Inzwischen haben bereits viele sowohl ältere als auch jüngere Menschen Vorsorgevollmachten errichtet, mit denen sie Ehepartner oder Familienangehörige bevollmächtigen, für sie zu handeln, für den Fall, dass sie aufgrund von Bewusstlosigkeit, Krankheit, Demenz bzw. Alzheimer oder infolge von Geschäftsunfähigkeit nicht mehr in der Lage sind, selbst zu handeln, um erforderliche Verträge abzuschließen.
Ein typischer Anwendungsfall für den Gebrauch von Vorsorgevollmachten in Vermögenssachen, insbesondere in Grundstücksangelegenheiten, liegt beispielsweise vor, wenn ein alter, verwitweter Mensch infolge körperlicher Gebrechen und/oder Demenz nicht mehr alleine in seinem Haus leben kann und in Betreutes Wohnen oder eine Seniorenresidenz umziehen muss, um dort seinen Lebensabend zu verbringen.
Oft steht sein Haus, in dem er zeit seines Lebens gelebt hatte, dann leer, wird nicht mehr gelüftet und nicht mehr gepflegt, was dem Zustand des Hauses schadet. Auch laufen die Kosten für Versicherungen und Gebühren weiter, obwohl keiner das Haus nutzt. In dieser Situation wird von den Angehörigen bzw. Vorsorgebevollmächtigten überlegt, das Haus zu verkaufen. Uns wird dann nur eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht, ggf. auch ein unterschriebener Ausdruck aus dem Internet, vorgelegt, mit dem Hinweis, mittels dieser Vollmacht könne man das Haus verkaufen.
Viele „fallen dann aus allen Wolken“, wenn wir ihnen erklären müssen, dass dies nicht reicht, dass für Grundstücks- und Immobilienverkäufe zwingend notariell beurkundete, zumindest jedenfalls notariell beglaubigte Vorsorgevollmachten vorliegen müssen.
Es beginnt dann der Weg zum Gericht:
Zunächst muss ein Betreuer bestellt werden. Dies wird oft der Familienangehörige sein, der die privatschriftliche Vorsorgevollmacht hat. Zusätzlich muss der Hausverkauf gerichtlich genehmigt werden. In der Regel muss dafür vorab ein Sachverständigengutachten über den Wert der Immobilie erstellt werden, um den Verkauf zu dem entsprechenden Kaufpreis zu rechtfertigen und die gerichtliche Genehmigung zu erhalten.
Durch das neue seit dem 01.01.2023 geltende Betreuungsrecht sind nun noch weitergehende Prüfungen durch das Betreuungsgericht erforderlich: So soll die gerichtliche Aufsicht noch stärker auf die Ermittlung der Wünsche des Betreuten als zentralem Maßstab ausgerichtet werden. Von diesen Wünschen darf auch nicht abgewichen werden, nur weil sie, von außen betrachtet, unvernünftig erscheinen. Ausgehend von diesen Grundsätzen, die natürlich sehr zu begrüßen sind, gibt es aber Schwierigkeiten, wenn es um die Erforschung des Willens und die Entscheidungskompetenz bei dementen, an Alzheimer erkrankten und geschäftsunfähigen Personen geht:
Dann ist der Wunsch eines Betreuten, dass sein Haus nicht verkauft werden soll, möglicherweise nicht Ausfluss seines Selbstbestimmungsrechtes, sondern ein Ausfluss seiner Demenz, seiner Krankheit, weil er nicht mehr weiß, dass sein Haus schon seit Jahren leer steht, nicht mehr genutzt wird, sein Ehegatte vorverstorben ist und er krankheitsbedingt durch die fortgeschrittene Demenz nie mehr in sein Haus zurückkehren wird, obwohl er selbst – je nachdem in welchem Stadium er sich befindet – meint, er sei nur im Urlaub. Wie soll da die Anhörung des Betreuten zu seinen Wünschen durch eine ihm fremde Person möglich sein? Welche „Herkulesaufgabe“ Verfahrenspfleger, Rechtspfleger und Richter zu meistern haben, um in solchen Situationen den tatsächlichen oder mutmaßlichen Wunsch des Betreuten zu ermitteln, dies wird sich in der Praxis zukünftig zeigen.
Wenn der alte Mensch sagt, er wolle nach Hause, dort Kartoffeln pflanzen und seine Frau besuchen, obwohl seine Frau bereits seit Jahren tot ist und das Haus wegen Leerstands Stück für Stück verfällt, soll/muss das Gericht dann diesem Wunsch entsprechen und die betreuungsgerichtliche Genehmigung zum Hausverkauf versagen?
Darum sollte sich jeder rechtzeitig intensiv mit der Erstellung einer Vorsorgevollmacht auseinandersetzen und prüfen, ob er eine notariell beurkundete bzw. notariell beglaubigte Vorsorgevollmacht benötigt. Nur damit kann das vorbenannte Procedere umgangen werden. Voraussetzung hierfür ist immer, dass ich demjenigen, dem ich die Vorsorgevollmacht erteile, auch zu 100 % vertraue und mir sicher bin, dass er auch später entsprechend meinen wirklichen Wünschen handelt. Am besten rede ich mit ihm darüber zu einem frühen Zeitpunkt: Was soll mit meinem Haus geschehen, wenn ich dort nicht mehr leben kann … ?

Ulrike Czubayko, Rechtsanwältin und Notarin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Familienrecht in der Kanzlei KH&S Dr. Kruse, Hansen & Sielaff Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Rechtsanwälte, Fachanwälte, Notare, Stuhrsallee 35, 24937 Flensburg, Tel. 0461-520770

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