Wenn eine Institution oder ein Betrieb, eine Firma, 100 Jahre alt wird, dann ist das allemal ein dickes Ausrufezeichen wert, erst recht, wenn es sich dabei um einen Familienbetrieb im Handwerksbereich handelt: In so einem Fall spricht ein solches Jubiläum unbedingt für Seriosität, Zuverlässigkeit, Fachwissen und – nicht zuletzt Heimatverbundenheit. 100 Jahre … eine lange Zeit, kaum ein Mensch erreicht dieses hohe Lebensalter, und gar niemand schafft es über einen solchen Zeitraum ein Arbeitsleben auszudehnen – dazu braucht es schon mehrere Generationen. Doch fangen wir einfach am Beginn der Geschichte an:

Betriebsgründung im Jahre 1921

Wir schreiben das Jahr 1921. Der Erste Weltkrieg war gerade mal drei Jahre vorbei, Deutschland noch eine ganz junge Republik, in Flensburg war ein Jahr zuvor über die künftige Zugehörigkeit des Landesteils Schleswig zu Deutschland abgestimmt und positiv entschieden worden, in der nördlichsten Stadt Deutschlands lebten zwischen 50.000 und 60.000 Menschen. Flensburg war schon kreisfreie Stadt, und zudem Sitz des Landkreises Flensburg. Im Jahr 1918 grassierte die Spanische Grippe, eine Pandemie, die weltweit 25 bis 50 Millionen Tote forderte. Die vom Influenzavirus A/H1N1 hervorgerufene Krankheit sorgte für mehr Opfer als der gesamte Erste Weltkrieg (etwa 17 Millionen Tote)!
In vielen Ländern kam es bis in die 1920er Jahre hinein zu Nachepidemien, die aber dann im „normalen“ Zeitraum, in Europa also im Winter, auftraten.
Im Herbst 1921, genau am 22. September, meldete Heinrich Leichhauer, ein gelernter Handwerker, sein Tisch­lergewerbe in Flensburg an. Er legte somit den Grundstein für die Firma, die in diesen Tagen doppelt „nullt“. Die Tischlerei hatte ihren Sitz in der Innenstadt, in der Norderstraße Nr. 81 auf dem Hinterhof. Im Haus erstreckte sich die Werkstatt über drei Etagen. Es war übrigens in jener Zeit durchaus üblich, dass Handwerksbetriebe in den Hinterhöfen ihr Zuhause hatten. Die in der Werkstatt gefertigten Einbauelemente und Möbel wurden in den ersten Jahren noch mit der Handkarre ausgeliefert, die meisten Kunden der Firma stammten naturgemäß aus der näheren Umgebung.
Über den Firmengründer ist heute leider nur sehr wenig bekannt, überliefert ist jedoch, dass er ein überzeugter und fleißiger, tüchtiger Vertreter seiner Zunft war. Er war unverheiratet, also im zivilen Leben ein „ewiger Junggeselle“, beruflich aber eher das Gegenteil, denn er steuerte seinen Betrieb durch die wirtschaftlich schwierigen 20er Jahre, überstand die anschließende Weltwirtschaftskrise und sämtliche politischen Umschwünge seiner Zeit. Da er sich um keine eigene Familie kümmern musste, waren Firma und die Mitarbeiter seine Familie. Er hatte für die Kollegen stets ein offenes Ohr, war zudem von seiner Denkweise her ein guter Kaufmann, schulte permanent seine Leute und lebte die Arbeitsabläufe vor. Die Tischlerei und der Berufszweig waren sein Lebensinhalt, er schaute zudem über den Tellerrand und engagierte sich neben der täglichen Arbeit in der Innung, war sogar von 1948 bis 1958 Obermeister der Tischlerinnung und als Sachverständiger tätig, von 1954 bis 1958 wirkte er im Vorstand des Landesinnungsverbands. Dem Schaffen von Heinrich Leichhauer wurde jedoch ein jähes Ende gesetzt, er kam leider viel zu früh im Jahre 1959 bei einem Verkehrsunfall in Dänemark ums Leben.

Die zweite Generation ab 1959

Im Jahre 1959 übernahm Tischlermeister Hans Gimm die Firma seines verstorbenen Vorgängers. Hans Gimm, im Jahr 1912 geboren, lernte den Tischlerberuf von der Pike an, und legte im Jahr 1948 mit Erfolg seine Meisterprüfung im Tischlerhandwerk ab. Er war bereits seit Jahren ein wichtiger Mitarbeiter im Kollegium der Tischlerei Leichhauer, so war es naheliegend, dass er den gesunden Betrieb weiterführen sollte. Er kaufte der Erbengemeinschaft das Unternehmen ab, und führte die Tischlerei Gimm, vormals Leichhauer, an alter Wirkungsstätte in der Norderstraße mit Erfolg weiter. Der Handwerksbetrieb hatte sich längst einen guten Namen in der Region gemacht, und der wirtschaftliche Aufschwung in der Bundesrepublik Anfang der 60er Jahre trug auch dazu bei, dass die Tischler der Firma Gimm genügend Aufträge zu bearbeiten hatten. Um den ständig ansteigenden Anforderungen gewachsen zu sein, wurde im Industriegebiet Süd eine neue Werkstatt mitsamt Produktionsstätte geplant, errichtet, und schließlich im Herbst 1970 eingeweiht. Die neue Firmenanschrift lautete ab dem Zeitpunkt Max-Planck-Straße 6, in Flensburg. Der Neubau wurde schließlich bezogen, die Produktionsstätte war riesig im Vergleich zum alten Standort in der Norderstraße, sie maß immerhin 1.200 qm, alles zu ebener Erde! Das Fertigungsprogramm wurde beträchtlich erweitert, die neu auf den Markt gekommenen Holz-Alu-Fenster waren ein weiteres Standbein für die Firma. Wie einst Heinrich Leichhauer engagierte sich Hans Gimm in der Handwerksinnung, war immerhin 10 Jahre lang (von 1973-1983) Lehrlingswart der Tischlerinnung Flensburg. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hatte Hans Gimm allerdings eine eigene Familie, Frau und Kinder. Sein Sohn Horst-Werner, Jahrgang 1941, sollte in seine Fußstapfen treten, und später einmal den Betrieb weiterführen.
Horst-Werner Gimm lernte den Tischlerberuf von 1959 bis 1962 bei der Tischlerei Goldberg, wurde 1962 Geselle. Schon 1968 legte er mit Erfolg die Meisterprüfung im Tischlerhandwerk ab, besuchte die hiesige Werkkunstschule und schloss diese mit der Ernennung zum Innenarchitekten ab. 1973 trat Sohn Horst-Werner Gimm in den väterlichen Betrieb ein und es wurde eine Kommanditgesellschaft gegründet. Ab 1975 war er sogar berechtigt, die Berufsbezeichnung „Designer“ zu führen. In den Folgejahren leiteten Vater und Sohn die Firmengeschicke gemeinsam und einträchtig.
1983 starb Seniorchef Hans Gimm plötzlich und unerwartet.

Die dritte Generation ab 1983

Im gleichen Jahr 1983 übernahm Horst-Werner Gimm die Firma in alleiniger Verantwortung. Die Anzahl der Mitarbeiter stieg und stieg: Im Jahr 1995 waren es immerhin 27 Mitarbeiter – darunter zwei Meister – im Büro erhielt der Chef Unterstützung von seiner Ehefrau Ute und einer weiteren Angestellten. Wie seine Vorgänger als Firmeninhaber engagierte er sich in der Innung, war auf Landesebene im Ausschuss für Berufsausbildung von 1981 bis 1995 aktiv, und lange Jahre Vorsitzender vom Gesellenprüfungsausschuss der Innung. Von 1996 bis 2001 war er als Beisitzer im Meisterprüfungsausschuss im Bezirk der Handwerkskammer Flensburg tätig.
Im Jahr 1989 stieg Tischlermeister Johannes Thomsen mit in den Betrieb ein. Er gründete gemeinsam mit Horst-Werner Gimm schließlich im Jahr 1995 die Tischlerei Gimm GmbH. Johannes Thomsen aus Bilschau, Jahrgang 1954, lernte den Beruf in der Firma Hauss, machte 1981 seinen Meister, heiratete 1982, und arbeitete anschließend als „Angestellter Meister“ auf der Insel Föhr.
Die Firma Gimm GmbH war in der gesamten Region als zuverlässiger Geschäftspartner geachtet und bekannt. „Zu uns kann jeder kommen. Wir fertigen alles an, was mit unserem Handwerk zu hat“, lautete das Credo der etablierten Tischlerei. Und so war es auch: Der Kundenstamm war groß, Behörden, Banken, Sparkassen, Geschäftsleute und jede Menge Privatkunden orderten Aufträge bei der Tischlerei Gimm GmbH. Seit 1995 war die Gesellschaftsform in eine GmbH umgewandelt, mit den beiden Meistern Horst-Werner Gimm und Johannes Thomsen als gleichberechtigten Geschäftsführern. Der Schwerpunkt der Fertigung des Tischlereiunternehmens lag im hochwertigen Innenausbau und in der Fertigung von Einzelmöbeln sowie im Reparaturbereich. Im Jahre 1996 konnte die Firma ihr 75jähriges Geschäftsjubiläum feiern.

Die vierte Generation ab 2005

Nach ziemlich genau 10 Jahren als „Juniorpartner“ übernahm Tischlermeister Johannes Thomsen im Jahre 2005 den Betrieb in alleiniger Regie, kaufte der bisherigen Besitzerfamilie das Unternehmen ab. Mit seinem Vorgänger Horst-Werner Gimm war und ist sich Johannes Thomsen stets einig: „Qualität kommt vor Quantität, das bleibt ohne Abstriche die Firmenphilosophie!“ Der Firmenname sollte erhalten bleiben, die Mitarbeiterzahl ist allerdings etwas geschrumpft, dafür wurde gut investiert in den Maschinenpark.
Der Schwerpunkt der Fertigung des Tischlereiunternehmens im hochwertigen Innenausbau und in der Fertigung von Einzelmöbeln sowie im Reparaturbereich wurde beibehalten, dafür wurde sogar die damals neuartige computergestützte CNC-Technik eingesetzt. Auch im Bereich der Sicherheitstechnik ist die Firma Gimm führend: Nach mehreren Qualifizierungsmaßnahmen wurde sie Mitglied in der Qualitätsgemeinschaft Nord (QSN), und wurde sogar in die „Errichterliste der Landespolizei“ eingetragen.
Die Landespolizei Schleswig-Holstein hat sich vor Jahren schon zum Ziel gesetzt, durch eine kooperierende und verantwortliche Einbindung von qualifizierten Fachbetrieben (Facherrichtern) eine möglichst flächendeckende und qualitativ hochwertige Beratung der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einbruchschutz sicherzustellen.
Johannes Thomsen wird bei den Büroarbeiten tatkräftig von seiner Ehefrau Sybille unterstützt. Längst hat das Unternehmen seinen Tätigkeitsbereich vom Stadtgebiet Flensburg auf das gesamte Bundesland Schleswig-Holstein, einschließlich der nordfriesischen Inseln, ausgedehnt: Die Tischlerei Gimm GmbH hat landesweit einen guten Ruf in der Branche! Wie nicht anders zu erwarten bei den umtriebigen Vorgängern als Geschäftsinhaber, war und ist auch Johannes Thomsen in der Innung tätig: In der Tischlerinnung Flensburg-Stadt als Lehrlingswart, als stellvertretender Obermeister-Kommissar, sogar von 2007 bis 2009 als Obermeister, und auf Landesebene ist er schon seit 2009 im Ausschuss für Innenausbau aktiv.

Tischlerei Gimm – ein langjähriger Ausbildungsbetrieb

Die Tischlerei Gimm hat während ihres langjährigen Bestehens kontinuierlich und regelmäßig Lehrlinge/Auszubildende beschäftigt und sie auf ihren künftigen Handwerksberuf akribisch vorbereitet. Die Zahl der eingehenden Bewerbungen schwankt naturgemäß von Jahr zu Jahr etwas, dennoch bleibt festzuhalten, dass die Tischlerei Gimm insgesamt bisher ungefähr 150 Lehrlinge/Auszubildende ausgebildet und sie zu Gesellen geformt hat, und dies auch künftig weiterhin fortsetzen wird. Für die Tischlermeister sind neben guten Schulnoten vor allem Ausgeschlafenheit, Pünktlichkeit und Aufgeschlossenheit unabdingbar. Während eines Praktikums signalisieren ihre Mitarbeiter meistens recht schnell und zeitnah, wer ins Team passen könnte.

Tätigkeit und Ausbildung eines Tischlers im Überblick

Tischler/innen stellen Möbel, Türen und Fenster aus Holz und Holzwerkstoffen her oder führen Innenausbauten durch, meist Einzelstücke. Tischler/innen arbeiten überwiegend bei Herstellern von Möbeln, Holzwaren oder Holzkonstruktionsteilen sowie im Tischlerhandwerk, z. B. in Bautischlereien. Darüber hinaus können sie bei Herstellern von Holzwerkstoffen oder in Baumärkten und Möbelhäusern beschäftigt sein. Auch Theater mit eigener Tischlerei, Messebauunternehmen oder Betriebe des Schiffbaus kommen als Arbeitgeber infrage. Tischler/in ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach der Handwerksordnung. Diese bundesweit geregelte 3-jährige Ausbildung wird im Handwerk angeboten. Auch eine schulische Ausbildung ist möglich. Quelle: Agentur für Arbeit.

Gegenwart und Ausblick

Seit dem 1. Januar 2021 ist Niels Budach alleiniger Inhaber der Tischlerei und führt dieses Unternehmen seit mittlerweile gut neun Monaten am Firmensitz in der Max-Planck-Straße fort. Niels ist 1978 in Flensburg geboren, und auf dem elterlichen Hof in Jarplund aufgewachsen.
Am 01.08.1996 begann er seine Ausbildung in der Tischlerei Uwe Hansen in Flensburg, danach blieb er seinem Lehrbetrieb treu und arbeitete dort weiterhin als Geselle.
In 2013 machte er sich selbständig auf dem elterlichen Hof mit der Firma Montagebau Jarplund, er spezialisierte sich auf den Einbau von Fenstern und Türen sowie auf Trockenbauarbeiten. Von anfangs 2 Mitarbeitern entwickelte sich die Firma kontinuierlich weiter, so beschäftigte sie im Jahre 2018 bereits 15 Mitarbeiter.
Der zur Verfügung stehende Platz auf dem Hof wurde schließlich zu eng – für den künftigen Firmensitz musste eine andere Lösung her. Im Sommer 2018 kaufte und übernahm Firmeninhaber
Niels Budach sämtliche Gebäude einschließlich der Maschinen der Tischlerei Gimm, die von da an Mieter in den Räumen von Montagebau Jarplund war. Es wurde ordentlich in die Zukunft investiert: Eine neue Heizungsanlage und dazu eine neue Absauganlage wurden eingebaut, weitere Maschinen kamen hinzu und die Fensterfront in der Werkstatt wurde erneuert.
Ende 2020 wurde das Fundament für eine 400 qm große beheizte Lagerhalle geschüttet, da es aufgrund der positiven Entwicklung inzwischen an Lager- und Werkstattplatz mangelte.
Seit 01.01.2021 führt Niels Budach die Tischlerei Gimm (einschließlich der Mitarbeiter), gemeinsam mit der bereits von ihm geführten Firma Montagebau Jarplund. Johannes Thomsen (vormals Geschäftsführer der Tischlerei Gimm) wurde halbtags im Büro angestellt. Beide Firmen ergänzen sich optimal – so kann ein breites Spektrum der anfallenden Tischlerarbeiten fachmännisch abgedeckt werden.
Niels Budach blickt optimistisch in die Zukunft. Er wird auch weiterhin gemeinsam mit seinen Mitarbeitern als zuverlässiger Partner für seine Kunden da sein.

Text: Peter Feuerschütz
Fotos: Benjamin Nolte, privat

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