Keine zwei Sekunden bleiben Frank Solterbeck und Michael Schulz um sich einen ersten Eindruck von vorbeifahrenden Autos zu verschaffen. Die beiden Bundespolizisten stehen auf dem Rastplatz Ellund und beobachten den aus Dänemark einreisenden Fahrzeugverkehr. Ob sie einem vorbeifahrenden Fahrzeug hinterher fahren und es kontrollieren, diese Entscheidung müssen beide innerhalb weniger Sekunden treffen. „Es ist eine Mischung aus Berufs- und Lebenserfahrung“, erklärt Solterbeck, „ob ein Fahrzeug für uns interessant ist, das hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.“ Die beiden Oberkommissare achten auf den Fahrzeugtyp, den Zustand des Fahrzeuges, das Kennzeichen und versuchen auch einen ersten Eindruck von den Insassen zu erlangen. „Diese Informationen in kurzer Zeit zu verarbeiten, das lernt man mit der Zeit“, ergänzt Schulz.

Auf Streife mit der Flensburger Bundespolizei

Den Reiseverkehr im Blick

Dann geht alles ganz schnell. Ein BMW mit dänischem Kennzeichen passiert den auf dem Rastplatz stehenden Streifenwagen von Solterbeck und Schulz. „Es ist auch ein wenig das Bauchgefühl und das sagt hier, den Wagen schauen wir uns genauer an“, so Solterbeck. Schulz gibt Gas, holt den einreisenden BMW nach wenigen Kilometern auf Höhe der Abfahrt Harrislee ein. Zunächst bleibt der Streifenwagen der Bundespolizei hinter dem BMW. Solterbeck gibt das Kennzeichen in ein Smartphone ein. Mittels einer speziellen Fahndungsapp wissen die Polizisten nach wenigen Sekunden ob nach dem Fahrzeug oder dem Halter des Wagens gefahndet wird. Alles grün, das System zeigt keinen Treffer an. „Natürlich wissen wir noch nicht ob der Fahrer auch der Halter des Fahrzeuges ist und auch über mögliche Beifahrer ist uns nach dieser Abfrage noch nichts bekannt, doch einen ersten Eindruck erlangen wir auf diese Art und Weise“, so Solterbeck.

Die Auswahl und Durchführung

Wenige hundert Meter vor dem Rastplatz Handewitter Forst setzt Schulz den Streifenwagen vor den BMW. „Bitte Folgen“ leuchtet nun in großen roten Buchstaben auf dem Blaulichtbalken des deutsch englisch. Über den Rückspiegel beobachtet Solterbeck vom Beifahrersitz den BMW genau. „Wir müssen natürlich immer aufpassen, dass die Fahrzeuge, die wir herausziehen, nicht im letzten Moment versuchen sich der Kontrolle zu entziehen“, erklärt er. „Auch achten wir darauf, dass die Insassen nicht versuchen noch schnell irgendwelche verbotenen Gegenstände aus dem Fenster zu werfen.“

In diesem Fall läuft alles wie geplant. Der BMW folgt dem Streifenwagen der beiden Beamten, stoppt auf dem Rastplatz. Solterbeck und Schulz nähern sich dem Fahrzeug. Fordern Fahrer und Beifahrer auf Ausweise und Fahrzeugpapiere auszuhändigen. Einer der beiden Beamten führt dabei die Kontrolle durch, der zweite sichert seinen Kollegen. Beobachtet nicht nur den Fahrer, sondern auch den Beifahrer genau. Auch die Leitstelle der Bundespolizei erhält Kenntnis über die Kontrolle. Über Funk hat Solterbeck vom Beifahrersitz unmittelbar vor Kontrollbeginn sowohl den Ort der Kontrolle, als auch das Kennzeichen des BMW durchgegeben. „So weiß die Leitstelle Bescheid, wo wir genau sind, dass wir unseren Streifenwagen verlassen haben und ein Fahrzeug kontrollieren.“ Mit den Papieren ist alles in Ordnung, zwei Brüder, Geschäftsleute, die auf dem Weg zu einem Termin waren. Bereits nach wenigen Minuten konnten die beiden ihre Fahrt fortsetzen.

Solterbeck und Schulz setzen ihre Fahrt ebenfalls fort. Mit 90 km/h geht es auf der Autobahn in Richtung Süden. „Wir fahren langsam und lassen uns von den anderen Fahrzeugen überholen“, erklärt Schulz, „so können wir genau sehen, wer uns überholt und haben auch Zeit einen Blick in die Fahrzeuge zu werfen.“

Vom Beifahrersitz aus überprüft Solterbeck während der Fahrt einige Kennzeichen, bei Fahndungstreffern würde das System sofort anschlagen. „Früher mussten wir derartige Abfragen immer mittels Funk über die Leitstelle vornehmen“, so Solterbeck, „dank der modernen Technik hat sich da bei uns einiges verändert und wir sind da wesentlich flexibler, sowie schneller.“ Die App würde den Beamten zudem anzeigen ob der Halter des Fahrzeuges als bewaffnet oder gewalttätig gilt. Mittels Smartphone können nicht nur Fahndungsabfragen durchgeführt werden, die Leitstelle kann via GPS auch genau sehen, wo sich der Streifenwagen gerade befindet. „Bei Einsätzen können die Disponenten somit gezielt die Streifenwagen ansprechen, die sich in der Nähe des Einsatzortes befinden ohne zunächst abfragen zu müssen, wer sich wo befindet“, erklärt Schulz.

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Der Zuständigkeitsbereich

Die Bundespolizeiinspektion Flensburg ist unter anderem zuständig für die deutsch-dänische Landgrenze mit rund 69 Kilometern Länge. Sechs Landkreise bis runter nach Steinburg und Pinneberg umfasst das Einsatzgebiet. Zudem die Städte Neumünster und Flensburg, etwa 60 Prozent der schleswig-holsteinischen Fläche. Neben den grenzpolizeilichen Aufgaben gehören in diesem Bereich auch 750 Bahnkilometer mit rund 100 Haltepunkten und Bahnhöfen zu den bahnpolizeilichen Aufgaben der Beamten. Darunter fallen die drei großen Strecken Hamburg – Westerland, Hamburg – Flensburg und Hamburg bis kurz vor Kiel. Ca. 300 Beamte arbeiten in der Bundespolizeiinspektion Flensburg. Fahren täglich Streife, sind in Zügen und auf Bahnhöfen unterwegs, kontrollieren stichprobenartig an den Grenzen und im Binnenland.

Solterbeck und Schulz fahren derweil weiter in Richtung Süden. Beobachten den Verkehr, halten Ausschau nach verdächtigen Fahrzeugen. „Wir fahren bei unseren Streifenfahrten auch die an der Autobahn liegenden Rast- und Parkplätze sowie die Autohöfe ab“, so Schulz. „Auch hier kontrollieren wir Fahrzeuge und Insassen.“ Kurz vor dem Rasthof Hüttener Berge fällt den Beamten ein Kleintransporter mit osteuropäischem Kennzeichen auf. Die beiden Beamten entscheiden sich dieses einmal genauer zu kontrollieren. „Gerade bei Kleintransportern fällt es im Vorbeifahren natürlich schwer die Ladung anzuschauen“, so Schulz, „gerade in diesen Fahrzeugen haben wir in der Vergangenheit immer mal wieder Diebesgut, Drogen aber auch illegal ins Land geschleuste Personen gefunden.“ Das Vorgehen der Beamten, stets ähnlich. Schulz setzt sich mit dem Streifenwagen zunächst hinter den Transporter, während Solterbeck per Smartphone das Kennzeichen abfragt. Kurz vor dem Rasthof Hüttener Berge überholt Scholz und gibt dem Fahrer des Transporters das Zeichen ihm zu folgen.

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Der schmale Grat zwischen Routine und „Ernstfall“

Auch hier ist die Kontrolle nach wenigen Minuten beendet. Solterbeck und Schulz bekommen schnell die Rückmeldung, dass mit den Ausweisund Fahrzeugpapieren alles in Ordnung ist, gegen den Fahrer nichts vorliegt. Es folgt ein kurzer Blick ins Innere des Transporters, auch hier ist alles in Ordnung. Der Mann transportiert etliche Kisten mit frischem Brot. Kurz vor dem Nord-Ostsee- Kanal drehen die beiden Beamten, fahren nun wieder Richtung Norden. Erneut ist es ein Transporter, der ihre Aufmerksamkeit erregt. Ein Sprinter mit rumänischem Kennzeichen und Anhänger. Im Vorbeifahren können zwei Insassen in dem Fahrzeug ausgemacht werden, bei der Kontrolle auf dem Parkplatz Lottorf dann die Überraschung, in dem Fahrzeug befinden sich drei Personen.

„Gerade bei Fahrzeugen mit getönten Scheiben ist es für uns schwer die genaue Anzahl der Insassen auszumachen“, erklärt Schulz, „da erlebt man schon mal die eine oder andere Überraschung.“ Die drei Insassen geben an, Verwandtschaft in Dänemark besuchen zu wollen. Im Laderaum entdecken die beiden Polizisten etliche Tüten und Taschen, teilweise voll mit Lebensmitteln. Geschenke für Familie und Freunde. Auch die drei Rumänen können ihre Fahrt fortsetzen, gültige Ausweispapiere hatten alle drei. „Unsere Arbeit ist mit viel Geduld verbunden“, erklärt Solterbeck, „wir verbringen viel Zeit damit den Verkehr zu beobachten.“

In den vergangenen Jahren stellten die Beamten immer wieder Personen ohne gültige Ausweisdokumente fest. Neben fehlenden oder gefälschten Dokumenten sind es auch fehlende Visa und Aufenthaltsgenehmigungen, die die Bundespolizei beschäftigen. Die Versuche Menschen illegal durch Deutschland in Richtung Skandinavien zu schleusen, haben ebenfalls nicht abgenommen. Solterbeck und Schulz nehmen die Ausweispapiere der Fahrzeuginsassen somit grundsätzlich genau unter die Lupe. .berprüfen diese bei Verdacht auch mit speziellen Geräten genauer. Fälschungen werden immer besser.

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Kontrolle der Ladung

Der Fokus aller Kontrollen

Neben der Kontrolle bezüglich gültiger Ausweisdokumente und möglicher Fahndungen, liegt der Fokus der Beamten auch auf der Verbringung von Diebesgut und dem Transport von Rauschgift. Eine alleinreisende, junge Frau erregt dabei die Aufmerksamkeit der beiden Beamten. Kurz vor der Abfahrt Flensburg entschließen sich Solterbeck und Schulz die Frau in ihrem VW Golf zu kontrollieren. Kurz vor dem Parkplatz Altholzkrug setzt sich Schulz mit seinem Streifenwagen vor die junge Frau. Sie folgt den Beamten auf den Parkplatz. Nach Aushändigung der Ausweisdokumente verläuft eine erste Abfrage negativ. Ein genauerer Blick ins Fahrzeuginnere soll Gewissheit bringen. Schulz nimmt Innen- und Kofferraum unter die Lupe, während Solterbeck sich mit der Frau unterhält. Sie will gemeinsam mit ihrem Hund eine Woche Urlaub in einem Sommerhaus in Dänemark machen. Die Kontrolle ist beendet, die junge Frau kann ihre Fahrt fortsetzen.

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Einer kontrolliert, der andere sichert seinen Kollegen

Erkenntnisse der letzten Jahre

Zwar stellt die Autobahn die Hauptverkehrsroute in Richtung Skandinavien dar, doch Personen, die etwas zu verbergen oder illegal zu transportieren haben, weichen verstärkt auf Nebenstrecken aus. Auch hier zeigt die Bundespolizei seit Jahren verstärkt Präsenz. Neben der B5 in Nordfriesland ist es vor allem die Grenzstraße zwischen Harrislee und Süderlügum, die in den Fokus der Beamten gerät. „Auch in diesem Bereich mitsamt den kleinen Grenzübergängen zeigen wir Präsenz“, erklärt Hanspeter Schwartz, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Flensburg.

Ein großer Erfolg ist erst wenige Wochen her. „Kollegen haben im Bereich Ellund einen Opel Vivaro kontrolliert und in einem Bodenversteck rund 140 kg Amphetamine sichergestellt.“ Rauschgift mit einem Straßenverkaufswert von mehr als einer Million Euro. Gleich mehrere Dinge waren es, die bei den Beamten den Verdacht erregten, dass hier etwas nicht stimmt. „Das Fahrzeug selbst hatte mehrere Motorsportaufkleber und auf der Ladefläche passend dazu eine Motocrossmaschine und passende Kleidung“, so Schwartz. „Allerdings stellten die Kollegen schnell fest, dass die Kleidung nicht zu den Fahrzeuginsassen passt und auch Kanister mit Kraftstoff nicht für das Motorrad geeignet waren.“ Es erhärtete sich der Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt. Ein Drogenspürhund des Zolls wurde angefordert. Dieser schlug im Heckbereich des Transportes an. Mit dem Ergebnis, dass die Beamten in einem doppelten Boden 144 Kilogramm Amphetamine fanden.

Auch heute stehen die Beamten Solterbeck und Schulz an der Grenzstraße. Beobachten den Verkehr, überprüfen das eine oder andere Kennzeichen. Ihre Aufmerksamkeit erregt kurz vor Harrislee dann allerdings ein recht ungewöhnliches Fahrzeug. Zwei junge Frauen sind in einem grün-weiß beklebten VW Passat älteren Baujahrs unterwegs. Seitlich die Aufschrift „Streifenwagen“. Auf dem Dach etwas verbaut, was zumindest andeutungsweise nach einem Blaulicht aussehen könnte. „Da wollen wir doch einmal genauer schauen“, so Schulz, „kommt uns schon ein wenig merkwürdig vor.“ Soweit ist aber auch hier alles in Ordnung. Das Blaulicht entpuppte sich lediglich als lackierte Stange und der Schriftzug allein stellt kein Problem dar.

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Ein normaler Arbeitstag

Für Solterbeck und Schulz endete diese Schicht ohne Aufgriff oder Fahndungserfolg. Doch schon morgen werden die beiden wieder unterwegs sein, auf der A7 und entlang der dänischen Grenze.

Text und Fotos: Benjamin Nolte

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