Vereine wie der VfL Wolfsburg, Schalke 04, Bayer Leverkusen oder der VfB Stuttgart sind bundesweit allgemein bekannt bei allen Sportfans, doch kennt jemand auch diese Akteure?
Timo „TimoX“ Siep, Marvin „M4rv“ Hintz, Erhan „Dr. Erhano“ Kayman sind in der Szene mittlerweile zu Stars geworden – jedoch nicht beim „normalen“ Bundesligafußball, sondern beim eSports, sind als sogenannte FIFA-Profis in Fachkreisen längst Vorbilder für viele Hundertausende FIFA-Spieler hierzulande.
Inklusion ist auch ein bedeutendes Thema des Engagements des VfB Stuttgart, und wird auch bei den eSportlern längst großgeschrieben. Denn eines der großen Nachwuchstalente bei den Schwaben ist Niklas „nik-lugi“ Luginsland. Der große VfB-Fan konnte bereits bei vielen kleineren Turnieren sein gutes spielerisches Niveau unter Beweis stellen. Als mutiger und leidenschaftlicher eSports-Athlet zeigt Niklas trotz seiner körperlichen Beeinträchtigung – er sitzt im Rollstuhl, dass er in FIFA mittlerweile auf dem Level von Profis mithalten kann.
Seit einigen Jahren ist bei uns in Deutschland vom „neuartigen Phänomen eSports“ die Rede. Dabei ist eSports gar nicht so neu, wie viele denken mögen. Vielmehr ist eSports ein Phänomen, das über mehrere Jahrzehnte gewachsen ist, und in anderen Ländern als Deutschland, beispielsweise in Südkorea, China und den USA, schon seit Langem ein Massensport ist. Dass eSports angeblich neu sei, ist aber nur eines von vielen Vorurteilen und Fehleinschätzungen, die in Deutschland im Hinblick auf den elektronischen Sport leider immer noch häufig zu hören und zu lesen sind.
Mit den Profis verhält es sich ähnlich wie in den anderen Mannschaftssportarten wie Fußball, Handball oder Eishockey: Nur etwa 0,5 Prozent aller Spieler sind tatsächlich Berufssportler (Profis), die überwältigende Anzahl an Spielern (etwa 99,5 Prozent) sind freizeit- und Breitensportler.

Was ist denn eigentlich „eSports“?

eSports ist das wettbewerbsorientierte Spielen von digitalen Inhalten unter sportlichen Aspekten. Die beiden wichtigsten Definitionsmerkmale sind hier:
1. Wettbewerbsorientierung:
Es geht um einen Wettstreit von Menschen mit- und gegeneinander. Das bedeutet, dass das Gewinnen von Wettbewerben (Turnieren, Ligen, etc.) zentral für den eSports insgesamt ist.
2.Sportlichkeit:
Der eSports – und das sagt schon der Name – definiert sich auch anhand sportlicher Aspekte. Neben der Körperlichkeit sind dies insbesondere Punkte wie Fairplay, Teamfähigkeit, Kommunikation, Spielziele, feste Regeln, Trainingspläne, Analysen (Gegner, Wettbewerbe, Bedingungen), Vorbereitung auf Spiele und Wettbewerbe, Ästhetik sowie vieles mehr.
„Besonders die motorischen Ansprüche und Fähigkeiten haben uns beeindruckt. Die eSportler schaffen bis zu 400 Bewegungen pro Minute an Tastatur und Maus, vier Mal mehr als der Normalbürger! Das Ganze asymmetrisch, denn beide Hände werden parallel bewegt, es werden unterschiedliche Hirnregionen parallel genutzt.“ Das sagte Prof. Dr. Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln im Hinblick auf die Ergebnisse einer viel beachteten Studie zum Thema eSports.

eSports in Flensburg?

O ja, seit beinahe fünf Jahren, genau seit 2016, gibt es einen eingetragenen Verein in Sachen eSports in unserer Region: Den eSports Nord e. V.
Dieser Verein nimmt ehrenamtlich vielfältige Aufgaben wahr, ähnlich zahlreichen anderen Sportvereinen: Er berät klassische Sportvereine, Behörden, Unternehmen und andere Organisationen in Sachen eSports, mit einem besonderen Fokus auf den Breitensport, nimmt teil an Informationsveranstaltungen rund um den eSports, organisiert Veranstaltungen, Events und LAN-Partys. „Wir waren zum Beispiel beim Tag der offenen Tür im Schleswig-Holsteinischen Landtag und haben den Fotowettbewerb von Cinema Loves Esports gewonnen. Darunter fällt auch das hauptverantwortliche Streaming auf Events, etwa bei der Nordish Gaming Convention“, weiß Timo Schöber, Pressewart des Vereins, zu erzählen. Die Vorstandsmitglieder stehen immer mit helfender Hand zur Seite, wenn es um den eSports geht und sind für entsprechende Anfragen stets erreichbar, sie engagieren sich bei der Anerkennung und Förderung des eSports in Schleswig-Holstein, nehmen teil und unterstützen wissenschaftliche Projekte. Das umfasst unter anderem eine enge Kooperation mit der Fachhochschule Westküste.
Als Gründungsmitglied des deutschen eSports-Dachverbandes, des eSport-Bundes Deutschland, verfügen sie über ein breites Netzwerk im eSports, der Wirtschaft und der Politik, auf das sie für ihre Projekte zurückgreifen können, befinden sich in stetigem Meinungs- und Wissensaustausch mit Hochschulgruppen, eSports-Teams und Clans, Profispielern sowie Breitensportlern.
Sie sind eben die „Bescheidwisser“ und Know-How-Träger: Sie haben in ihren Reihen viele eSports-Experten, teilweise mit mehr als zwanzig Jahren Erfahrung. Zwei der Mitglieder sind Teil des Planungs- und Kompetenzteams für das Landeszentrum in Kiel, und sie sind zuständig für ganz Schleswig-Holstein, sowie in einem gewissen Maße für Hamburg.

Der Verein mausert sich

Vor gut einem Jahr machte der Verein eSports Nord einen weiteren Riesenschritt nach vorn in seiner Weiterentwicklung. Hatte man bisher noch keine erwähnenswerte Heimat, Treffpunkt oder Spielstätte für sich gefunden, hat sich das jetzt grundlegend geändert:
Im Herzen Flensburgs wird gerade mit Hochdruck das erste eSports-Vereinsheim in Schleswig-Holstein fertiggestellt. Das Vereinsheim befindet sich in großen Teilen des ehemaligen Firmensitzes der Densch & Schmidt Immobilien GmbH in der Friesischen Straße Nr. 62, nur fünf Minuten zu Fuß vom Flensburger Südermarkt entfernt, und etwa 10 Minuten vom Touristenmittelpunkt Flensburger Hafen. Die rund 140 Quadratmeter große Räumlichkeit wird seit einigen Monaten umgebaut, wurde fast entkernt, und teilweise völlig neu konzipiert.
Die nordischen eSportler haben – segensreich für ihre Finanzen – viele kompetente und talentierte Handwerker in ihren Reihen; Elektriker, Elektromeister, Tischler, aber auch Fachfremde bringen sich ein und schuften, oft nach Feierabend, für ihren Sport und ihren Verein, auf dass das Heim möglichst bald seiner Bestimmung zugeführt werden kann.
Das Vereinsheim sollte eigentlich mit Beginn der Sommerferien 2020 bezugsfertig sein, doch auch hier hatte „Corona“ die Hand im Spiel, der Ausbau verzögert sich nun doch noch etwas, man hofft, dass man im Zeitraum August/September die Einweihung feierlich begehen kann.
Der Verein partizipiert an der vom Land ausgelobten eSports-Förderung für das Jahr 2019.
Fabian Bornemann, 1. Vorsitzender des eSports Nord e.V., weiß den Wert und die Strahlkraft des Vereinsheimes zu schätzen: „Durch unser Vereinsheim heben wir den eSports aus Breitensportler-Sicht auf ein neues Niveau und können zukünftig allen traditionellen Vereinen in Schleswig-Holstein die Möglichkeit geben, unsere Trainingsräume zu nutzen, um hier ihre eSportler zu trainieren und sich über die Thematik zu informieren.“
Noch zusätzlich zu seiner Funktion als Vereinsheim wird die neue eSports-Stätte in Flensburg auch als Teil des Netzwerks aus Leistungszentren von der deutschen Toporganisation PENTA fungieren. Die Spieler von PENTA konnten in der Vergangenheit sogar schon Weltmeistertitel erringen. Darüber hinaus unterhält die Organisation in Berlin ein eigenes großes Leistungszentrum.

Das macht den Verein aus

Als Verein ist eSports Nord immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern, die sich für den eSports einsetzen und ehrenamtlich engagieren möchten. Über entsprechende Anfragen freut man sich sehr, und beantwortet gerne alle Fragen zu einer Mitgliedschaft sowie zu allen weiteren Fragen rund um den Verein.
Aktuell hat der Verein etwa 70 Mitglieder, mit Tendenz nach oben, und die meisten Vereinsangehörigen stammen aus unserer Region – etwa 90 Prozent, dazu kommen einige aus anderen Bundesländern; das Mitglied mit der weitesten Anreise kommt aus dem Frankenland, aus Nürnberg, in den hohen Norden.
„Bei uns gibt es nicht nur die Möglichkeit, sich ehrenamtlich für ein großartiges Thema einzusetzen, sondern wir sind selbst auch Breiten-eSportlerinnen und -eSportler. Von League of Legends, über Overwatch und Counter-Strike:GO, bis hin zu FIFA, Starcraft 2 und Apex Legends werden bei uns fast alle größeren Titel und Genres gespielt“, rührt der Vorsitzende Fabian Bornemann die Werbetrommel.
Um von vornherein transparent zu agieren, veröffentlicht man die geltenden moderaten Mitgliedsbeiträge:
• 40,00 Euro pro Jahr für eine reguläre Mitgliedschaft
• 20,00 Euro pro Jahr für eine ermäßigte Mitgliedschaft (Schüler/-innen, Studenten/-innen)
• Unternehmen, Organisationen und Personen haben darüber hinaus die Möglichkeit ein Fördermitglied zu werden. Da dies sehr individuell gestaltet werden kann, bitte bei Interesse eine E-Mail an foerderung@esportsnord.de senden!

Über das reine Spielen hinaus übernimmt eSports Nord zusätzlich gesellschaftliche Verantwortung: In unserer zunehmend digitalen Welt wird die Fähigkeit zum Umgang mit Medien immer wichtiger. Sie geben gern Antworten zu Fragen wie: Welche Medien gibt es? Welche Gefahren und Risiken bestehen? Wie nutze ich Medien sicher? Welche Werkzeuge gibt es? „Das Internet vergisst nicht“ – was bedeutet das?
„Das sind nur einige der Punkte und Inhalte, die wir bei unseren Vorträgen und Seminaren zum Thema Medienkompetenz vermitteln. Gerne stimmen wir unser Programm auch auf individuelle Bedürfnisse ab. Darüber hinaus bieten wir Schulungen für Klassen und Lehrer an“, ergänzt Timo Schöber zu den weiteren Tätigkeitsmerkmalen der hiesigen eSportler. „Die Sucht nach Computer- und Videospielen ist ein anerkanntes Krankheitsbild. Als Verein setzen wir uns zwar für den elektronischen Sport (eSports), also das wettbewerbsorientierte Spielen unter sportlichen Aspekten ein, aber uns ist dennoch bewusst, dass exzessives Gaming und eSports häufig fälschlicherweise vermengt werden. Es ist daher eine unserer Aufgaben diesbezüglich Präventionsmaßnahmen anzubieten. Jemand, der exzessiv spielt, ist kein eSportler und diese Art des Spielens lässt einen auch nicht besser werden.“
„Da wir mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen häufig eher auf „Augenhöhe“ sprechen können, als etwa deren Eltern oder Lehrer, unterstützen wir gerne dabei, Suchtverhalten entgegenzuwirken. Hierfür bieten wir Vorträge und persönliche Gespräche mit Betroffenen und deren Angehörigen an.“
Noch in diesem Jahr 2020 wird der Verein dem Flensburger Jugendring beitreten.

Fazit

Äußerst beeindruckt ist unser Redakteur, der selbst als langjähriger Ehrenamtler im Sport unterwegs ist, nach dem Gespräch mit den Vorstandsmitgliedern des eSports Nord heimgefahren; die vier jungen Männer, mit denen wir auf der Noch-Baustelle in der Friesischen Straße gesprochen und diskutiert haben, machen einen sehr guten Eindruck, sind intelligent, selbstbewusst, und sehr motiviert und begeistert für ihren Sport im Einsatz.
Eines wollte der Erste Vorsitzende noch zum Abschluss des Interviews loswerden:
„Der eSports Nord e.V. bedankt sich ausdrücklich bei der Densch & Schmidt Immobilien GmbH, insbesondere bei Herrn Oliver Densch, für die gute Zusammenarbeit im Vorfelde, und freut sich auf eine lange und konstruktive Kooperation. Weiter dankt der Verein den Flensburger Ratsfraktionen der CDU, der FDP und des SSW sowie Prof. Dr. Jens Junge und Thorsten Schröter für die generelle Unterstützung bei der Suche nach einer geeigneten Immobilie. Ein großer Dank gilt auch dem Land Schleswig-Holstein für die eSports-Förderung!“
Unsere feste Überzeugung: Das bald fertige Vereinsheim wird eine runde Sache werden, nicht nur für den e-Sports, sondern für den Sport insgesamt und auch für unsere schöne Stadt Flensburg!

Text: Peter Feuerschütz
Fotos: Benjamin Nolte, eSports Nord

PS:
Der VFB Stuttgart hat soeben sein Team wegen finanzieller Engpässe aus dem E-Sports-Spielbetrieb zurückgezogen!

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