Anton Lindskog, Neuzugang der SG Flensburg-Handewitt, und sein schwedischer Teamkamerad Hampus Wanne betreten ein italienisches Restaurant in der Neustadt. Der Tisch ist gedeckt. Daran sitzen bereits Glenn Solberg, der schwedische Nationalcoach, und Athletik-Trainer Rickard Nilsson. Die beiden Herren sind auf einer Tour durch Dänemark und Deutschland, um alle schwedischen Nationalspieler zu besuchen. Es geht um eine Analyse der Olympischen Spiele von Tokio, um den Plan für die nächsten Monate und die weiteren Ziele. Anfang November stehen zwei Länderspiele gegen Polen auf dem Programm: Das erste wird in der Metropole Malmö ausgetragen, das zweite im beschaulichen Kristianstad.
Im südschwedischen 30000-Einwohner-Städtchen wurde Anton Lindskog 1993 geboren. Er realisiert, als er mit dem Nationalcoach speist, dass er es weit gebracht hat. Er gehört zum Kreis der 15 besten Handballer Schwedens. Einst hatte alles so klein begonnen, wobei der ein Jahr ältere Bruder André die wichtigste Bezugsperson war. „Wir haben immer zusammen gespielt, Sport getrieben und besuchten stets dieselbe Schule“, erinnert sich der Profi. „Heute liebt André den Handball immer noch mehr als ich. Er spielt zwar nicht mehr selbst, trainiert aber die Junioren von Kristianstad und schaut praktisch immer Handball im Fernsehen, auch meine Spiele.“

Zunächst spielten die beiden Brüder – sie waren sechs und sieben Jahre alt – Fußball in Nosaby, einem kleinen Vor­ort von Kristianstad. Der Trainer war offenbar ein Multi-Talent und kümmerte sich auch um die Handball-Jugendabteilung des Nachbarvereins Näsby IF. Bald waren Anton Lindskog, sein Bruder und auch mehrere Freunde mit dem Handball unterwegs. „Ich spielte noch mit 14 Jahren Fußball, hatte mich aber schon früh entschieden“, schmunzelt der heute 27-Jährige. „Handball brachte mir mehr Spaß. Für Fußball war ich zu groß und nicht schnell genug.“
2012 wechselte er zu IFK Kristianstad, einem der besten Klubs in Schweden. 2015 und 2016 wurde der Kreisläufer Landesmeister und traf in Testspielen mehrfach auf die SG, die in jener Dekade ihr Trainingslager stets in Kristianstad aufschlug und in Ahus, 15 Kilometer weiter, stets ein Beachhandball-Turnier bestritt. In diesem Ferienort an der Ostsee lebt heute die Familie von Anton Lindskog. Angeln steht in seinem Steckbrief. Es ist das Hobby für den Urlaub in Ahus. „Dann fahren wir ein bis zwei Mal die Woche mit dem Boot aufs Meer“, berichtet der Handballer. „Wir steuern die ruhigen Buchten an und halten dort die Angeln zwei bis drei Stunden ins Wasser.“
2016 zog es Anton Lindskog in die Bundesliga zur HSG Wetzlar. In Hessen tummelte er sich im Mittelmaß. Aus der Ferne beeindruckte ihn, wie die SG stets um die Titel buhlte. „Mit zweiten oder dritten Plätzen gibt man sich in Flensburg nicht zufrieden, in Wetzlar reichte dazu ein Platz um acht bis elf“, erzählt der Kreisläufer. „In Wetzlar spürte man nicht in jedem Spiel den Druck, unbedingt gewinnen zu müssen, um ja nicht die Meisterschaft zu verpassen.“ Der Traum von einem deutschen Spitzenklub gedieh.
Während der letzten Saison rief sein Berater an und signalisierte ihm, dass die SG einige Kreisläufer genauer beobachten würde, darunter auch ihn. „Einige Wochen später rief mein Berater wieder an und teilte mir mit, dass die SG mich will“, erzählt Anton Lindskog. „Dann war es ganz einfach, denn ich wollte auch.“ Mit Trainer Maik Machulla besprach er das Sportliche, mit Geschäftsführer Dierk Schmäschke die Vertragsinhalte. Vorher schon hatte er sich mit Hampus Wanne und Jim Gottfridsson, den schwedischen Nationalspielern der SG, ausgetauscht. Wie läuft es denn so im Alltag? Jim Gottfridsson ist nun auch der Nachbar in Handewitt. Anton Lindskog zog mit Freundin Sofia und Töchterchen Elena (20 Monate) in das Haus, das zuvor der bisherige SG-Linksaußen Magnus Jöndal bewohnt hatte.

Auch wenn der Handball-Betrieb mal ruht, langweilt sich der Neuzugang nicht. Mit einem kleinen Kind gibt es immer etwas zu tun. Und wenn er mal ein paar Stunden Zeit abknapsen kann, dann spielt er gerne Golf. Mit Hampus Wanne war Anton Lindskog zwei Mal los. Einmal nach Glücksburg, das andere Mal nach Hof Berg in Nordfriesland. „Da Golf komplett anders ist als Handball, eignet sich diese Sportart hervorragend, um abzuschalten“, findet der Schwede. „Es ist nur etwas nervig, wenn man mal einen Ball verschlägt.“
Bei der SG fühlte er sich inmitten von „netten Typen“ schnell integriert. In der Defensive ist er neben Johannes Golla und Simon Hald als dritter Innenverteidiger eingeplant. In der Offensive kann er eine schwedische Achse mit Jim Gottfridsson bilden. Bislang hatte Anton Lindskog hinten mehr Spielanteile als vorne. „In der Abwehr ist es etwas leichter, in ein Team zu finden“, erklärt er. „Im Angriff gibt es so viele Spielzüge. Außerdem hatte ich zeitweise Rückenbeschwerden, die mich in meiner Beweglichkeit hemmten.“

In der schwedischen Nationalmannschaft brachte er es bislang auf 29 Länderspiele. Zuletzt weilte er bei den Olympischen Spielen in Tokio. Dieses Sportevent war eine „große Erfahrung“, weiß Anton Lindskog, wenngleich er nur einmal auf dem Spielbericht auftauchte. Anders im Januar, als er in Ägypten Vize-Weltmeister wurde. Und auch anders als 2013, als er bei der U-21-WM ebenfalls mit Silber heimkehrte. Beim dritten Finaleinzug darf es gerne Gold werden. Darüber spricht Anton Lindskog an diesem Mittag auch mit Nationalcoach Glenn Solberg. 2023 findet die Weltmeisterschaft in Schweden und Polen statt.

Text und Fotos: Jan Kirschner

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