Aktuell sind die Medien voll von Berichten über das immer größer werdende Problem der „Altenpflege“ und „Altenbetreuung“. Zum einen werden immer mehr Menschen pflegebedürftig – in diesem Jahr sind es bereits mehr als 5 Millionen Mitbürger, zum anderen fehlen überall die entsprechend ausgebildeten und geschulten Pflegekräfte, teurer wird die Pflege eh schon allemal. Unsere Gesellschaft ist deshalb umso mehr gefordert. Dass wir kein ausgebildetes Pflegepersonal aus dem Hut zaubern können, ist nachvollziehbar. Doch die Gesellschaft kann insbesondere im Ehrenamt vermehrt tätig werden, um gerade den älteren Mitbürgern gelegentlich die andere oder andere Freude zu bereiten und sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Eine dieser Ideen der Teilhabe stellen wir Ihnen hier vor.
Radeln ohne Alter ist der Name einer Initiative, die 2012 in Kopenhagen entstand und danach von vielen Menschen in die Welt getragen wurde. Unter dem Motto „Jeder hat das Recht auf Wind in den eigenen Haaren“ bietet diese tolle Initiative denjenigen Menschen, die nicht mehr selber in die Pedale treten können oder es sich nicht mehr zutrauen, kostenlose Rikscha-Fahrten an. Ziel ist es dabei, den Mitfahrern gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und Mobilität im Alter zu bieten sowie die soziale Isolation und Einsamkeit dieser Mitbürger zu bekämpfen.
Wie alles begann
Die Geschichte dieser bemerkenswerten Initiative begann im Jahre 2012 in Kopenhagen, als der damals 47-jährige Sozialarbeiter Ole Kassow, wie an jedem Werktag, mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr. Auf seinem Weg sah er einen älteren Herrn vor einer Senioreneinrichtung sitzen. Die Begegnung blieb ihm im Kopf. Später, beim Betrachten historischer Stadtbilder, überlegte er, ob dieser Herr früher genauso gerne mit dem Rad unterwegs war wie er selbst heute. Auf die Überlegung folgte eine Idee: Ole mietet einfach eine Fahrrad-Rikscha an, fährt zu besagter Senioreneinrichtung und bietet eine Fahrt an. Eine ältere Dame und ihre Betreuerin machen den ersten Rikscha-Ausflug.
Als er anschließend die Stadtverwaltung von Kopenhagen anschreibt und um die Finanzierung einer Rikscha für die Senioreneinrichtung bittet, findet er auch dort überraschend Unterstützung: Es werden auf einen Schlag fünf Rikschas bestellt. Mit einer Parade der neuen Rikschas im Frühjahr 2013 wird die Initiative dann der Öffentlichkeit vorgestellt – zwei Fernsehsender und verschiedene Zeitungen berichten. Aus der Idee eines Einzelnen ist tatsächlich die Initiative „Cykling uden alder“, deutsch ‚Radeln ohne Alter‘, englisch „Cycling without age“ geworden, die sich schnell erst in Dänemark und bald darauf in vielen Ländern der Welt verbreitet. Heute, Ende des Jahres 2024, gibt es über 3.000 (!) regionale Gruppen mit über 4.900 Rikschas in mehr als 50 Ländern in Europa, Nordamerika, Asien und Australien (inkl. Neuseeland) – eine echte Erfolgsstory!
Radeln ohne Alter auch in Flensburg: Die Fjordbeweger
Die Flensburger „Fjordbeweger“ – getragen durch den ADFC Schleswig-Holstein – bieten seit Sommer 2024 solche ehrenamtlichen Rikscha-Fahrten für Senioren und Menschen an, die selbst nicht mehr in die Pedale treten können. Nach erfolgter Anmeldung (über eine WhatsApp-Nachricht an 0176-222 677 42)) können Interessierte einen Termin für eine Ausfahrt mit der Rikscha buchen und sich an einem verabredeten Treffpunkt (bei Bedarf in der Pflegeeinrichtung oder an der eigenen Haustür) abholen lassen. „Unsere Gäste bzw. Passagiere möchten meist gern einmal wieder an die Förde fahren, zum Eis essen oder Kaffeetrinken in eine Eisdiele, in ihre alte Wohnumgebung, zum Weihnachtsmarkt, auf den Wochenmarkt, alles ist möglich und das gemeinsame Entdecken bereitet sowohl den Passagieren als auch den Piloten große Freude. Sogar die Fahrt zum diesjährigen Weihnachtsmarkt auf dem hiesigen Südermarkt war durchaus gefragt.“
Die Rikscha
Es handelt sich bei der Rikscha um ein topmodernes Fahrrad, sie ist elektrisch unterstützt und deshalb bestens zu bedienen, sehr leichtgängig, und sie kann – da auf 3 Rädern unterwegs – nicht umkippen. Für die Sicherheit der vorn sitzenden Passagiere ist zudem gesichert, sie werden mit Sicherheitsgurten gesichert und sitzen sehr komfortabel. Zu den „Piloten“: Man sollte ein leichtes Fitnesslevel mitbringen und zudem den Umgang mit älteren Menschen genießen.
„In regelmäßigen Abständen bieten wir zweistündige Workshops an, nach denen man die Rikscha selbstständig ausleihen kann“, weiß Detlef Brix zu erzählen, der uns die Rikscha vorstellt und uns das Thema „Radeln ohne Alter“ näherbringt. „Ein zusätzliches Fahrtraining für mehr Sicherheit ist daneben möglich, doch für Menschen, die regelmäßig mit dem Rad unterwegs sind, ist es kein Problem!“ Und er ergänzt: „Einmal im Jahr eine Auffrischung wäre gut, um den Umgang mit der Rikscha nicht zu verlernen. Einsatzort: überall in Flensburg, die Rikscha befindet sich aktuell in Mürwik im Pflegeheim St. Klara im Marrensdamm. Sie müsste vor dem Einsatz dort abgeholt werden, anschließend auch wieder zurückgebracht werden.“
Ausblick
Aktuell war Anna Richter in den norddeutschen Medien aktiv, insbesondere im regionalen TV und beim Radiosender NDR1, um im Rahmen des dort laufenden Projektes „Hand in Hand für Norddeutschland“ um Spenden für die mögliche Anschaffung einer weiteren oder gar einer dritten Rikscha zu werben.
Das Projekt hofft außerdem, dass sich auch weitere Pflegeheime und Einrichtungen dafür begeistern. „Radeln ohne Alter“ sucht in Zukunft nicht nur Passagiere und Piloten, sondern auch Unterstellmöglichkeiten für weitere Räder.
Das Flensburg Journal ist begeistert von diesem Angebot und der Initiative der Protagonisten, rät allen Interessierten zu einer Kontaktaufnahme (siehe unten), um eine solche Fahrt zu buchen, und drückt die Daumen, dass von den zahlreich eingeworbenen Spendengeldern hoffentlich eine weitere Rikscha für das Projekt „Radeln ohne Alter“ angeschafft werden kann.
Kontakt:
Anna Richter
Die Fjordbeweger
Tel.: 0176 – 22 26 77 42
Mit Detlef Brix sprach Peter Feuerschütz