Dunkle Wolken über Flensburg. Es gießt wie aus Kübeln. Passanten schreiten hastig durch die Norderstraße, zumeist mit einem Regenschirm in der Hand. Das Haus Nummer acht ist verhüllt und trägt „grün“. Ein Regenmantel, denkt man angesichts der Witterung. Es handelt sich um eine Schutzhülle, dahinter versteckt sich ein Gerüst. Das Gebäude soll aufwändig saniert werden. Eine mannshohe Stellwand dokumentiert das Innenleben und vor allem die Historie des denkmalgeschützten Objektes.

Das alte Kaufmannshaus trägt den Namen Eckener Haus, benannt nach den bekanntesten Inhabern. Diese Familie besaß das Prachtstück zwischen 1882 und 1913. Ihr berühmtester Spross war der Luftschiffpionier Hugo Eckener. Er lebte hier als Gymnasiast und als junger Redakteur der „Flensburger Nachrichten“ – bis er 1897 Johanna Maaß, die Tochter seines Verlegers, heiratete. Nach den Flitterwochen in Ägypten ließ sich das Paar in Süddeutschland nieder. Hugo Eckener ließ sich von den Zeppelinen begeistern, wurde einer ihrer größten Verfechter und erlangte mit dem ersten Atlantikflug im Oktober 1924 Weltruhm. Kurz darauf erhielt er die Flensburger Ehrenbürgerwürde. Das war vor fast exakt 100 Jahren.

Das Eckener Haus
Der berühmteste Bewohner: Hugo Eckener

Besitzer-Wechsel 1914

Damals hatte bereits ein Verein seinen früheren Wohnsitz in der Norderstraße 8 übernommen. Der führte 1914 umfangreiche Änderungen durch. Die vorgesetzte Fassade von heute entstand, die Schaufenster verschwanden. Die verschiedenen Zimmer bekamen den Zeitgeist unterschiedlicher Stil­epochen verpasst – von Renaissance über Klassizismus bis Biedermann. Der Volksmund sprach nun vom „Alt-Flensburger Haus“. Später wurde in den einzelnen Räumen vieles überformt.

In den 1970er Jahren geriet der Verein ins Schlingern. Die Stadt sprang ein und erwarb das Gebäude. Verschiedene Konzepte und Pächter prägten die nächsten Dekaden, bis Flensburg das Eckener Haus im Jahr 2008 verkaufte – und acht Jahre später erneut erwarb. Dazu sahen sich die Stadtoberen aufgrund des schlechten Zustandes des leerstehenden Objektes gedrängt. „Seitdem wurde viel untersucht und viel überlegt“, erzählt der städtische Denkmalpfleger Eiko Wenzel. Im März 2019 bezifferte er den Sanierungsumfang auf vier bis fünf Millionen Euro. Inzwischen geht man von rund 14 Millionen Euro aus.

Das Eckener Haus
Sanierungsbedürftig: Blick ins Eckener Haus, 2017

Sanierung: Untersuchungen und Vorbereitungen

2021 wurde das Eckener Haus „eingetütet“ und die Bausubstanz unter die Lupe genommen. Je genauer man hinschaute, desto größer wurde der Schaden. Es gibt Risse im Mauerwerk und schadhafte Fugen. Die Fenster sind in einem miserablen Zustand. An den kleinen Sandsteinfiguren nagte der Zahn der Zeit. Sie sind bereits zum Restaurator. Auch ein Ofen wurde in seine Einzelteile zerlegt und verpackt. Ein Fenster, in dem sich der berühmte Maler Emil Nolde mit ein paar Kratzern verewigte, wurde ebenfalls bereits in Sicherheit gebracht.

Holzschutz und Schädlingsbekämpfung werden während der Sanierung ein großes Thema sein. Besondere Probleme bereitet der Dachstuhl oberhalb der ehemaligen Restaurant-Küche. Im Keller ist Wassereinfall keine Seltenheit – wohl wegen einer Umfunktionierung zum Luftschutzbunker im Zweiten Weltkrieg. Im Zuge der Kunstanalysen wurden hinter den Wänden so manche Kostbarkeiten entdeckt. „Was erhaltenswert und rekonstruierbar ist, soll gezeigt werden“, betont Eiko Wenzel.

Die nötige energetische Sanierung, moderne Haus­technik, neue Fluchtwege und die erforderliche Barrierefreiheit tragen ebenfalls ihren Anteil am Millionen-Projekt. Mike Barth, Inhaber von „Architekten Lorenzen“, spricht von einer „Herausforderung“. Denn: „Durch die jahrzehntelange Ruhe hat das Gebäude sehr gelitten.“ Zusätzlich soll zwischen Erdgeschoss und erstem Stockwerk ein Fahrstuhl eingebaut werden. Keller und Dachgeschoss werden zwar nicht einbezogen, dennoch meint der hiesige Kunsthistoriker Thomas Gädecke: „Ein so gewaltiger Eingriff in die Bausubstanz bricht Denkmalpflegern das Herz.“

Das Eckener Haus
Wird das Eckener Haus bald wieder so aussehen?

So geht es weiter

Das zukünftige Nutzungskonzept ist noch nicht fix, kann aber skizziert werden. Es soll ein Zentrum für geschichtliche Informationen und Kultur entstehen. Ausstellungen, Büros für Co-Working und Seminarräume sind angedacht. Unter dem Dach soll eine Wohnung für einen Autor oder Künstler eingerichtet werden. Einen Saal für Veranstaltungen gibt es im Anbau, der als Norderstraße 10 firmiert und 1976 errichtet wurde. Die Arkaden und die schmucklosen Fenster sollen in jedem Fall verschwinden. Stattdessen sollen weitere Räume und ein „Notausgang“ geschaffen werden.

Und das Zeitfenster? „Wir planen die öffentliche Information zum diesjährigen Tag der Städte­bauförderung am 4. Mai“, teilt Clemens Teschendorf, Sprecher der Stadt Flensburg, mit. „Ort, Zeit und Tagesordnung geben wir noch bekannt.“ Am 21. Mai soll der Städtische Umwelt- und Planungsausschuss „grünes Licht“ für die Sanierung geben. Danach sollen die Fördermittel beantragt werden. Der Baubeginn ist noch unklar. Zum Herbst, zum 100-jährigen Jubiläum des Atlantikflugs von Hugo Eckener, wird es wohl kaum etwas.

Text und Fotos: Jan Kirschner

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