Der Terminkalender füllte sich schnell. Gerade erst war Susanne Schäfer-Quäck von der Flensburger Ratsversammlung zur neuen Stadtpräsidentin gewählt worden, da hatte sie für den Tag darauf schon eine Einladung zum Sommerempfang der Stadt Schleswig vorliegen. Und am ersten Sonntag ihrer Amtszeit feierte ein Sportgeschäft sein 125-jähriges Bestehen – mit einer Fahrt auf dem Salondampfer „Alexandra“. Bei Sonnenschein zeigte sich die Fördestadt von ihrer besten Schokoladenseite. „Es passte gut, dass dieser Termin am Vormittag war“, schmunzelt die oberste Repräsentantin Flensburgs. „Denn am Nachmittag wartete bereits meine Enkelin auf einem Feld und wollte mit mir unbedingt Erdbeeren pflücken.“ Keine Frage: Susanne Schäfer-Quäck kombiniert Familie, Beruf und Politik – und das seit Dekaden.
Erst vor wenigen Tagen hat sie ihr neues Dienstzimmer bezogen. Wenn der Gast vom Neumarkt über den Hintereingang ins Rathaus kommt, dann muss er nur zwei Treppen hoch und links am Ratssaal vorbei, um in einen Gang zu gelangen, der auch so etwas wie eine Bildergalerie ist. An der Wand hängen die Portraits der früheren Stadtpräsidenten. Etwa auf der Hälfte dieses begehbaren Foto-Albums befindet sich das Sekretariat der Stadtpräsidentin, eine Tür weiter sitzt Susanne Schäfer-Quäck. Was ihre Wahl so bemerkenswert macht: Sie ist erst die dritte Frau und sogar das erste Mitglied der dänischen Minderheit seit 1962 in diesem Amt. Johan Wrang heißt der Ahne, zu dem allerdings nur ausgewiefte Stadthistoriker weitere Details besitzen. Er führte auch nur ein Jahr lang die Ratsversammlung. Damals war das heutige Rathaus noch eine Baustelle, während die neue Stadtpräsidentin noch nicht einmal über den Tisch gucken konnte und allzu gerne bei ihrem Vater auf dem Schoß saß.

Jetzt hat das kleine Mädchen der 60er Jahre das höchste Ehrenamt der Stadt übernommen. „Ich freue mich sehr auf die neuen Aufgaben als Vertreterin der Flensburgerinnen und Flensburger und als Vorsitzende der Ratsversammlung“, erklärte Susanne Schäfer-Quäck zum Auftakt ihrer Amtszeit. „Es ist mir wichtig, dass alle gehört werden und auch fühlen, dass sie von mir vertreten werden.“

Von der Waitzstraße nach Mürwik

Sie ist ein waschechter Flensburger Kopf und wurde im Februar 1960 in der Diako geboren. Die Familie Schäfer wohnte damals in der Waitzstraße in einem Hinterhof. Man kann sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen, dass sich zwei Erwachsene und drei Kinder mit einer Zwei-Zimmer-Wohnung begnügen mussten. 1970 erfolgte der Umzug nach Mürwik, in den Stadtteil, dem Susanne Schäfer-Quäck bis heute die Treue gehalten hat. „Unser neues Zuhause war für uns wie ein Schloss“, verrät sie. „Mein Bruder hatte nun ein Zimmer für sich allein, ein anderes teilten sich meine Schwester und ich.“ Ein etwas weiterer Weg war es zur Gustav-Johannsen-Skolen in der Eckener Straße. Jeden Tag ging es auf die andere Seite der Förde und zurück. „Da war immer etwas zu fahren, aber das passte gut“, verrät die 63-Jährige mit einem Augenzwinkern. „Meine Hausaufgaben schaffte ich immer im Bus.“
Nach der Mittleren Reife begann sie eine Ausbildung zur Büroangestellten. Es war allerdings gar nicht so einfach, eine Lehrstelle zu finden. Bei einem Schiffsmakler hatte die junge Frau schließlich Glück. Sie war durchaus beeindruckt von den markanten Kähnen, die den Flensburger Hafen anliefen. Und in Zeiten ohne Handy und Internet kam es auch mal vor, dass zwei Kapitäne gleichzeitig über den Küstenfunk anriefen und im Büro die Telefone zusammengehalten wurden, damit die Schiffsführer miteinander kommunizieren konnten.

Vom Schiff zum Kraftfahrzeug

Nach der Ausbildung fand die Absolventin kurz eine Anstellung beim Amtsgericht. „Das war nicht so prickelnd, da mir nur eine Halbtagsstelle angeboten wurde“, erzählt Susanne Schäfer-Quäck. Sie wollte mehr. Und beim Kraftfahrtbundesamt bot man ihr Vollzeit. Inzwischen ist sie seit über 40 Jahren beim wohl bekanntesten Flensburger Arbeitgeber. Einst dominierte die mechanische Schreibmaschine, später kamen der Schreibautomat und der Computer. Nun ist das Home-Office die liebgewonnene Alternative. An drei der fünf Werktage muss Susanne Schäfer-Quäck gar nicht mehr zum KBA. „Zuhause schafft man mehr“, sagt sie. Sie gehört der Abteilung „Typengenehmigung“ an.
Privat tat sich vor allem in den späten 70er und Anfang der 80er Jahre viel. Schon mit 15 Jahren lernte sie Michael Quäck kennen. Zunächst war er der Freund, im Alter von 20 Jahren bereits der Ehemann. Leider verunglückte er 2009 tödlich. Bei der standesamtlichen Trauung hatte das junge Paar für Irritationen gesorgt. Susanne Schäfer-Quäck hatte sich für einen Doppelnamen entschieden, was damals in Dänemark durchaus gängig war, bei den Flensburger Beamten aber eine „Zusatzschicht“ auslöste. Bald kamen die beiden Töchter Jasmina und Sarina zur Welt. Susanne Schäfer-Quäck ging in Mutterschutz und arbeitete seit den Geburten der beiden Mädchen nur noch Teilzeit. 1990 wurde gebaut, in Mürwik entstand ein Einfamilienhaus.

Anfänge in der Kommunalpolitik

Es war die Phase, in der ein größeres Interesse für die Kommunalpolitik aufflammte. Sobald Susanne Schäfer-Quäck volljährig gewesen war, wurde sie Mitglied in den dänischen Organisationen SSF und SSW. Rund eine Dekade später machte sie die ersten Schritte im Mürwiker SSW-Ortsbeirat. Die fehlende Osttangente war damals der lokalpolitische Dauerbrenner. Und wenn am Volkspark etliche Schrebergärten für eine Wohnbebauung geopfert werden sollten, wurde auch mal die Parteibasis einberufen. 1991 rückte der SSW-Neuling als bürgerliches Mitglied in den Frauenausschuss, der heutzutage als Gleichstellungsausschuss firmiert. Wenige Monate vor der Kommunalwahl 1994 erhielt die junge Frau einen Anruf vom SSW-Fraktionsvorsitzenden Rolf Lehfeldt: Ob sie als Direktkandidatin antreten würde? Völlig unbekümmert versuchte es Susanne Schäfer-Quäck sogar dort, wo sie wohnte – obwohl ihr die Kenner davon abrieten: „Da ist es aussichtlos, der Wahlkreis ist total schwarz.“ Kurzum: Der Listenplatz war gut genug – und die neue SSW-Kraft zog in den Stadtrat ein. Einen allzu großen Sprung nahm sie nicht wahr. „Im SSW werden die Bürgerlichen immer sehr gut aufgenommen, wir waren immer ein Team“, betont Susanne Schäfer-Quäck. „Außerdem hatten die Vorlagen nicht mehr als zwei Seiten, und Mehrheiten ließen sich bei nur drei weiteren Fraktionen viel besser finden als heute.“
Fast zeitgleich zu den kommunalpolitischen Anfängen geriet der Sport, der zum Flensburger Alltag gehört, in den Fokus der Familie. Die Töchter spielten Handball bei DGF Flensborg, der Bruder war Mitglied eines Fan-Clubs der SG Flensburg-Handewitt. Die logischen Konsequenzen für Susanne Schäfer-Quäck: Sie schaute sich die Spiele der Töchter an, wurde zur Jahrtausendwende sogar Vorsitzende der DGF-Handballabteilung und stieg als Zuschauerin in die Bundesliga auf. Bestens kann sie sich an eine Auswärtstour nach Kolding erinnern, als ein Däne der SG etliche Mal den Ball in die Maschen zauberte. Es war Lars Christiansen, der wenige Monate später nach Flensburg wechselte und zum erfolgreichsten Torjäger der Vereinsgeschichte avancierte. „Inzwischen habe ich meine Dauerkarte abgegeben“, erzählt Su­sanne Schäfer-Quäck. „Ich musste zu oft wegen einer Sitzung in der Politik meine Karte verschenken, sodass ich es irgendwann ganz sein ließ.“

Sozialausschuss und Fraktionsvorsitz

Jugendhilfe sowie Kultur prägten die politische Agenda – und immer mehr der Sozialausschuss. Ab 2000 fungierte sie schließlich als Vorsitzende dieses Gremiums. Es drehte sich viel um Pflegeheime, um die Etablierung eines psychosozialen Krisendienstes, um kostenlose Verhütung für sozial Schwächere, um die „Frühen Hilfen“ für werdende Eltern oder auch darum, die Sanierung dänischer Schulen im Haushalt zu verankern. Der Grundsatz: „Wir sind für die Menschen da und nicht für eine Partei.“
2011, mitten in der Wahlperiode, übernahm Susanne Schäfer-Quäck von Gerd Bethge den Fraktionsvorsitz. Der SSW war so etwas wie eine Oase im großen Rathaus. „Bei uns herrschte schon damals Harmonie und Humor“, erklärt die Parteichefin. „Auch wenn die Einzelnen eher konservativ, sozial oder grün denken, verbindet uns alle das Fundament der dänischen Minderheit.“ In den internen Sitzungen wird Dänisch gesprochen, im Stadtrat und in den Ausschüssen natürlich Deutsch. Und mit der anderen Sprache wehte offenbar ein ganz anderer Wind. Das politische Klima hatte sich in den letzten Jahren gewandelt. „Früher konnte man telefonisch, per E-Mail oder bei einem Treffen schnell abschätzen, ob ein Antrag die Mehrheit bekommen könnte“, beschreibt die Stadtpräsidentin. „Zuletzt waren Mehrheitsbildungen kaum noch möglich. Für die Bevölkerung sah das merkwürdig aus, und die Verwaltung schien mir verunsichert.“ Hoffnungsvoll ist sie, dass die neue Wahlperiode wieder an eine bessere Vergangenheit anknüpft. Durch eine Reform wurde die Zahl der Fraktionen von neun auf vier reduziert, während das Wahlergebnis dem SSW und den Grünen zusammen die Hälfte der Sitze bescherte.

Trost-Teddys und Familie

Wenn Susanne Schäfer-Quäck nach den oft anstrengenden Sitzungen nach Hause kommt, schaltet sie gerne den Fernseher an. „Ich kann aber nicht so einfach vor dem Bildschirm hocken“, verrät sie. „Ich hole dann mein Strickzeug heraus und lege los.“ Am liebsten bastelt sie Trost-Teddys für die Diako. „Das läuft aber nicht in der Einzelproduktion, sondern eher als Massenfertigung“, schmunzelt sie. „Zunächst geht es an die Grundlagen, dann wird alles zusammengestellt und die Teddys ausgestopft, ehe als Letztes die Gesichter an der Reihe sind.“
Die Stadtpräsidentin bezeichnet sich als Familienmensch. Mit leuchtenden Augen erzählt sie von ihren zwei erwachsenen Töchtern und zwei sehr süßen Enkelkindern. Der Sonntag ist zumeist der Besuchstag. Ein familiärer Höhepunkt war ihr 60. Geburtstag, als alle gemeinsam zu einer Kreuzfahrt in den Persischen Golf aufbrachen. Es war Februar 2020, als allmählich die Corona-Pandemie aufzog. „In den Terminals wurde bereits Fieber bei den Passagieren und der Besatzung gemessen“, berichtet Susanne Schäfer-Quäck. „Und vor den Restaurantbesuchen wurden alle zum gründlichen Händewaschen ermahnt.“ Als nächste Tour sind wohl die britischen Inseln an der Reihe. Sie hat Kreuzfahrten für sich als die sicherste Reiseoption erkannt. „Bei den gebuchten Ausflügen bin ich nicht allein, und in jeder Stadt und in jedem Land habe ich ein eigenes Zimmer.“

Die Folgen der jüngsten Kommunalwahl

Dass sie nun Stadtpräsidentin ist, war im Herbst nicht unbedingt abzusehen. Zwar ergatterte Susanne Schäfer-Quäck im Herbst zum dritten Mal in Folge den ersten Listenplatz beim SSW, aber nur schwer waren die politischen Präferenzen der Bevölkerung auszuloten. Der eigene Wahlkreis sechs ging knapp verloren, dafür schoss der Balken für den SSW immer höher. „Ich habe mich so über unser Wahlergebnis gefreut, dass es für mich von untergeordneter Bedeutung war, dass ich selbst rausgefallen bin“, sagte die da noch amtierende Fraktionschefin.
Die Partei der dänischen Minderheit hatte elf Sitze gewonnen – alle direkt. Als eine Parteifreundin, völlig überrascht vom eigenen Erfolg, auf ihr Mandat verzichtete, reichte der erste Listenplatz doch für den Einzug in den neuen Stadtrat. Und nur wenige Tage später nutzte der SSW sein Vorschlagsrecht bei der Kür zur neuen Stadtpräsidentin.
„Susanne Schäfer-Quäck ist eine erfahrene Politikerin, gehört dem Rat seit vielen Jahren an und kennt unsere Stadt in all ihren Facetten“, erklärte der neue SSW-Fraktionsvorsitzender Martin Lorenzen. „Sie wird eine starke, würdige und ausgleichende Vertreterin der Ratsversammlung und der Flensburgerinnen und Flensburger sein.“
Mitte Juni wurde die Kandidatin schließlich gewählt – mit 39 der 40 abgegebenen Stimmen. „Ich wünsche mir eine sachliche und konstruktive Zusammenarbeit im Rat, die unsere schöne Stadt in den nächsten Jahren voranbringt“, sagte die neue Stadtpräsidentin zu ihrem Antritt. Sie hat viele repräsentative Aufgaben, ein Büro und einen gut gefüllten Terminkalender. Dennoch glaubt sie, dass sich ihr persönliches Zeitbudget kaum verändern wird. „Es könnte sich die Waage halten“, meint Susanne Schäfer-Quäck. „Vorher hatte alle 14 Tage der Hauptausschuss gerufen, und ich war als SSW-Fraktionsvorsitzende gefordert.“ Nun diktieren offizielle Anlässe, der Ältestenrat und die Ratsversammlung den Zeitplan.

Die Agenda der Stadtpolitik

Bei dem eingangs erwähnten Törn mit der „Alexandra“ war der Hafen die prägende Kulisse. Ausgerechnet der Hafen, über dessen Umgestaltung derzeit so vehement debattiert wird, der etliche Millionen kosten wird, und bei dem sich selbst die Ministerien in Kiel nicht einig sind, was genehmigt werden kann. Viel Raum in der Kommunalpolitik dürfte wohl auch die Mobilität einnehmen: ÖPNV, Fahrradwege und ein möglicher Grenzbahnhof. Ganz besonders im SSW-Fokus steht der Küstenschutz. „Experten rechnen uns vor, dass wir bald an 120 Tagen im Jahr mit Hochwasser rechnen müssen“, berichtet Susanne Schäfer-Quäck und erwähnt eine Exkursion nach Vejle. In der jütländischen Hafenstadt könne ein Park mit Sport- und Spielplätzen bei Bedarf in ein Rücklaufbecken verwandelt und geflutet werden. „Man muss nicht immer alles neu erfinden, man kann sich auch manche Dinge vom Nachbarn abschauen“, betont die Stadtpräsidentin, die sich auch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einsetzen möchte.


Text: Kirschner, Fotos: Kirschner, privat

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