Tabak ist das Thema einer gemeinsamen Ausstellung vom Flensburger Schifffahrtsmuseum und dem Naturwissenschaftlichen Museum, die am 18. April eröffnen soll. Sie handelt von der wechselvollen Geschichte des Anbaus, der Verarbeitung und des Handels dieser Kolonialware in Flensburg und Umgebung.

Die Schiffsmannschaften von Christopher Columbus waren die ersten Europäer, die in Kontakt mit Tabak kamen, als sie auf Cuba rauchende Indigene beobachteten. 1519 brachten Seefahrer dann Tabakblätter oder -samen nach Spanien, von wo aus die Pflanze in der Folge in alle Teile Europas gelangte.
In Deutschland wurde der erste Tabak Ende des 16. Jahrhunderts in der Kurpfalz landwirtschaftlich angebaut. Die Pflanze diente als Genussmittel und zur Gewinnung von Heilmitteln gegen alle möglichen Krankheiten. Folglich war Tabak lange Zeit nur in Apotheken zu kaufen.
Mancher Zeitgenosse wunderte sich über das Rauchen: So berichtete 1627 der kurpfälzische Gesandte Johann Joachim von Rusdorff empört über eine neue Mode in den Niederlanden: „Ich kann nicht umhin, Mode zu tadeln, welche man eine Sauferei des Nebels nennen kann, die alle alte und neue Trinkleidenschaft übertrifft. Wüste Menschen pflegen nämlich den Rauch von einer Pflanze, die sie Nicotina oder Tabak nennen, mit unglaublicher Begierde und unauslöschlichem Eifer zu trinken und einzuschlürfen.“

1766 kommt man in Flensburg zu einer völlig gegenteiligen Einschätzung. Die Königl. allergnädigst privilegirte Adresse-Contoirs- Nachrichten berichten begeistert „… Der Toback ist nicht allein ein kräftiges Präservatis wider die Pest und alle ansteckenden Krankheiten, sondern stillet den Hunger, lindert Schmerzen und heilet Wunden.“ Konflikte zwischen Rauchern und Nichtrauchern haben den Tabak offenbar von Anbeginn begleitet. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Tabakproduktion zum wichtigsten Industriezweig Flensburgs, in dem zu jener Zeit rund 400 Arbeiter beschäftigt waren, darunter wie in diesem Gewerbe üblich viele Frauen und Kinder.

Jährlich wurden rund 400.000 Pfund Rauch- und Kautabak und bis zu 20 Millionen Zigarren hergestellt. Der Rohstoff stammte zu etwa 40 % aus der Region, davon viel aus der Gegend um Fredericia. Der Rest kam aus Nordamerika und Westindien.
Im Hafen der dänischen Karibik-Kolonie von St. Thomas wurde der Tabak umgeschlagen. Die Produkte gingen zum Großteil nach Kopenhagen, aber auch zurück in die dänischen Kolonien. Flensburger Schiffe transportierten den Tabak nach Möglichkeit geschmuggelt. Die Kaufleute und Produzenten kämpften nicht nur kreativ gegen ihren natürlichen Feind, den Zoll, sondern machten sich in erbitterter Konkurrenz ebenso gegenseitig das Leben schwer.
Für den Seemann war Tabak neben alkoholischen Getränken das wichtigste Genussmittel. Er gehörte zur Grundausstattung und diente nicht nur der eigenen Erbauung, sondern war an Bord – wie auch in Notzeiten an Land – eine wichtige Währung und Tauschware.
Weltweit geschätzt war die wortwörtlich belebende Wirkung des Tabaks. So wurde noch im 19. Jahrhundert in der britischen Marine Fast-Ertrunkenen über ein Rohr Tabakrauch in die Lunge geblasen. Dieses zum Glück in Vergessenheit geratene Verfahren gehörte zu den bewährten Wiederbelebungstechniken des Bordarztes.
Tabak an Bord war nicht nur ein beliebter Stimmungsaufheller und gelegentlicher Lebensretter, sondern auch eine wertvolle wie empfindliche Schiffsladung. Wie der Flensburger Freihafen-Direktor Wilhelm Rotermund 1930 schrieb, wurde der amerikanische Tabak in Fässern und Kisten verladen, die Deckblätter dagegen in Ballen. Letztere mussten waagerecht gestaut und zum Schutz vor Beschädigung der unteren Ballen keinesfalls hoch gestapelt werden. Die Tabakladung war vor Schimmel zu schützen und von anderer, womöglich riechender Ladung in derselben Luke fernzuhalten. Bei der Verladung mahnte Rotermund höchste Sorgfalt an, denn „jeder Tropfen Wasser, der die Mattenverpackung eines Tabakballens durchdringt, färbt die Hülle braun, der Ballen gilt dann als beschädigt.“
Die tabakverarbeitende Industrie wie auch der Tabakanbau ist in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Mit dem Wegfall der EU-Förderung für Tabakpflanzer schrumpfte die Anbaufläche weiter. Die letzten schleswig-holsteinischen Bauern gaben 2015/2016 auf. Vor allem in Süddeutschland wird allerdings weiterhin Tabak für Zigaretten und Wasserpfeifen angebaut. Doch 95 % des in Deutschland verkauften Tabaks wird importiert. Daran verdient der Staat weiterhin kräftig mit, denn 2020 wurden Tabaksteuereinnahmen von über 14 Milliarden Euro erwartet.

Die Ausstellung im Flensburger Schifffahrtsmuseum beleuchtet ein facettenreiches Kapitel der Handels-und Hafengeschichte dieser Stadt. Sie zeigt, wie Tabak in der Region angebaut, geerntet, verarbeitet und gehandelt wurde. Betrachtungen über die gesellschaftliche Stellung des Rauchens sind ebenso Thema wie die vom Nikotin und dem Rauchen hervorgerufenen gesundheitlichen Gefahren und Schäden. Ökologische Informationen über die verschiedenen Tabakarten und ihre Verwendung abseits des Rauchens, Kauens und Schnupfens runden die Schau ab, die bis zum 15. August zu sehen sein wird. Das Land Schleswig-Holstein fördert die Ausstellung im Rahmen der grenzüberschreitenden „Gartenschau Blumen bauen Brücken“.
Begleitend stehen an den Flensburger Museen Pflanzkästen mit zur Rauchtabakgewinnung ungeeigneten Ziertabakpflanzen. Nähere Details mit Angaben zum Begleitprogramm finden sich unter www.starker-toback.de

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