Die letzten Minuten laufen. Die Zuschauer begrüßen einen Debütanten: August Pedersen darf gegen Minden mitwirken und erzielt kurz darauf sein erstes Tor für die SG Flensburg-Handewitt. „Vor einem ersten Heimspiel in einem neuen Verein ist man immer besonders aufgeregt“, erzählt der 28-Jährige etwas später. „Aber dann hat man den Fokus auf das Spiel, und alles ist kein Problem. Die Atmosphäre war wie erwartet sehr gut – und anders als meine bisherigen Erfahrungen.“ Bei seinen Ex-Klubs in Norwegen und Silkeborg waren selbst bei Top-Spielen nicht mehr als 2000 Zuschauer in der Halle.
Ein paar Tage nach diesem aufregenden Debüt trifft das „Flensburg-Journal“ den Norweger im Anschluss an das Training in der Duburghalle. Einige seiner neuen Mitspieler hat er bereits liebgewonnen. Ein gemeinsamer Freundeskreis und die Golf-Passion verbinden ihn mit Magnus Röd. Göran Sögard wartet bereits im Vorraum. Die beiden wollen den Nachmittag zusammen verbringen, sie spielten einst in Norwegens Jugend-Teams zusammen. Und dann gibt es noch Johan Hansen. „Great Guy“, grinst August Pedersen und ruft von der Tribüne in der Duburghalle herunter: „Haben wir zusammen schon etwas erlebt?“ Dieser schaut kurz hoch, lacht nur und grinst: „Nein!“

Die beiden diesjährigen Neuzugänge sind fast gleich alt, beide sind Baujahr 1994. Sie kennen sich aufgrund zweier gemeinsamer Jahre in Silkeborg sehr gut. „Im Moment sehen wir uns nur beim Training und bei den Spielen, Johan wohnt ja mit seiner Familie in Handewitt und ich in Flensburg“, erklärt August Pedersen. Zwei Dinge hat ihm der andere Neuzugang voraus: Bundesliga-Erfahrung und umfangreiche Kenntnisse der deutschen Sprache.
Geboren wurde der norwegische Links-außen in Notodden. Das ist ein kleines Städtchen knapp zwei Stunden südwestlich von Oslo. Es ist bekannt für ein großes Blues-Festival. „Die Musik hat mich durchaus geprägt“, erzählt der Profi-Sportler. „Mein Vater spielt in einer Blues-Band.“ Der Handball übte auf ihn aber eine größere Faszination aus. Mit 16 Jahren zog er weg, um beim Handball entscheidende Fortschritte zu machen. August Pedersen spielte fünf Jahre für Haslum HK, dann zwei Jahre in Arendal, ehe der dänische Erstligist Bjerringbro-Silkeborg einen Drei-Jahres-Vertrag anbot.

Für die letzte Saison kehrte er nach Norwegen zurück, entschied sich für Drammen HK, obwohl ihm durchaus Angebote von anderen Klubs vorlagen. „Nach anderthalb Jahren mit den Corona-Einschränkungen wollte ich dichter an der Familie in Norwegen sein“, verrät er. Der Rechtshänder hatte zudem eine Schulter-Blessur, die ihn zur Vorsicht mahnte. Es war ein „gutes Jahr“ in der Heimat. Im europäischen Challenge-Cup stürmte Drammen bis ins Halbfinale und in der norwegischen Liga auf Rang zwei.
Als sich einige hundert Kilometer weiter südlich der Abschied von Hampus Wanne abzeichnete, entstand der Kontakt zur SG. „August ist ein sehr ehrgeiziger und ein sehr ruhiger Typ, der eine sehr gute Einstellung gegenüber seinem Sport hat und über eine sehr starke Beinarbeit verfügt“, meint Coach Maik Machulla. „Man kann ihn als nordischen Wikinger, ja als einen norwegischen Terrier bezeichnen.“
Mitte Juli betrat August Pedersen echtes Neuland. Er bezog eine Wohnung im Flensburger Zentrum, schlenderte durch die Fußgängerzone und zur Hafenspitze – und spürte dabei, dass er mit vielen neuen Dingen konfrontiert werden würde: ein neuer Ort, ein neues Team, eine neue Sprache, ja eine neue Kultur. „Auch wenn einige norwegische Vereine sehr seriös daran arbeiten, sich einen Namen in Europa zu machen, ist die Bundesliga natürlich eine ganze andere Hausnummer“, weiß der 1,80 Meter große Ballwerfer. Er lächelt: „Handball in Deutschland ist ein besonderer Spaß.“

Der 28-Jährige fühlt sich gut aufgenommen. Magnus Röd und Göran Sögard, die beiden Landsleute, helfen bei bürokratischen Dingen oder übersetzen schnell, wenn er beim Training oder während der Spiele etwas nicht versteht. Ein „kleiner Job“ wurde ihm in einer Mannschaftsbesprechung zugeteilt: August Pedersen ist Musikwart. Bei Kraft-Einheiten oder zum Warm-Up gibt es fetzige, elektronische Musik. „Typische Trainingsmusik“, schmunzelt der ernannte Experte. „Und nach den Spielen wird es etwas ruhiger, aber auch nur wenn wir gewinnen.“
Völlig ungewohnt im illustren SG-Kader: August Pedersen wartet noch auf sein erstes Länderspiel. Vielleicht füllt sich die leere Stelle im Lebenslauf ja mit dem Engagement in der Bundesliga. „Ich werde in jedem Fall hart arbeiten, um mich zu verbessern“, kündigt der Links-außen an. „Ich hatte immerhin schon Nominierungen ins B-Team.“ Außerdem war er für die diversen Jugend-Nationalmannschaften einst zu Weltmeisterschaften in Brasilien und Ungarn sowie zwei Mal zu Europameisterschaften in Österreich. Mit dem Sprung in den Männerbereich scheint er durch das Raster gefallen zu sein.

Bei der SG ist der Neuzugang allerdings als Backup für Emil Jakobsen angedacht. „Er ist ein fantastischer Spieler“, sagt August Pedersen. „Die SG und ich haben uns vor dem Wechsel über die Rahmenbedingungen unterhalten. Mir war vorher klar, auf was ich mich einlasse.“ Er hofft demnächst auf familiäre Unterstützung in der „Hölle Nord“. Seine Eltern sowie seine beiden Schwestern und der Bruder sind neugierig auf Flensburg. „Sie versuchen, aus Norwegen zu den Heimspielen zu kommen“, erzählt August Pedersen. „Aber unter der Woche ist es nicht einfach, wenn man auch beruflich eingespannt ist.“ Gegen Magdeburg könnte es klappen! Und dann ist da noch Freundin Mie. „Sie ist selbst Handballerin, spielt in Larvik erstklassig und ist deshalb auch sehr beschäftigt“, verrät August Pedersen. „Bislang schafften wir es, uns alle zwei Wochen zu sehen.“

Text und Fotos: Jan Kirschner

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