31. Mai. 2014, Köln: Die SG Flensburg-Handewitt mischt im Champions-League-Konzert der besten vier Teams von Europa mit, hat gegen den FC Barcelona einen Sechs-Tore-Rückstand wettgemacht und erreicht vor 20.000 begeisterten Zuschauern das Siebenmeterwerfen. Dann ist es Hampus Wanne, der zum womöglich entscheidenden Siebenmeter antritt. „Ich habe einen klaren Vorteil“, denkt sich der Schwede. „Torwart Danijel Saric kennt mich nicht, aber ich ihn aus vielen Videos. Deshalb kann ich nur gewinnen.“ Er entscheidet sich für einen coolen Leger.

Was dann folgt, ist epochaler Jubel. Die Mitspieler stürzen in Sekunden-Bruchteilen auf Hampus Wanne zu. Ein Gedanke durchzuckt ihn: „Ich muss erst einmal meinen Bauch und den Rücken etwas festigen, ich habe ja eine Blessur am Wirbel.“ Am nächsten Tag soll ja auch noch das letztendlich siegreiche Endspiel gegen den THW Kiel bestritten werden. Der Links-außen setzt sich kurz auf die Knie, empfängt dann die Teamkameraden und lässt sich hochleben. Ein Jahr später ist Hampus Wanne besser auf die Situation vorbereitet, als er im DHB-Pokal erneut zur Entscheidung antreten muss: Siebenmeterwerfen gegen den SC Magdeburg. Der Schütze widersteht dem Druck, verwandelt und wird als „König Hampus“ gekrönt. „Ich bin stolz“, sagt er, „dass man mir diesen Teil der SG Geschichte nie mehr wegnehmen kann.“

Hampus Wanne hat weit mehr Treffer aus dem Spiel erzielt, doch wohl kaum jemand hat die beiden Siebenmeter vergessen, die inzwischen sieben und acht Jahre zurückliegen, aber ganz unmittelbar mit zwei Titelgewinnen zusammenstehen. Nun ist auch seine Person ein Teil der SG Historie und nicht mehr der Gegenwart. In den Tagen vor seiner Verabschiedung ließ Hampus Wanne einen kleinen Einblick in sein Seelenleben zu. „Es ist alles schwer zu erklären, noch fühlt es sich wie Alltag an“, sagte er da. „Aber ich bin mir sicher, dass es sich komisch anfühlen wird, wenn die Vorbereitung in Flensburg wieder anläuft und ich nicht dabei sein werde.“
Sein Ex-Klub und dessen Umfeld haben ihm den Abschied gewiss nicht leicht gemacht. Die Choreographie der Fans mit dem Konterfei von Hampus Wanne im Mittelpunkt hinterließ Eindruck. „Ich hatte zunächst gar nicht verstanden, dass ich abgebildet war“, erzählt er. „Dann war ich nur überrascht, da ich nie erwartet hätte, dass ein Bild von mir auf der ganzen Nordtribüne erscheinen würde. Diesen Anblick habe ich für mein restliches Leben abgespeichert.“

Wehmut war gewiss dabei, als der Linksaußen vor Kurzem seine Zelte in Flensburg abbrach. An seiner Entscheidung, die SG kurz vor dem Legenden-Status zu verlassen, zweifelte er aber nicht. „Es ist der richtige Zeitpunkt für mich, etwas anderes zu probieren“, stellt Hampus Wanne klar. „Ich wollte mir und allen anderen immer beweisen, dass ich auf einem hohen Niveau spielen kann – und das am liebsten als ein Teil der SG. Nun habe ich hier alles erreicht, was ich wollte. Ich bin richtig stolz auf meine persönliche Leistung und die der Mannschaft.“ Ausgerechnet in seiner letzten Saison verpasste die SG mit ihm erstmals die Champions League. Dennoch kann er seine Gesamtbilanz auf ein einziges Wort komprimieren: „Cool!“ Einfach cool!
Insgesamt sechs Mal feierte Hampus Wanne mit der SG einen Titel. Jeder erzeugte seine eigene Emotionalität, sodass sich nur schwer eine persönliche Hitliste erstellen lässt. Zwei Mal waren es die erwähnten Siebenmeter, die die SG ins Glück warfen. Bei der Meisterschaft 2018 überwogen die Erleichterung und die Euphorie, es endlich geschafft zu haben. Ein Jahr später erfüllten die Titelverteidigung und die Rekordausbeute die SG-Akteure mit großem Stolz. Daneben gab es immer die persönlichen Aspekte. Hampus Wanne: „Ich habe nun Freunde und Kumpel in ganz Europa, da ich weiterhin Kontakt mit vielen ehemaligen Teamkollegen der SG pflege.“

Jetzt hat er auch viele Freunde in seiner Ex-Wahlheimat Flensburg. Vor allem Jim Gottfridsson, Landsmann und Zimmergenosse bei den Auswärtsspielen. „Für ihn wird es nun schwer, was soll er nur ohne mich machen?“, schmunzelt Hampus Wanne. „Wir teilen sehr viele gemeinsame Erinnerungen und werden uns weiterhin oft treffen – in der Nationalmannschaft und in Schweden.“ Nun weilt der 28-Jährige im Urlaub. „Ich möchte es entspannt haben“, sagt er. „In den letzten beiden Jahren waren sehr viel Handball und so große Wettkämpfe, dass ich einfach eine Pause brauche.“ Sein zukünftiger Klub, höchstwahrscheinlich der FC Barcelona, machte zuletzt noch ein Geheimnis um seinen Wechsel. Hampus Wanne hat aber schon Pläne für die Zeit ab Mitte Juli.
In neun Jahren absolvierte er 322 Partien für die SG, erzielte stolze 1204 Tore. Für die „Hall of Fame“ in der Flens-Arena reichen diese Werte nicht ganz, sie sind aber absolut genug, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Als er 2013 bei der SG die Rückennummer 14 entgegennahm, verriet der 19-Jährige ein wenig schüchtern: „Mein Idol ist Lars Christiansen!“ Nun ist Hampus Wanne selbst ein Weltklasse-Akteur.

Privat ist Hampus Wanne seit Anfang des Jahres verlobt. Seine Auserwählte, Daniela Gustin, war auch Handballerin. Zeitweise spielte sie beim TSV Nord und zuletzt in Sonderborg. In anderen Jahren pflegten die beiden Handballer eine Fernbeziehung. Jetzt hat sie ihre Laufbahn beendet. Das Paar ist nun bereit für eine gemeinsame Zukunft im Süden Europas.

Text und Fotos: Jan Kirschner

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