Flensburg, die Stadt der E-Scooter. Nicht etwa, weil es hier besonders viele gäbe. Nein, weil ohne eine Allgemeine Betriebserlaubnis beim Kraftfahrt-Bundesamt kein Scooter in Deutschland auf die Straße kommt – oder auf den Gehweg oder den Fahrradweg?
Ohne „E“ dürfen Kids und die erwachsenen Kindgebliebenen so gut wie überall radeln (außer auf der Straße). Ist ja auch ein Spielgerät. Doch der Spaß hört auf, wenn ein Motörchen, sei es auch noch so bescheiden, das Treten beim Tretroller ablöst und das Gerät zum Fahrzeug wird.
So schnell kann das gehen. Und deshalb geht ohne Flensburg gar nichts. Ob die Flensburger nun stolz auf ihre Hoheitsrechte in Sachen Roller, pardon „Scooter“ sein dürfen, wird sich herausstellen. Denn noch hält sich die neue Mobilität in Grenzen, in den Grenzen der zugelassenen Anwendung. Auf Radwegen, Radfahrstreifen und in Fahrradstraßen erlaubt. Nur wenn diese fehlen, darf auf die Fahrbahn ausgewichen werden. Immerhin treten sie dort in Konkurrenz zu PS-starken Pkw, Bussen, Fahrrädern (mit und ohne E-Antrieb), Motorrädern und noch größerem Gerät. Merkwürdig bis unverständlich daher die Regelung, dass die kleinen Leisetreter zwar einen Versicherungsschutz (Haftpflicht) erfordern, aber für den Fahrer weder Helm noch sonstige Schützer Pflicht sind, im Gegensatz zu den Stramplern auf dem Fahrrad. Die Vernunft gebietet anderes. Schon deshalb, weil aus den Erfahrungen anderer Länder und Städte die Ampel für E-Roller auf (zumindest) gelb geschaltet wurde. Da Unfälle mit E-Scootern in Paris drastisch zugenommen haben, wurden Beschränkungen geplant. Wer dort verbotenerweise auf Gehwegen unterwegs ist, soll 135 Euro berappen, beim Überschreiten der Geschwindigkeitsbegrenzung von 25 Stundenkilometern werden dem Gesetzentwurf zufolge sogar bis zu 1500 Euro fällig werden. Und wer gar die Übernahme des neuen Geräts mit einem oder drei Glas Vin rouge feiert, erleidet die gleiche Abstrafung wie ein Pkw-Fahrer. Außerdem müssen die Pariser Roller mit Hupe, Rücklicht, Vorderlicht und Bremse ausgestattet sein. Mal sehen, wie lange deutsche Behörden brauchen, um den französischen zu folgen.
Wäre doch schade, wenn nach der neu gewonnenen Bewegungsfreiheit und nicht zuletzt umweltfreundlichen Initiative ein neues Korsett geschnürt würde, dass den Spaß am lautlosen Cruisen durch die City nehmen würde.
Anders in Tel Aviv: Dort gehören die E-Roller seit 2016 untrennbar zum Stadtbild. Nicht zuletzt dank des fast immer schönen Wetters sind vom 16-jährigen bis zum Banker im schwarzen Dress alle auf zwei Rädern unterwegs, den elektromobilen. Trotz Wahnsinnsverkehr scheinen sich die Vierrädrigen mit den Mini-Zweirädern nicht nennenswert in die Quere zu kommen.
Vielleicht bedarf es also weniger von oben gedachter und gemachter Regeln, sondern einer Änderung der allgemeinen Einstellung zur Vielfalt des zukünftigen Straßenverkehrs. Vielleicht müssen auch die Nutzer der neuen Freiheit einiges tun, um Image und Akzeptanz zu stärken. In San Francisco wurden tausende von wild abgestellten Scootern zum Ärgernis. Das könnte man vermeiden. Genauso wie wildes, rücksichtsloses Rollern auf Gehwegen, die Rivalität mit Fahrradfahrern und anderen Straßenverkehrsteilnehmern. Vielleicht sollte mal jemand auf die Idee kommen einheitlich gestaltete Helme zu sponsern, damit die Rollerpiloten sich von anderen bewegten Verkehrsteilnehmern unterscheiden. Es braucht nicht nur Regeln, sondern Kreativität, um den Verkehr der Zukunft umwelt- und mitmenschenverträglich zu gestalten. Denn eines ist unstrittig: Irgendwie müssen wir Schritt für Schritt weg von Öl, Gas und Benzin, auch wenn bisher der Strom nicht nur aus der Steckdose, sondern letztlich immer noch zum großen Teil von eben jenen Energielieferanten stammt. Je mehr wir jedoch Strom, lokal erzeugt, vor Ort nutzen, desto weniger bleiben wir abhängig von den fossilen Energieträgern und langen Leitungen, die den hier produzierten Wind- und Solarstrom durch die gesamte Republik befördern müssen.
Die Industrie ist der Politik, auch bei dem neuen Hype, voraus gewesen. Erst waren die Roller da, dann die Befürworter der neuen Technik. Na, gut, lieber spät als gar nicht. Dann aber Geräte, die den vorhandenen Bedingungen gerecht werden, sicher sind, ressourcenschonend, langlebig und verträglich mit dem, was schon vorhanden ist.
Bei Media Markt stehen schon eine ganze Reihe der elektrischen Roller„chen“. Demnächst auch einer der gehobenen Mittelklasse.
„ICONBIT IK-1972K TRACER E-Scooter“ heißt das Teil. Sie werden sich den Namen nicht merken können. Besser also mal hinfahren, gerne auch mit dem Bus, und ansehen. Ausstattung ist topp. Volle Kontrolle über alle Fahrparameter dank professionellem Bordcomputer und Tempomat. Zusätzlich zur Fußbremse stoppt die integrierte elektronische Bremse (EBS) den Kick Scooter. Beim Bremsen wird Energie zurückgewonnen.
Fehlt also nur noch der Helm. Der sollte bei einem Preis von EUR 499,- für den Roller noch drin sein.

Bericht: Dieter Wilhelmy, Fotos: Benjamin Nolte

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