Erdkundeunterricht – damit assoziiert man die sperrigen Landkarten, die übereifrige Mitschüler aus dem Kartenraum ins Klassenzimmer trugen. Man denkt an den schweren braunen Diercke-Weltatlas mit den goldenen Prägebuchstaben, der in keine Schultasche passte. Und an den uninspirierten Lehrer, der mit Fragen nach dem höchsten Berg, dem längsten Fluss und „der Hauptstadt von …“ langweilte. Kein Lieblingsfach. Mit Dr. Knut Franck wäre es vielleicht anders gekommen. „Wirtschaft, Entwicklungshilfe, Klima … das Fach bietet so viel“, begeistert sich der pensionierte Flensburger Geografielehrer, der 31 Jahre an der Auguste-Viktoria-Schule unterrichtete. „Mein Ziel war es, neugierig zu machen. Ich wollte die Inhalte lebendig vermitteln, habe mich immer über Austausch und Diskussionen mit den Schülern gefreut.“ Mit anderen ins Gespräch kommen, Meinungen austauschen, kontrovers diskutieren – das schätzte Knut Franck auch in seiner kommunalpolitischen Arbeit. Er trat 1971 in die SPD ein, war Juso-Vorsitzender, gehörte von 1974 bis 2002 der Ratsversammlung an, war 14 Jahre Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und brachte sich als Vorsitzender des Umwelt- und Bauausschusses ein. Engagiert und nachdrücklich kämpfte er für seine Ideen. So manchen habe er sicher auch mal genervt und möglicherweise sei er im Übereifer auch dem einen oder anderen auf den Schlips getreten. Aber dafür könne er nichts. „Ich habe die Lehrerkrankheit Nummer eins, das Mitteilungssyndrom“, entschuldigt er sich augenzwinkernd.
Seit seiner Pensionierung und dem Ausstieg aus der Kommunalpolitik lebt Knut Franck seinen Drang, sich mitzuteilen, als Stadtführer aus. „Hier kann ich sabbeln, was das Zeug hält. Und gleichzeitig vermitteln, wie wunderschön unsere Stadt ist“, freut sich der 78-Jährige.

Vom Flüchten und Ankommen

Knut Franck wurde im Herbst 1940 in Berlin-Zehlendorf geboren. Im Februar 1945 floh die Familie vor den sowjetischen Truppen nach Bayern, wo Verwandte lebten. Über die Flucht schweigt sich der sonst so beredte Wahl-Flensburger aus. „Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen.“ Auch über die Rolle des Vaters als regimetreuer Journalist kann er nicht viel sagen. „Mein Vater hat es später bitter bereut, aber wir haben nie richtig darüber gesprochen“, bedauert er heute. In Bayern wuchs Knut Franck gemeinsam mit der älteren Schwester und den Eltern in bescheidenen Verhältnissen auf. „Wir lebten zunächst in einem einzigen kleinen Zimmer. Im Winter gefror das Eis an den Wänden und wir schliefen auf Strohsäcken. Doch anderen ging es ähnlich und so empfand ich die Umstände als ganz normal.“ Als weniger normal empfand der Heranwachsende manche Eigenheiten der bayerisch-katholischen Mitmenschen. „Meine katholischen Schulkollegen gingen einmal in der Woche zur Beichte. Um das Ganze effizienter zu gestalten, mussten sie ihre Sünden vorab auf einem Zettel ankreuzen. Da wurde dann vorher abgesprochen, wer welche Sünden übernahm. Mir war das alles zutiefst suspekt.“ Weil Knut Franck schon als Schuljunge gerne mal „die Klappe aufriss und auf Krawall gebürstet war“, wurde er immer wieder Opfer körperlicher Züchtigungen. „Damals war das normal, dass Lehrer die Schüler schlugen. Was es nicht besser macht“, erinnert er sich an die eher unschöne Schulzeit. Der eigentlich so wissbegierige Junge blieb zweimal sitzen, schaffte „mit Mühe und Not“ die mittlere Reife und hatte nur ein Ziel: „Ich wollte möglichst weit weg.“
Knut Franck ging zur Bundesmarine nach Kiel, wo er es bis zum Reserveoffizier brachte. Vor allem der sportliche Teil der Ausbildung hatte es ihm angetan. „Für mich konnte es gar nicht anstrengend und hart genug sein!“ Dem Prinzip von Befehl und Gehorsam stand der junge Mann hingegen zunehmend kritisch gegenüber. „Es leuchtete mir nicht ein, dass jemand recht hat, nur weil er den höheren Dienstgrad hat.“ Seine Rettung war das Abendgymnasium, das er drei Jahre lang besuchte und mit dem Abitur abschloss: „Man hat mich bedauert, weil man meinte, das wäre doch sicher anstrengend. Für mich hingegen war der abendliche Unterricht ein großes Glück.“

Berliner Zeiten

Mit dem Abitur in der Tasche ging Knut Franck 1966 nach Berlin, um Geografie, Biologie und Sport zu studieren. Begleitet wurde er von seiner Ehefrau und seinem kleinen Sohn. 1964 hatte er die Dithmarscherin Karin geheiratet. Ein Jahr später war Sohn Alexander zur Welt gekommen. In Berlin geriet der junge Familienvater mitten in die studentische Protestbewegung. Demonstrationen und Sit-ins waren an der Tagesordnung, Vorlesungen wurden gestürmt, Kommilitonen gingen auf die Barrikaden. „Natürlich traf man Leute wie Rudi Dutschke, Fritz Teufel und Rainer Langhans“, so Knut Franck. „Vor allem Dutschke war präsent – der war ja nicht zu überhören.“ Doch auch wenn Knut Franck mit vielen Ideen sympathisierte, hatte er als Familienvater andere Sorgen. „Du kannst nicht an einem Sit-in teilnehmen, wenn du studieren willst und gleichzeitig eine Familie ernähren musst.“ So arbeitete er, während andere demonstrierten, neben dem Studium auf Baustellen, um Frau und Kind versorgen zu können. Das Leben in der kleinen Berliner Hinterhofwohnung war nicht immer einfach. Als die Familie 1971 nach Flensburg zog und der angehende Lehrer Franck sein Referendariat an der Goethe-Schule begann, konnte er aufatmen. Inzwischen war auch Tochter Annika zur Welt gekommen. Das feste Gehalt sicherte der nun vierköpfigen Familie ein bescheidenes Auskommen.

Alte Strukturen und neue Perspektiven

In Flensburg trat der Referendar in die SPD ein, um sich fortan politisch zu engagieren. An seiner neuen Arbeitsstelle machte er sich damit jedoch wenig Freunde. „Die Goethe-Schule, ehemals Adolf-Hitler-Schule, wurde ja heimlich weiterhin „Adolf-Goe-
the-Schule“ genannt“, erzählt er. „Und das nicht ohne Grund. Ein Großteil der Lehrer waren alte Nazis. Entsprechend unfrei war die Stimmung.“ Den Wechsel an die Auguste-Viktoria-Schule empfand Knut Franck als Befreiung. Hier habe eine liberale Stimmung geherrscht, man habe offen über alles diskutiert. An diesem Flensburger Gymnasium fand Knut Franck seine berufliche Heimat: „Ich war unglaublich gern Lehrer! Es war eine schöne Zeit!“ Zu den Schülerinnen und Schülern habe er ein gutes Verhältnis gehabt, viele Jahre sei er Vertrauenslehrer gewesen, strahlt er in der Erinnerung. Und noch immer freut er sich über Einladungen zu Abi-
treffen oder über Begegnungen mit ehemaligen Schülern, die ihn auf der Straße ansprechen.
2004 wurde Knut Franck pensioniert, bereits zwei Jahre zuvor war er aus der Ratsversammlung ausgeschieden. Nun war es an der Zeit, etwas Neues anzufangen. „Ich wollte gerne noch mal wissenschaftlich arbeiten“, so Knut Franck. Also entschloss er sich, zu promovieren. Im Alter von fast 70 Jahren schloss der pensionierte Oberstudienrat in Rostock seine Promotion zum Thema „Militärische Konversion im nördlichen Schleswig-Holstein“ ab – ein Thema, das ihn während seiner aktiven politischen Zeit immer wieder beschäftigt hatte. Nach wie vor ist er der Meinung, dass Schleswig-Holstein kaum Konzepte für eine zukunftsfähige, nachhaltige Regionalpolitik entwickelt. „Da werden Chancen verschenkt, weil man gegeneinander arbeit. Das Kirchturmdenken ist immer noch viel zu ausgeprägt.“ Als Pensionär zu promovieren war für den umtriebigen Flensburger nicht tagesfüllend. Er begann außerdem, als Gästeführer für die Stadt Flensburg und als Reiseleiter für die Unternehmen Neubauer und Globetrotter Hamburg zu arbeiten. Geschichte sei, so sagt er, immer sein Hobby gewesen. Und auch wenn sein besonderes Steckenpferd, die römische Geschichte, in Flensburg eher unterrepräsentiert ist, gab es für den Lehrer in seiner Heimatstadt Flensburg noch viel Neues zu entdecken.

Schönheiten und Bausünden

Knut Franck lebt seit 1976 in einem geschichtsträchtigen Haus in einem der schönsten Viertel der Förde-Stadt. Das inzwischen liebevoll sanierte, unter Denkmalschutz stehende ehemalige Kapitänshaus in der St. Jürgen-Straße war eine Ruine, als er es kaufte: „Freunde und Familie haben dringend abgeraten, aber ich hatte mich in das Haus verguckt.“ Gemeinsam mit seiner Frau restaurierte er das Haus und legte den Hanggarten an. „Das meiste haben wir selbst gemacht! Beim Jobben auf dem Bau während des Studiums hatte ich ja einiges gelernt. Das kam mir jetzt zugute“, erinnert sich der Hobby-Handwerker. Das malerische Kapitänsviertel in Jürgensby, in dem seine beiden Kinder aufwuchsen, ist ihm und seiner Frau eine Heimat geworden. Früher habe es mehr Kinder im Viertel gegeben, erinnert er sich. „Da gab es natürlich noch mehr Kontakte und es war ordentlich Trubel.“ Doch noch immer sind die Beziehungen zu den Nachbarn gut und eng. Auch wenn in puncto Gartengestaltung die Meinungen auseinandergehen. Ein Nachbar hat es gern sehr ordentlich im Garten, während das Ehepaar Franck der Natur mehr Raum gibt. „Wir lassen die Pflanzen da wachsen, wo sie sich selbst einen Platz gesucht haben“, erklärt Ehefrau Karin Franck das ökologische Konzept. Es funktioniert: Im Garten der Familie Franck ist jede Menge Leben. Insekten schätzen die blühende Vielfalt und der kleine Teich ist so bevölkert von Kaulquappen, dass Knut Franck den Froschnachwuchs regelmäßig auswildern muss. Wer die große St. Jürgen-Treppe erklimmt – und das ist für den passionierten Sportler kein Problem, genießt eine schöne Aussicht auf die grüne Oase dieses Viertels. „Es gibt so viel zu entdecken in dieser Stadt“, erklärt er seine Motivation, als Gästeführer Einheimischen und Gästen die Schönheit der Stadt näherzubringen.
Zu seinen Lieblingsplätzen gehört der Alte Friedhof mit der Bundsen-Kapelle. Für den Erhalt des Christiansenparks hatte er sich als Kommunalpolitiker nachdrücklich eingesetzt. Heute freut er sich, dass er die Besonderheiten dieses einmaligen Landschaftsparks in seinen Führungen vorstellen darf. Glücklich macht ihn auch der Blick von der Rathausstraße auf das Haus Ulmenstraße 15. Als Ratsherr konnte er den geplanten Abriss abwenden. „Die schönen Schwestern“, wie das Haus gemeinsam mit dem Nachbarhaus im Volksmund genannt wird, gelten heute als Wahrzeichen der Stadt. Beteiligt war Knut Franck übrigens auch an einem ganz anderen Projekt, auf das er heute noch stolz ist: In den Siebzigerjahren plante eine deutsch-dänische Förde-Kommission, vorgereinigte Abwässer durch eine Pipeline in das Gebiet Langballig/Bockholm zu leiten, um den biologischen Tod der Förde zu verhindern. Kein guter Plan, so befand unter anderem Knut Franck. Stattdessen begann man mit dem Ausbau des Klärwerks, das heute – so Franck – „mit seiner Reinigungsleistung im gesamten Ostseeraum beispielhaft ist“.
Bei der Gestaltung des ZOB war der Ratsherr im Rückblick weniger erfolgreich. Er habe sich zu sehr auf die Verwaltung verlassen. Undurchsichtige Verkehrsabläufe, keine Aufenthaltsräume für Wartende, kein Schutz gegen norddeutsches Schietwetter – die Mängelliste ist lang. Ein Skandal sei es, dass es dort wie auch an anderen exponierten Punkten in Flensburg keine öffentlichen Toiletten gebe. Hier müsse dringend nachgebessert werden. Dänemark sei da ein gutes Vorbild.
Schade findet Knut Franck auch, dass es an sehenswerten und geschichtsträchtigen Gebäuden in Flensburg keine Info-Tafeln gibt. Es gebe noch viel Potenzial, die einzigartige Geschichte dieser Stadt besser zu vermitteln. Auch das Fehlen eines Stadtmuseums bedauert er, wohl wissend, dass eine stadtgeschichtliche Schau heute nicht mehr ausschließlich aus Exponaten und Schautafeln bestehen kann: „Eine wirklich gute moderne Ausstellung ist interaktiv – und das kostet leider sehr viel Geld.“ Für alle jene, die tiefer in die Geschichte der Grenzstadt eintauchen möchten, hat die Volkshochschule gemeinsam mit ihm die Veranstaltungsreihe „Flensburg im Blickpunkt der Geschichte“ ins Leben gerufen. Knut Franck hält Vorträge rund um die Jahre 1848, 1864, 1920 und 1945 – Jahre, die die Stadt veränderten.

Hohe Berge und Sternennächte

Wenn Knut Franck mal nicht unterwegs ist, um mit Gästen und Einheimischen die Schönheiten der Stadt Flensburg zu entdecken, zieht es ihn in die Natur. Als passionierter Läufer (Marathon-Bestzeit 2.42 Std.) kennt er die besten Strecken im Grünen rund um Flensburg. Zudem ist er begeisterter Bergsteiger und Bergwanderer. Unter anderem hat er den Mont Blanc und den Kilimandscharo bestiegen. Mit einem Bergfreund erklimmt er seit 30 Jahren Gletscher. Das sei nicht ungefährlich, aber, ergänzt er mit einem Schalk in den Augen: „Machen wir uns nichts vor. Das Leben an sich ist doch ein Risiko.“ Seit einigen Jahren ist der sportliche Endsiebziger zudem gern auf Fernwanderwegen in den Alpen unterwegs. Diese Touren unternimmt er am liebsten allein. Wobei er auch mal unter freiem Himmel übernachtet. Immer dabei: Ein Biwaksack und ein Gaskocher, um den so wichtigen Kaffee zuzubereiten. In diesem Sommer ist eine Tour „irgendwo zwischen Neusiedler See und Bodensee“ geplant, auf die er sich schon freut. „Ich liebe den Kontakt zu anderen Menschen, aber manchmal brauche ich den absoluten Kontrast, um glücklich zu sein: Die Natur, den Sternenhimmel, die Stille.“

Text: Petra Südmeyer, Fotos: Benjamin Nolte, privat

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