleichzeitig hoffen wir, andere Flensburger für diese umweltfreundliche Art zu gärtnern zu begeistern, indem wir zeigen, wie idyllisch so ein Garten aussehen kann, von dem nicht nur Wildbienen, Amseln und Igel profitieren, sondern letzten Endes in hohem Maße auch die Gärtner selbst. Auch wenn es vielleicht unbedeutend klingt, aber jedes Stück Land, jede Fassade, die naturnah gestaltet wird, zählt.
Warum sind Sie als Landschaftsplaner mit diesem Wettbewerb betraut?
Gute Frage! Als Landschaftsplaner sind wir sozusagen Anwälte von Natur und Landschaft. Wir sorgen für ausgleichende Gerechtigkeit im städtischen Stadtgebiet. Wir arbeiten mit Ausgleichsflächen und Öko-Konten, also Flächen die naturnah gestaltet werden müssen. Solche Flächen sind dann notwendig, wenn durch Bauvorhaben in die Umwelt eingegriffen wird. Am besten ist es natürlich, das zu vermeiden, aber manchmal ist es nötig. Dann kompensieren wir z. B. durch das Befreien von Bächen aus Rohrkorsetts oder wandeln artenarme Äcker in Wiesen um. Diese bieten das ganze Jahr Lebensraum und Nahrung für Insekten, Vögel und Säugetiere. Beispiel wäre hier der Bau der Osttangente und das Anlegen von Öko-Konten im Scherrebektal, Sünderup und in Tarup.
Ok, Bäche befreien klingt spannend. Was aber können wir als Gärtner von relativ kleinen Grünflächen tun?
Wir können Nisthilfen und Verstecke für Bienen, Vögel, Fledermäuse oder Igel anbieten. Dazu findet man Bauanleitungen bei Naturschutzverbänden wie NABU oder auch fertige Produkte im lokalen Einzelhandel in unserer schönen Innenstadt. Wir können Blühpflanzen in unseren Gärten ansiedeln und Obstgehölze pflanzen sowie Blumen und Gehölze, die übers ganze Jahr Nahrung liefern. Dazu gehören auch Blumenwiesen statt Rasen, Baum-Efeu als Beispiel für einen späten Nektarlieferanten, das Stehenlassen von Samenständen von verblühten Blumen und Strukturen wie Totholz oder auch Laubhaufen, die Nahrung und Unterschlupf für verschiedene Tiere bieten.
Sie sprachen die Lebensqualität des Gärtners selbst an? Ist es nicht anstrengend, wenn es so viel zu beachten gibt?
Im Grunde ist es sogar viel weniger aufwendig als einen englischen Rasen zu pflegen oder einen sterilen Schottergarten zu betreiben, der hier in Flensburg übrigens sogar verboten ist. Naturgärtnern ist „Gärtnern für Faule“ habe ich mal gehört. Gärtnern für mehr Genuss und Gelassenheit oder Leib und Seele würde ich es nennen.
Statt zum Beispiel ständig Rasen und Gartenabfälle zum Recyclinghof zu fahren, macht man nur hin und wieder ein kleines „Workout“ im Garten, das dafür sorgt, dass man noch Wege im Rasen hat. Oder die Stauden erst im späten Frühjahr zurückzuschneiden, damit sie dann wieder durchtreiben. Dann kann man im Winter sehen, wie schön ist es, wenn der Raureif die trockenen Staudenblüten zu einer Winterblüte verzaubert.
Und während die Bio-Masse der Pflanzen über den Winter hin von selbst schwindet, während Schmetterlingseier an den stehen gelassenen Halmen überdauern können, müssen wir im nächsten Frühjahr weniger Reste auf den Kompost befördern. So kann die nächste Generation Schmetterlinge, die als Raupen schlüpfen, Jungvögeln als Nahrung dienen oder uns dann im Sommer wieder als Schmetterling mit einem Besuch im Garten erfreuen. Auch der Dompfaff findet an den Pflanzenresten auf natürlichem Wege die Samen mit denen er den Winter überlebt. Das ist doch wirklich eine Art zu gärtnern, bei der alle nur gewinnen.
Also wer naturgärtnert, hat schon gewonnen?
Sozusagen. Aber wir würden uns natürlich freuen, wenn man trotzdem mitmacht. Denn es wird nicht nur der Erstplatzierte prämiert. Auch unter den weiteren Teilnehmern, die sich vielleicht erst auf den Weg machen, verlosen wir viele attraktive Preise, die das Gärtnerherz höherschlagen lassen. Derzeit im Gespräch sind Obstgehölze, Stauden, Beratung durch eine professionelle Gartenplanerin, 300 Euro Geldprämie u. v. m.. Wir freuen uns auf Bewerbungen im September.

Weitere Informationen zum Wettbewerb und den vielen Sponsoren finden Sie auf www.flensburg-mitmachen.de.