Die junge Flensburger Generation weiß mit der Bezeichnung Freihafen vermutlich nicht sehr viel anzufangen, die älteren Flensburger schon. Freihäfen gab es in vielen Städten, in denen Handelsverkehr mit und durch Schiffe erfolgte. Freihäfen sind zollfreie Gebiete an Wasserwegen. Im Binnenland wurden sie Freizone/Freilager genannt, in denen keine Zölle und heute auch keine Umsatzsteuern erhoben werden. Der Freihafen Flensburg verläuft parallel zur Straße Kielseng.
Im Juli 1915 wurde das Gelände der Stadt Flensburg zur Verfügung gestellt. Im September 1915 verhandelte man mit der Gelsenkirchener Bergwerks AG zwecks Errichtung einer Schiffswerft auf dem Gelände und schloss einen Vertrag. Infolge des Ersten Weltkriegs 1914-1918 trat die Gesellschaft vom Vertrag zurück.
Mit den Abgrabungsarbeiten am Kielsenger Steilufer begann man im Winter 1919/20. Sie waren im Sommer 1921 fertiggestellt. Danach erfolgte die Ausbaggerung der Hafenfläche und wurde auf die umliegende Fläche und zum Teil in Solitüde zu einem neuen Badestrand aufgespült. Die Ausbaggerung war Ende 1922 beendet. In Kielseng entstand eine 450 Meter lange Ufermauer aus Eisenbeton und Eisenbetonpfählen.
Zunächst war eine Wassertiefe von 6,5 Metern vorgesehen. Durch die Konstruktion der Mauer konnte die Wassertiefe auf 8,5 Meter erweitert werden. Die Anbindung des Freihafens zur Stadt erfolgte durch die Verlängerung der Ballastbrücke bis Kielseng.
Für den Getreidehandel der Flensburger Kaufleute mit den nordischen Ländern wurde ein Getreidespeicher – mit Rotklinker verkleidet – gebaut, der für Lagerzwecke und zur Herstellung von Futterschrot und Saatgetreide diente.
Der Speicher hatte sechs Lagerböden und von der Kellersohle bis zum Dachfirst eine Höhe von 40,3 Metern. Durch einen unterirdischen Kanal gelangte das Getreide über ein Förderband und Becherwerke in die Silozellen. Außerdem befand sich im Silo
eine Fahrstuhlanlage für Personen- und Warenverkehr.
Für die Schiffsbeladung aus dem Speicher und die Beladung von Schiff zu Schiff war außen ein Verladerohr mit zwei Gittermasken angebracht. Außerdem war an den Gittermasken ein Ladebaum zum Be- und Entladen der Schiffe mit Säcken angebracht. Im Erdgeschoss des Speichers befand sich eine Wandlerstation, in der 5000 Volt Hochspannung von den Stadtwerken, über ein Seekabel durch den Hafen kommend, in 380 Volt Niederspannung umgewandelt wurde.
Der Freihafenbereich war außerdem ans Eisenbahnschienennetz angeschlossen, um Güter von und zum Freihafen ins Land zu transportieren. Außer dem hohen Silo wurde ein zweigeschossiges Lagerhaus für länger zu lagernde Güter von 30 Meter Breite und 80 Meter Länge gebaut. Es hatte ein Fassungsvermögen von 4000 Tonnen. In dem Gebäude befanden sich zudem Büro- und Aufenthalts- und Toilettenräume. An den Flensburger Freihafen habe ich eine besondere Erinnerung. 1945 flüchtete meine Mutter mit meinem sechs Monate alten Bruder und mir, neun Jahre alt, mit dem Schiff von Königsberg/Ostpreußen. Am 07. Mai 1945 sollte das Schiff, die „Oceana“, ein ehemaliges Passagierschiff, überladen mit Flüchtlingen, in Apenrade/Dänemark einlaufen. Dänemark nahm keine Flüchtlinge mehr auf. Am 08. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation, machte das Schiff im Flensburger Freihafen fest. Am nächsten Tag mussten auf Anweisung der englischen Militärregierung alle Flüchtlinge das Schiff verlassen. Meine Mutter mit meinem kleinen Bruder im Kinderwagen und ich standen im Freihafen und wussten nicht, wohin.

Text: Kurt Tomaschewski
Bilder: Kurt Tomaschewski, Archiv Stadt Flensburg

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