Der Vormittag ist noch jung. Die vorfrühlingshafte Sonne gewinnt an Energie und taucht das Gelände am Flensburger Bahnhof in ein stimmungsvolles Raster heller und schattiger Flächen. Vor einem Nebengebäude ist eine rote Flagge gehisst. Darauf glänzt das Logo der „Ambulanten Dienste St. Elisabeth“, die vor anderthalb Jahren vom Güterbahnhof an diese Stelle umgezogen sind. Es ist noch still in den Räumlichkeiten. Die rund 40 Mitarbeiter sind in Flensburg und Harrislee unterwegs, um den Patienten beim Waschen zu helfen oder Verbände zu tauschen. Thomas Schwedhelm hält die Stellung und bedient das Telefon, das immer mal wieder klingelt. „Unser Standort liegt passend zwischen Ost- und Westteil der Stadt“, findet der Geschäftsführer.
Er sitzt immer vormittags in seinem Büro, am Nachmittag wechselt er in das Verwaltungsgebäude des St. Franziskus-Hospital an der Dorotheenstraße, da er auch als Geschäftsführer des Katharinen Hospiz am Park fungiert. Eine regional sehr anerkannte Einrichtung, die bald um einen Neubau erweitert werden soll. Zusätzlich ist Thomas Schwedhelm in einer weiteren hundertprozentigen Tochter der „Malteser“ als Geschäftsführer eingesetzt. Unter deren Dach arbeiten zwei Facharzt-Praxen in Harrislee und Mürwik.

Thomas Schwedhelm

Der 51-Jährige ist längst fest verankert in Deutschlands nördlichster Stadt. Erst beim Blick auf seine Biografie merkt man, dass er ein zugewanderter „Flensburger Kopf“ ist. Er ist ein gebürtiger Bremer, wuchs im Stadtteil Neue Vahr auf. Auf Grundschule, Gymnasium und Abitur folgte eine Ausbildung – das kann man sich heute pfiffigar nicht mehr vorstellen – zum Speditionskaufmann. Die Lehrjahre bestritt er in einem Unternehmen, das häufiger seinen Namen wechselte und längst von größerer Konkurrenz aufgekauft wurde. Damals war Thomas Schwedhelm voll in die Logistik und den Import von „Jacobs Kaffee“ involviert.
Der Zivildienst brachte ihn erstmals in Kontakt mit dem Sozialbereich. „Ich hatte schon eine Zusage für eine Stelle in Bremen“, erzählt er. „Dann erfuhr ich, dass ich viel im Büro sitzen müsste. Das hatte ich schon in der Ausbildung genug getan.“ Der Zufall stand Pate: Ein Freund studierte Medizin in Marburg und bekam ein Stellengesuch des dortigen Studentenwerks in die Hand. Ein Biologie-Student, der wegen einer Art Muskelschwund im Rollstuhl saß, benötigte für seinen Alltag eine individuelle Betreuung.
So landete Thomas Schwedhelm in Hessen und einige Monate später in Australien. Denn der Schützling hatte den großen Traum von „Down Under“. Letztendlich war eine kleine Männer-Gruppe mit Auto und Flugzeug unterwegs und besuchte die Oper von Sydney, sah die Skyline von Melbourne, tauchte in der Hauptstadt Canberra auf und wagte sich ins tropische Cairns. Und auch die „Scenic Railway“, die als steilster Schrägaufzug der Welt firmiert ist, stoppte den Elan der europäischen Gäste nicht. Ein Mitreisender hielt den Rollstuhl fest, ein anderer seinen Insassen.
Der Zivildienst hatte bei Thomas Schwedhelm bleibende Eindrücke hinterlassen, war aber keine Initialzündung für eine Tätigkeit im Sozialwesen. Für rund ein Jahr ging es zurück ins Speditionsgewerbe. Es reifte der Gedanke an ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt der Logistik. Das war in Flensburg möglich, einer ihm bis dahin unbekannten Stadt. Als der junge Mann an der letzten Ausfahrt vor der Grenze die Autobahn verließ, registrierte er schnell überraschende Erkenntnisse. „Ich hatte gar nicht gewusst, dass Flensburg so dicht an Dänemark liegt“, schmunzelt er. „Es war auch überraschend hügelig, und zum Glück auf Anhieb sympathisch.“
Er war noch ahnungslos, hatte keinen persönlichen Draht zu den Menschen in seiner neuen Wahlheimat und musste Zeitungen wälzen, um eine Wohnung auf dem Sandberg zu ergattern. Als er mit dem Sommersemester 1994 einstieg, lernte er einige Kommilitonen kennen, die ihm von Roland Trill vorschwärmten: „Da musst du mal hin, der macht gute Veranstaltungen und Projekte mit echtem Praxisbezug!“ Der Professor hatte 1992 den Studiengang „Krankenhaus-Management“ eingeführt. Thomas Schwedhelm ließ sich inspirieren und begeistern – und bereicherte seinen Schwerpunkt „Personal-Organisation“ um das Nebenfach „Krankenhaus-Management“. Nach zwei Jahren war die Zeit reif für einen Nebenjob. Zufällig kegelten Roland Trill und die Personalleiterin vom Flensburger Franziskus-Hospital gemeinsam. „Haben Sie einen pfiffigen Studenten, der bei uns aushelfen kann?“ Ja, hatte er – und Thomas Schwedhelm war urplötzlich Mitarbeiter in der Personalabteilung des Krankenhauses. Er beschäftigte sich mit Urlaubsmeldungen und Lohnabrechnungen der Mitarbeiter. Es schloss sich ein Praktikum an, das auch den Finanzbereich und das Controlling beinhaltete. So stand nach dem Ende des Studiums im Herbst 1997 einem nahtlosen Übergang nichts im Wege.
Im Verwaltungs- und Finanzsektor des Franziskus-Hospitals war Thomas Schwedhelm bis 2015 mit diversen Aufgaben betraut. Unter anderem belebte er auch die seit vielen Jahren brachliegende kaufmännische Ausbildung im Krankenhaus. Nicht nur beruflich, auch privat hatte er inzwischen Wurzeln im hohen Norden geschlagen. Er hatte eine Studentin aus Rendsburg kennengelernt: seine heutige Frau Hilka. Die Tochter ist inzwischen erwachsen, das Ehepaar hat sich nach einigen Stationen im Stadtgebiet in Mürwik niedergelassen.
Ein Bezug zu Bremen ist weiterhin vorhanden. Bruder und Schwester wohnen noch an der Weser. Und dann gibt es noch den SV Werder. Als Fan war Thomas Schwedhelm dabei, wie sein Klub zunächst an einigen Titeln vorbeischrammte (1986 – der „Kutzop-Elfer“), dann aber auch rauschende Erfolge feierte. Er war 1993 mit nach Stuttgart zur Meister-Krönung und im Jahr zuvor beim Europapokal-Finale in Lissabon vor Ort. Das 2:0 gegen Monaco wird er wohl nicht vergessen. „Die Tore schossen Klaus Allofs und Wynton Rufer!“, weiß Thomas Schwedhelm, ohne nachzudenken. Als Jugendlicher verkaufte er im Weser-Stadion Getränke, und einmal sollte er selbst auf dem grünen Rasen spielen. Bei einem Vorspiel, das dann allerdings aufgrund starker Niederschläge auf einen Nebenplatz verlegt wurde. Dort kassierten seine Kicker vom SC Vahr gegen die Jugend des SV Werder eine 0:14-Packung. Als Student schloss sich Thomas Schwedhelm dem TSB Flensburg an. Die Spielberechtigung ließ auf sich warten. So gab sich der ungeduldige Fußballer vor einer Einwechslung die Identität eines verletzten Spielers. Der Schiedsrichter kam auf ihn zu: „Das würde ich mir gut überlegen, Sie sind nicht Herr Herzog!“ Thomas Schwedhelm verschob sein Flensburg-Debüt, um eine langfristige Sperre zu vermeiden, und stellte fest: Flensburg ist kleiner als Bremen, hier kennt man sich. Heute stürmt er für die TSB-Altliga und wartet seit November auf das Comeback des Amateur-Fußballs. „Wir haben eine Whatsapp-Gruppe, aber da ist es merklich ruhiger geworden.“

Amateurkicker mit der TSB-Altliga

Beruflich keineswegs. Seit Herbst 2003 ist Thomas Schwedhelm Geschäftsführer. Diesen Posten übernahm er damals zunächst für das Katharinen Hospiz am Park. Diese Institution tragen die beiden Flensburger Krankenhäuser gemeinsam. Vor knapp zwei Dekaden klaffte in der wirtschaftlichen Leitung eine Lücke. Thomas Schwedhelm sprang zunächst stundenweise ein, längst ist daraus ein Halbtags-Job geworden. Schnell nahm ein ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst seinen Dienst auf. 2010 folgte die Spezialisierte Ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV). Dabei werden schwerstkranke Patienten mit lebensverkürzenden Erkrankungen von Ärzten und Pflegekräften zu Hause im Kreis der Angehörigen begleitet. „Unsere Arbeit richtet sich nicht nur an die Menschen in Flensburg, sondern auch an die im Kreis Schleswig-Flensburg und in Nordfriesland“, erklärt der Geschäftsführer.
Er ist häufiger am Spendenfisch zu sehen, wenn größere Zuwendungen von Vereinen und Privatpersonen mit einem offiziellen Foto dokumentiert werden. Das Katharinen Hospiz am Park ist auf Spenden angewiesen, hat einen Förderverein und eine Stiftung zur Unterstützung. Thomas Schwedhelm ist nicht in die tägliche Arbeit eingebunden, aber im steten Kontakt mit den Protagonisten. Ein Schwerpunkt aktuell: Die Erweiterung. Das Bauleitverfahren ist durch, das Vorhaben liegt nun beim Sozialministerium. Ein Baubeginn in diesem Jahr wird erhofft. Dann könnte die Einweihung im nächsten Jahr mit dem 30-jährigen Bestehen der Einrichtung kombiniert und wieder prominente Gäste begrüßt werden. In der Vergangenheit schauten schon Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen, Familienministerin Kristina Schröder oder der ehemalige Vize-Kanzler Franz Müntefering als Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen in der Flensburger Mühlenstraße vorbei.
Der Plan für die Erweiterung des Katharinen Hospizes sieht so aus: Das kleinere der beiden Gebäude wird abgerissen. Während der Bauphase wird der ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst in die Wrangelstraße ausgelagert, um dann in das heutige Hauptgebäude einzuziehen. Dort verbleibt die Verwaltung. Die stationäre Patientenversorgung selbst soll ausschließlich im Neubau stattfinden. Die Zahl der Betten wird von sechs auf zwölf erhöht. „Der Bedarf ist schon länger da“, betont Thomas Schwedhelm. „Es sterben nicht mehr Menschen, aber die Palliativ-Medizin wird mehr angenommen und wir beschränken uns nicht mehr auf Krebs-Patienten.“ 120 bis 140 Personen werden jährlich im Katharinen Hospiz betreut. Zwei Drittel sind dann so stabil, dass sie nach Hause können, um dort zu sterben.

In der ehemaligen Gaststätte in der Marienhölzung entstanden in der zweiten Jahreshälfte des vergangenen Jahres Räume für die Mitarbeiter der ambulanten Bereiche des Katharinen Hospiz am Park. Sobald es wieder möglich ist, soll ein ehrenamtlich geführtes Café an den Wochenenden die Flensburger zu Kaffee und Kuchen in die Marienhölzung locken.
Der Geschäftsführer übernahm ab 2015 zusätzlich neue Aufgaben. Bis 2019 hatte er die kaufmännische Leitung bei der Malteser-Gesellschaft für vier Pflegeheime in Norddeutschland inne. Dazu zählten neben dem Flensburger „Malteserstift St. Klara“ drei Pflegeheime in Wismar, Travemünde und Hamburg. „Damit verbunden war viel Fahrerei und auch Übernachtungen außerhalb“, berichtet Thomas Schwedhelm. „Ich wollte wieder mehr in Flensburg sein.“ Es fanden sich neue Tätigkeiten in der Fördestadt.
Neben der Familie prägt das Ehrenamt die Freizeit. Der 51-Jährige ist Mitglied des Lions Club Flensburg-Schiffbrücke und war bereits 2013/14 sein Präsident. Eine interessante Schnittstelle: Zahnärztliche Praxen in der Region sammeln ausgedientes Zahngold ihrer Patienten und übergeben es jährlich dem Lions Club. Aus dem Erlös wird seit Jahren eine Vollzeitstelle für den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst des Katharinen Hospizes finanziert. Derzeit sind die Vereinsaktivitäten bis auf einige Video-Konferenzen komplett heruntergefahren.

Mit dem Lions Club Flensburg-Schiffbrücke auf Tour

Thomas Schwedhelm wirkt auch im Vorstand des Vereins „Schönste Förde der Welt“ mit. Mit dem Regional-Marketing soll das Image der Grenzstadt aufpoliert, Tourismus und Wirtschaft angekurbelt werden. „Flensburg hat etwas zu bieten“, findet Thomas Schwedhelm und zählt auf: „Innenstadt und Strände, Sport und Kultur. Das sind Faktoren, die auch für den Gesundheitsbereich bei der Akquise von Mitarbeitern wichtig sind.“ Er sitzt auch im neunköpfigen Aufsichtsrat der Wohnungsgenossenschaft SBV. Seit zwei Jahren begleitet und unterstützt er gemeinsam mit einigen Vertretern der Mieter und der lokalen Wirtschaft die Geschäftsführung des SBV.

Der Aufsichtsrat des SBV Flensburg

Der „Flensburger Kopf“ reist gerne. Bis auf Südamerika und die Antarktis hat er schon alle Kontinente besucht. Vietnam, die USA oder Tansania befriedigten das Fernweh. „Die Tierwelt Afrikas hat mich besonders beeindruckt“, erzählt er. Bis auf das Nashorn hat
er alle Mitglieder der „Big Five“, also Elefant, Büffel, Leopard und Löwe, gesichtet. Im Winter schätzt Thomas Schwedhelm eine Ski-Tour mit Freunden. In normalen Zeiten steigt er im Januar in einen dänischen Reisebus, um ins Zillertal zu gelangen. Für ein verlängertes Wochenende! Einmal hatte das Vehikel schon bei Tarp einen platten Reifen. Im Schleichgang ging es in die Pattburger Werkstatt. Die Reisegruppe musste auf einen Ersatzbus warten. „Da hat ein Däne seine Gitarre aus dem Gepäck genommen und Musik gemacht“, schmunzelt Thomas Schwedhelm. „Kurz darauf entstand eine Polonäse durch die gesamte Werkstatt.“
Er hat noch ein anderes Hobby: Er erfindet Gesellschaftsspiele. In diesem Zusammenhang ist er als Mitglied im Verein „Spiele-Autoren-Zunft“ registriert. Einmal besuchte der Flensburger sogar eine Spieleautoren-Messe in München. Sein Brettspiel „Colore Nostro“ wurde von einem Verlag als sehr gut und geeignet befunden, wurde aber noch nicht auf den Markt gebracht.
Bei den „Ambulanten Diensten St. Elisabeth“ ist inzwischen mehr Betrieb. Thomas Schwedhelm war dort schon länger als zweiter Geschäftsführer tätig, aber eher als „Reserve“ von Axel Kohrt. Als dieser in den Ruhestand ging, übernahm der Jüngere des Duos im Mai 2020 das Zepter. Sitzungen und Gespräche prägen nun den Alltag, der in Corona-Zeiten mehr als sonst auf Video-Konferenzen und Telefonaten basiert. Der Aufwand im Pflege-Sektor ist nicht kleiner geworden. „Nur ab und an rufen Patienten an, die nicht unbedingt auf uns angewiesen sind, und sagen einen Termin ab, um Kontakte zu vermeiden“, erzählt Thomas Schwedhelm.

Text: Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner, privat

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