Die Sommersonne glitzert durch die Baumkronen. Trotz ihrer Wucht dringt sie an vielen Stellen nicht bis zum Boden durch. Die Flensburger Marienhölzung bietet viel Schatten. Spaziergänger genießen die „grüne Lunge“. Dann rasen mehrere Sportler den Weg hinunter, durchbrechen mit weiten Schritten die Stille. Plötzlich ertönt ein Pfiff – und die Laufbewegungen gehen in einen entspannten Gang über. Die Handballer der SG Flensburg-Handewitt haben den Wald erobert, ihr Trainer Maik Machulla achtet genau darauf, dass sich Phasen der Belastung und der Regeneration abwechseln.
Alles gut ist allerdings nicht. Die heimische Idylle wurde bereits von ersten Sorgen gestört. Johannes Golla fehlte bei der Laufeinheit in der Marienhölzung. Der Kreisläufer hatte sich wenige Stunden zuvor in der Duburghalle verletzt – bei einem Zweikampf. Die Diagnose: ein Mittelfußbruch, drei Monate Pause. „So ein Mist“, ärgerte sich SG Geschäftsführer Dierk Schmäschke. „Johannes hat sich zu einem Eckpfeiler in unserem Kader entwickelt und war mit viel Power aus der Pause zurückgekehrt.“ Am Kreis zwickt es kräftig: Anders Zachariassen wechselte nach Gudme, Simon Hald muss sich nach langwieriger Verletzung wieder herantasten, und Jacob Heinl spielte seit gefühlter Ewigkeit nicht mehr im Angriff.
Überhaupt ist es keine Vorbereitung wie sonst. Das zeigt ein Blick in die Duburghalle, in der wegen der Corona-Restriktionen fünf Monate nicht trainiert werden konnte. Richtungspfeile als Wegweiser, Interviews mit Mund-Nasen-Schutz und Desinfektionsmittel im Eingangsbereich kennzeichnen den derzeitigen Alltag. Ebenso Corona-Tests, die alle Teammitglieder und das direkte Umfeld regelmäßig absolvieren. Derweil arbeiten Geschäftsstelle und Beirat für die Heimspiele an diversen Modellen. Für „alle Eventualitäten“ sollen die Rahmenbedingungen für Geisterspiele oder Partien mit 500 bis zu 3000 Zuschauern fixiert werden. Bevor im Oktober die Bundesliga beginnt, soll die SG bereits im September zwei Mal in der europäischen Champions League antreten und gegen den THW Kiel in Düsseldorf um den Super Cup buhlen.
Ob es wirklich losgeht, kann niemand definitiv sagen. „Als erstes hoffen wir, dass wir wieder Handball spielen können“, sagt Mads Mensah Larsen. „Wir haben sicherlich eine sehr gute Mannschaft beisammen. Wenn wir uns voll auf uns fokussieren, können wir jedes Spiel gewinnen. Und dann ergibt sich automatisch auch das Ziel, einen Titel zu gewinnen. Das sehen der Rest der Mannschaft und der Verein sicherlich ähnlich.“
Der Däne ist einer von drei Neuzugängen im SG Kader – und mit Sicherheit der erfahrenste. Das Rückraumass bejubelte schon Olympia-Gold sowie WM-Titel und spielte die letzten sechs Jahre bei den Rhein-Neckar Löwen. Im rechten Rückraum ist die SG buchstäblich in den Jungbrunnen gefallen. Der 37-jährige Holger Glandorf hörte auf, der 23-jährige Magnus Rød wird nun vom gleichaltrigen Franz Semper unterstützt. „Die ersten Tage brachten bereits viele neue Erfahrungen und neue Eindrücke“, sagte der Ex-Leipziger. Der Zwei-Meter-Mann Lasse Møller hat für den Bundesliga-Traum seinen Stammverein GOG Gudme verlassen und bringt alle Voraussetzungen mit für eine große Karriere. „Bei der SG gab es schon einige sehr lange dänische Karrieren“, sagt der 24-Jährige. „Eine langfristige Perspektive ist für mich ein Ziel.“
Maik Machulla musste improvisieren wie noch nie. „Wir befinden uns in einer Gewöhnungsphase“, sagte der Coach anfangs. Gerade die Schultern der Spieler sollen langsam an die zuletzt wenig praktizierten Würfe gewöhnt werden. Zweikämpfe waren zunächst noch verpönt, zeitweise simulierten mehrere „Dummys“ die Abwehrreihe. Erst für den 25. August war das erste Testspiel terminiert. Und danach das Trainingslager in Juelsminde. Dänische Ostsee statt Schweden – es ist eben eine etwas andere Vorbereitung als sonst.

Bericht und Fotos: Jan Kirschner

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