Gewalt gegen Frauen geht uns alle an. Fast jeden Tag sehen wir einen Femizid in Deutschland. Etwa alle drei Minuten erleben eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. „Jeden Tag werden mehr als 140 Frauen und Mädchen hierzulande Opfer einer Sexualstraftat. Sie werden Opfer, weil sie Frauen sind. Das ist unerträglich – und verlangt konsequentes Handeln“, äußerte sich die damalige Bundesinnenministerin Faeser in 2024 auf einer Pressekonferenz zu diesem brisanten Thema. Insgesamt wurden 360 Mädchen und Frauen im Jahr 2023 zum Opfer vollendeter Taten, bei Gewaltexzessen eines Partners getötet. Wer nun glaubt, dass diese Problematik in unserem beschaulichen Flensburg keine Rolle spielen würde, muss sich leider eines Besseren belehren lassen … dazu später mehr.

40 Jahre engagierte Arbeit zum Wohle der Frauen

Der Frauennotruf Flensburg begeht in diesem Jahr sein 40-jähriges Jubiläum und blickt somit im Jahr 2025 auf immerhin 4 Jahrzehnte engagierte Arbeit gegen „häusliche und sexualisierte Gewalt“ zurück – vier Jahrzehnte kämpferischer Arbeit, Unterstützung und Solidarität für Frauen in Not. Dieses „runde“ Datum wird nicht nur als ein Anlass für einen Rückblick, sondern auch als eine wichtige Gelegenheit genutzt, um die Bedeutung der Arbeit dieser Fachberatungsstelle her­auszustellen sowie die Dringlichkeit, das Thema häusliche und sexualisierte Gewalt in die Öffentlichkeit zu tragen, hervorzuheben.

Gleichzeitig engagiert sich der Verein kontinuierlich in der Präventionsarbeit und in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit Gewalt gegen Frauen. Nach ziemlich genau 10 Jahren ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit gelang es endlich in der Mitte der 1990er Jahre den Mitarbeiterinnen, dass die Arbeit professionalisiert wurde, 1996 wurde die erste Mitarbeiterin fest eingestellt. Ein langer Weg lag somit hinter ihnen – aber auch für die nun offiziell angestellten Mitarbeiterinnen bleibt noch genügend zu tun zum Schutz der von Gewalt betroffenen Frauen!

40 Jahre Frauennotruf Flensburg – diese Fachberatungsstelle ist längst etabliert
Carolin

Geschichtlicher Hintergrund zum „frauennotruf Flensburg e. V.“

Hier wurde einst die Saat gelegt: 1975 wurde das Internationale Jahr der Frau begangen, und aus diesem Anlass trafen sich die Frauen der Flensburger Stadtgesellschaft in der Akademie Sankelmark, um ein Seminar mit dem Titel „Jahr der Frau und was tun“ abzuhalten. Als Ergebnis aus dieser Zusammenkunft gründeten die Teilnehmerinnen den Verein „Hilfe für Frauen in Not e.V.“, der autonom und unabhängig war. Die Arbeit des Vereins stützte sich ausschließlich auf Spendenbasis, und sie wurde von den Mitarbeiterinnen komplett ehrenamtlich geleistet. Frauen, die häusliche Gewalt erfahren haben, konnten nun Schutz in einer eigens dafür angemieteten Wohnung finden.

Aufgrund der politischen Entwicklung und des Erstarkens der Frauenbewegung in den 70er und 80er Jahren wurde im Jahr 1985 dann der so lautende „frauen.notruf Flensburg e.V.“ gegründet, genau am 25. November 1985. Hier konnten jetzt all jene Frauen Beratung in Anspruch nehmen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben.

Im Jahre 2012 fusionierten dann das Frauenhaus und der Frauennotruf im Verein „Hilfe für Frauen in Not e.V“. Seit dem Jahr 2000 gehören zum Verein darüber hinaus auch noch das KIK-Netzwerk, das Kooperations- und Interventionskonzept gegen häusliche Gewalt, das in Schleswig-Holstein die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen und Einrichtungen, die mit häuslicher Gewalt befasst sind, sicherstellt.

Vom Verein zur offiziellen Fachberatungsstelle

Heute – nach einer kontinuierlichen langjährigen Entwicklung – ist der Frauennotruf in Flensburg längst zu einer etablierten und allseits anerkannten Facheinrichtung zur Beratung von Frauen und Mädchen ab 16 Jahren in Flensburg gewachsen.

Die Aufgabenstellungen sind vielfältig und haben sich seit der Gründung im Jahr 1985 deutlich verändert. Die Idee der ehrenamtlichen Gründerinnen seinerzeit war eine Anlaufstelle für Frauen zu schaffen, die Opfer, Überlebende oder Betroffene von Vergewaltigung wurden. Seitdem hat sich der Frauennotruf Flensburg stetig gewandelt. Die Anforderungen und die fachlichen Diskurse haben sich geändert, diesen Anforderungen hat sich der Frauennotruf stets und fortwährend gestellt.

Der Frauennotruf Flensburg ist heute eine Fachstelle gegen (patriarchale) Gewalt und somit eine Anlauf- und Beratungsstelle für Frauen und Mädchen ab 16 Jahren, die sexualisierte und oder häusliche Gewalt erfahren haben. Zu dem fachlichen Selbstverständnis der mittlerweile hauptamtlichen Mitarbeiterinnen gehört, dass sexualisierte Gewalt und häusliche Gewalt nicht mehr getrennt voneinander zu betrachten sind, sondern deutlich als Symptome von patriarchalen Gewaltstrukturen wahrzunehmen sind.

Der Frauennotruf ist angebunden im „bff“ – dem Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe sowie im LFSH, dem Landesverband Frauenberatung Schleswig-Holstein e.V. (LFSH), dem Dachverband der Frauenberatungsstellen in Schleswig-Holstein. Der Frauennotruf arbeitet nach den Qualitätsstandards für Fachberatungsstellen des bff. Diese sind nachzulesen auf der Homepage www.frauen-gegen-gewalt.de.

40 Jahre Frauennotruf Flensburg – diese Fachberatungsstelle ist längst etabliert
Astrid

Der Umfang der Beratung

Der Frauennotruf Flensburg bietet nicht nur Unterstützung für direkt Betroffene, sondern berät auch deren Angehörige und ebenso Fachkräfte anderer Institutionen. Dies trägt wesentlich dazu bei, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen und das Verständnis für die Bedürfnisse der Betroffenen zu fördern.

Eine weitere wichtige Dienstleistung des Frauennotrufs Flensburg ist die telefonische Beratung, die es den Klientinnen ermöglicht, Unterstützung zu erhalten, ohne persönlich vor Ort vorstellig werden zu müssen. Durch diese flexible Option können die Betroffenen ihre Bedürfnisse besser abstimmen und die Beratung selbst dann in Anspruch nehmen, wenn sie derzeit nicht in der Lage sind, die Beratungsstelle aus traumabedingten Ursachen, oder weil der Partner permanente Kontrolle ausübt – aufzusuchen. Bemerkenswert: Auch Hausbesuche oder Besuche in Institutionen, wie Kliniken, werden in einigen speziellen Fällen bereits realisiert.

Ein zentraler Aspekt der Arbeit des Frauennotrufs Flensburg ist die Förderung der Selbstwirksamkeit bei den Betroffenen. Durch die Stärkung ihres Selbstbewusstseins und ihrer Handlungsfähigkeit werden die Klientinnen dabei unterstützt, wieder Kontrolle über ihr Leben zu erlangen und den Weg in ein sicheres Leben aktiv zu gestalten.

Der Frauennotruf Flensburg bietet Betroffenen sexualisierter Gewalt eine umfassende Unterstützung, die von der akuten Krisenintervention bis zur langfristigen Stabilisierung reicht. Durch einen individuellen Ansatz, begleitende Dienstleistungen und die Förderung der Selbstwirksamkeit trägt der Frauennotruf Flensburg maßgeblich zur Bewältigung von Traumatisierung und zur Förderung des Wohlbefindens bei.

Das Angebot des Frauennotrufs Flensburg im Speziellen

Sexuelle Nötigung, Telefonterror, Belästigung am Arbeitsplatz, sexualisierte Gewalt während der Kindheit, Vergewaltigung, Bedrohung und Gewalt in der Ehe, Partnerschaft und Familie – das sind allesamt alltägliche und immer wieder vorkommende Formen sexualisierter Gewalt, denen Frauen ausgesetzt sind.

„Wir – der Frauennotruf Flensburg – bieten einen Ort für Frauen, an dem über sexualisierte Gewalt gesprochen werden darf (aber nicht zwingend muss). Wir unterstützen Frauen, die sich an uns wenden. In gemeinsamen Gesprächen besteht hier die Möglichkeit, den Umgang mit dem Erlebten zu erleichtern. Hier können Alltagsprobleme genauso zum Thema gemacht werden wie das Entwickeln von neuen oder veränderten Lebenskonzepten. Jede Frau darf hier so sein wie sie ist, nur Gewalt gibt es bei uns nicht.

Sie können unsere Beratung telefonisch oder persönlich in Anspruch nehmen – einmalig, kurzfristig oder längerfristig, das richtet sich nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen. Wir unterstützen in akuten Krisensituationen ebenso wie bei der Bewältigung des Alltags.“

„Wir sind für Sie da, wenn Sie Unterstützung und Begleitung bei schwierigen Entscheidungsprozessen suchen. Wenn Sie wünschen, begleiten wir Sie zur ärztlichen Untersuchung, zur Anzeigenerstattung und sogar beim Gerichtsprozess, falls Sie sich für diesen Weg entscheiden. Wir organisieren und begleiten (Selbsthilfe-) Gruppen.

Auch Angehörigen (Frauen und Männern), die Frauen unterstützen, stehen wir als Anlauf- und Fachberatungsstelle zur Verfügung. Gespräche, an denen Männer beteiligt sind, finden nach Vereinbarung und unter Wahrung des Schutzraumes für Frauen statt. Wir bieten professionellen Einzelpersonen, Vereinen und Institutionen an, sie für sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren und ihnen praktische Möglichkeiten zum Umgang zu vermitteln.Daneben organisieren wir verschiedene Veranstaltungen, Workshops, Fortbildungsangebote und Ähnliches.“

40 Jahre Frauennotruf Flensburg – diese Fachberatungsstelle ist längst etabliert
Antonia

Gewalt gegen Frauen – auch in Flensburg durchaus ein Thema

Manch einer mag denken: „Das ist doch in unserem beschaulichen Flensburg kein akutes Thema, oder?!?“ Nun, die Zahlen und Statistiken sagen durchaus etwas Anderes aus – leider!

Bei Fällen mit sogenanntem Hochrisiko-Management (das sind die Fälle mit sogenannter „Tötungsgefahr“) gab es im Kalenderjahr 2024 in Flensburg insgesamt 51 Fälle – davon wurden 25 Fälle von der Polizei an den Frauennotruf gemeldet. Weitere 26 Fälle kamen als sogenannte „Selbstmelderinnen“ zum Frauennotruf. Hier wird dann nach Einschätzung der Mitarbeiterinnen eine Gefährdungsanalyse – eine Art Fragebogen, den alle am Hochrisiko-Management beteiligten Institutionen nutzen – mit den Klientinnen durchgeführt. Mit dem erzielten Ergebnis wird der jeweilige Fall dann als Hochrisiko eingestuft.

Die Zahlen der Frauennotruf-Kontakte stiegen in den Jahren von 2017 bis 2024 kontinuierlich an, von anfangs 1175 Kontakten bis in 2023 auf mehr als 2200 Kontakte! Eine besonders erschreckende Statistik bildet die sogenannte durch die Polizei ausgesprochene „Wegweisung“ ab – (mit Wegweisung ist der Verweis einer Gewalt ausübenden Person aus einer gemeinsamen Wohnung gemeint). Waren es im Jahr 2017 noch 45 Wegweisungen, stieg diese Zahl auf das weit mehr als Doppelte an: 115 Wegweisungen im Jahr 2024.  

Ein hilfreicher Schritt in eine bessere Zukunft

Beim Schutz vor häuslicher Gewalt sollen künftig in ganz Deutschland verstärkt elektronische Fußfesseln zum Einsatz kommen – in Schleswig-Holstein gibt es diese Möglichkeit bereits jetzt schon! In unserem Bundesland wird dies nach § 201 im Landesverwaltungsgesetz geregelt. Die Innenminister und -ministerinnen von Bund und Ländern einigten sich kürzlich auf ihrer Frühjahrskonferenz in Bremerhaven darauf, die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür zu erweitern. Künftig soll die sogenannte „Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder“ in Hessen zusätzliche Mittel und Kapazitäten erhalten. Ziel ist es, Täter per Fußfessel zu überwachen und so das Risiko tödlicher Gewalt deutlich zu verringern. Das Vorgehen orientiert sich am sogenannten „Spanischen Modell“, bei dem die Polizei sofort gewarnt wird, wenn sich ein Täter einem Opfer nähert. Auch die jeweiligen Opfer sollen dann sofort benachrichtigt werden.

Die elektronische Aufenthaltsüberwachung kann durchaus zu einem entscheidenden Instrument im Kampf gegen Femizide werden. In Spanien hat es seit Einführung der elektronischen Fußfesseln im Jahr 2009 keinen einzigen Femizid mehr gegeben bei den Tätern, die entsprechend mit einer Fußfessel ausgestattet wurden. Da die meisten Tötungen an Frauen nach Trennungen geschähen, wenn Männer ihre ehemaligen Partnerinnen als Besitz betrachteten und der Kontrollverlust zur tödlichen Bedrohung wurde. Die geschilderte Technik könnte in Zukunft durchaus einen notwendigen und zielführenden Schutzraum für gefährdete Frauen darstellen.

40 Jahre Frauennotruf Flensburg – diese Fachberatungsstelle ist längst etabliert
Sevgi

40 Jahre – mit einem umfangreichen Programm wird das Jubiläum begangen

Anlässlich des 40jährigen Jubiläums findet im November 2025 eine Reihe von öffentlichen Veranstaltungen statt. Rund um den 25. November 2025, der gleichzeitig das Gründungsdatum des Frauennotrufs und der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen ist, lädt der Frauennotruf Flensburg zu einem vielfältigen Programm ein. Geplant sind unter anderem Lesungen, Theater, Vorträge, Konzerte und Ausstellungen, die sich mit feministischen Themen, Gewaltprävention und der Geschichte sowie der Gegenwart frauenpolitischer Arbeit befassen.

Die engagierten Mitarbeiterinnen des Flensburger Frauennotrufs freuen sich stets über weitere ehrenamtliche Mitstreiterinnen, die sich aktiv für Frauenrechte engagieren wollen und mit uns gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit leisten oder Projekte betreuen möchten. Bei Interesse bitte gern unter den unten genannten Kontaktdaten melden!

Informationen und Kontakt

Frauennotruf Flensburg
Fachberatung zu sexualisierter & häuslicher Gewalt
Nikolaikirchhof 5, 24937 Flensburg
Tel. 0461 – 90 90 82 00
frauennotruf@fin-flensburg.de
www.fin-flensburg.de

Spendenkonto
Nord-Ostsee-Sparkasse
IBAN DE10 2175 0000 0017 1542 00
Betreff: Soziale Notlagen

Mit den Mitarbeiterinnen sprach Peter Feuerschütz
Fotos: Frauennotruf 
  

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