Keine Frage, der Mückenwald hat eine wichtige Naherholungsfunktion für den Stadtteil Flensburg-Weiche. Er birgt aber auch manche Geheimnisse und vergessene Geschichten, die es wert sind, ans Tageslicht geholt zu werden.
Armer Sandboden
Mitte der 1930er Jahre war der Nikolaiforst, zu dem auch der Mückenteich gehörte, mit 45 Hektar das drittgrößte Waldstück Flensburgs – nach der Marienhölzung und dem Kollunder Wald. Die Forstwirtschaft war vom Nikolaiforst nicht besonders angetan, wie eine zeitgenössische Charakteristik verrät: „Im Nadelholzrevier findet sich armer quarzreicher Sandboden, der mit ganzer Ortssteinschicht oder auch topfweise unterbaut ist. Als Standortpflanzen finden sich die Heide, die Glockenheide, Myrtenweide und vereinzelt Stechginster. Alles Pflanzen, die einen toten oder wenig lebendigen Waldboden anzeigen.“ Bei einigen Aufforstungen jener Jahre wurde Besenginster gesät, um die Bodenqualität zu verbessern.

Arbeitsdienst im Wald
Seit 1931 gab es den Freiwilligen Arbeitsdienst, kurz FAD, dabei handelte es sich um ein öffentlich gefördertes Beschäftigungsprogramm der Weimarer Republik – als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise. Der Stadtforst bediente sich dieses Instrumentes für umfangreiche Aufforstungen. Im Frühling 1934 standen allein für den Nikolaiforst 4500 Tagewerke in der Statistik. Mit weiteren 8000 wurde gerechnet. Ein Tagewerk kostete die Stadt 23 Pfennig. Im Sommer 1935 verwandelte das NS-Regime den FAD in den Reichsarbeitsdienst (RAD).
NS-Waldwirtschaft
Während der NS-Zeit wurden die Wälder einerseits mit Schlagwörtern wie „Boden“ und „Heimat“ verknüpft und ideologisch instrumentalisiert, andererseits wurden sie als schier unerschöpfliche Quelle für Baumaterial ausgebeutet. Gebäude, Kasernen, Flughäfen oder Luftschutzbauten schluckten viel Holz. In Flensburg wurden sogenannte Vier-Jahres-Pläne beschlossen, die alle Staats-, Gemeinde-, und Privatwaldungen berücksichtigten. Bürgermeister Carl Mackprang plädierte dafür, die Marienhölzung „mit der Weiche“ zu verbinden, um so im Westen der Stadt einen großen Waldgürtel zu schaffen. „Alle Schneeverwehungen der durch diesen Bezirk führenden Straßen würden aufhören, die wilden Weststürme gemildert und in der regenarmen Zeit die auftretenden Gewitter gebunden“, erläuterte Stadtförster Wilhelm Culemann im Frühling 1942. „Ich glaube, es wird bald zu merken sein, dass Jahr für Jahr 100.000 Waldbäume gepflanzt werden und nur 1000 alte und kranke Bäume aus dem Wald verschwinden.“ Am Schäferhaus wurden einige Flächen aufgekauft und aufgeforstet.
Freileitung für „Fliegerhorst Flensburg-Weiche“
Der Kriegsbeginn im September 1939 hatte auch für Flensburg eine unmittelbare Konsequenz. Die Luftwaffe ließ den Flugplatz am Schäferhaus vergrößern. Für die Bauphase des „Fliegerhorstes Flensburg-Weiche“ musste ein provisorischer Hochspannungsanschluss geschaffen werden. In der Nähe des Mückenteiches wurde eine Freileitung errichtet, die so über das Unterholz gezogen wurde, dass keine größeren Bäume gefällt werden mussten. Insgesamt wurden 13 Pfeiler im Nikolaiforst aufgestellt.
Eine Kantine am Mückenteich
Das Flugplatzareal dehnte sich auf den Nikolaiforst aus. Auch die kleine Gastronomie am Mückenteich gehörte nun zum Einzugsgebiet. Seneka Sönksen hatte seine kleine Verkaufsbude zwischenzeitlich durch ein kleines Haus mit festem Unterbau und Keller ersetzt. Da der Fliegerhorst keine Kantine hatte, gab Seneka Sönksen auch Getränke und Essen an Soldaten aus. Dann gesellten sich Alkohol und Rauchwaren dazu. Die Folge: laute Feiern in den Abendstunden. Von „unhaltbaren Zuständen“ sprach Flensburgs Oberbürgermeister Ernst Kracht. Zunächst stritten sich Stadt und Luftwaffe um die Zuständigkeit, im Juli 1941 musste Seneka Sönksen vor dem Amtsgericht erscheinen. Er wurde wegen einer fehlenden Ausschankkonzession zu einer Strafe von 50 Reichsmark verurteilt und sollte seine Gaststube aufgeben. Er schaltete den Regierungspräsidenten in Schleswig ein und erreichte eine Duldung für die Kriegszeit. Es kamen weiterhin Soldaten für ein paar entspannende Stunden an den Mückenteich.

Blockierter Holzeinschlag
Im November 1943 benötigte das Tiefbauamt für einen Luftschutz-Stollenbau 150 Festmeter Holz aus dem Nikolaiforst. Kurz darauf vermeldete der Revierförster erstaunt, dass ein Holzeinschlag nicht möglich wäre, da überall Militärfahrzeuge im Weg stünden. Die Irritation war groß: Was hatte es mit dieser Kolonne auf sich? Die Antwort: Eine aus Russland abgezogene Fliegerabteilung war in Flensburg-Weiche gelandet. Ein General wies an, dass die Fahrzeuge für den Holzeinschlag verschoben wurden.
Text: Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner, Stadtarchiv Flensburg