Die spätsommerliche Sonne meldet sich noch einmal. Die Blicke schweifen über das Wasser, auf dem die Strahlen des Zentralgestirns so herrliche Glanzlichter zaubern. Alfred Mäder steht am Ufer. Direkt vor dem Restaurant, das an der Ostseite der Flensburger Innenförde seinen Nachnamen trägt. Er kann zufrieden ein ereignisreiches Leben Revue passieren lassen. Ziemlich genau die Hälfte davon verbrachte er in der Grenzstadt im hohen Norden. Es war allerdings keine Liebeshochzeit, die beide zunächst miteinander verband.

Alfreds Erinnerungen

Gut kann sich der 80-Jährige an einen Ausflug mit seinen Eltern erinnern. Es mag in den 50er Jahren gewesen sein, als der Abstecher in den hohen Norden der Republik eine ernüchternde Stimmung auslöste. „Wir haben Flensburg nicht als schön empfunden“, erzählt Alfred Mäder. Ein Gefühl, dass noch nachwirkte, als seine berufliche Laufbahn 1982 in „Flensdorf“ einbog. Inzwischen ist alles anders. „Die Stadt hat sich in den letzten Jahrzehnten wirklich sehr positiv entwickelt“, sagt er. Die Blicke reichen nun bis zur sanierten, farbenfrohen Häuserzeile auf der anderen Seite. Und direkt vor der Nase liegen viele Segelschiffe, zum Teil schwimmende Juwelen. „Wir befinden uns am Sahneplatz von Flensburg“, lächelt Alfred Mäder.

Der berufliche Weg war vorgezeichnet

Geboren wurde er am 8. November 1941 in Rendsburg. Dort führten die Eltern das Hotel „Schützenheim“. Ihr Sohn schmunzelt: „Diesen Geruch habe ich verinnerlicht.“ Schon früh war der Junge im Familienbetrieb hilfreich, der berufliche Weg war vorgezeichnet. Er absolvierte von 1959 bis 1962 eine Lehre im „Parkhotel“ zu Kiel. „Es war ein Kombination aus Kellner und Koch, heute würde man wohl Hotelkaufmann dazu sagen“, erklärt Alfred Mäder.

1963 – 1964 – „Flucht“ vor der Bundeswehr nach Berlin

Mit der jungen Bundeswehr hatte er nichts am Hut

Der Rendsburger wollte nicht dienen und fand einen sicheren Hort, um nicht eingezogen zu werden: West-Berlin. Er verdingte sich ein Jahr als Koch im „Hotel Berlin“ am Lützowplatz. Damals ein neuer Name in der Gastronomie-Branche, der einem jungen Mann aus der Provinz mit einer riesigen Küche imponierte und 26 Köchen einen Arbeitsplatz bot. Es war eine prägende Zeit – auch wegen der politischen Rahmenbedingungen in der geteilten Millionen-Metropole. „Der Bau der Berliner Mauer schritt damals sichtbar voran“, erzählt das Nordlicht. „Und immer wieder wurde davon geredet, dass Menschen aus Fenstern sprangen, um vom Osten in den Westen zu gelangen.“

Auf den Rhein-Schiffen zu Hause

Alfred Mäder behielt eine „Schlummer-Adresse“ in Berlin, studierte dann aber zwei Jahre an der Hotelfachschule in Heidelberg. „Kleine Betriebswirtschaft“, erklärt er heute. Nebenbei lernte er Spanisch und Französisch. Danach konnte er bei der „Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt Aktiengesellschaft“ anheuern. Dabei handelte es sich um den Marktführer für Vergnügungs- und Linienfahrten auf dem Rhein. Aber noch wichtiger für den jungen Mann war allerdings folgende Regelung: Das Personal, das in der Binnenschifffahrt tätig war, galt als „unabkömmlich“ und musste nicht zur Bundeswehr.
In der zweiten Hälfte der 60er Jahre wurde der große Fluss zwischen Rotterdam und Basel zum vertrauten Begleiter. Die Schiffe ankerten tagsüber vor Düsseldorf, Heidelberg oder Straßburg, um den Fahrgästen einen Ausflug an Land zu ermöglichen. Von abends bis nachts wurden auf dem Rhein die Seemeilen abgerissen. Alfred Mäder lebte acht Monate an Bord, hegte die Düsseldorfer Firmen-Adresse als offiziellen Sitz und kam die anderen vier Monate bei den Eltern in Rendsburg unter. Er fing als dritter Offizier an, und war am Ende Direktor. „Mit den höheren Rängen bekam man später auch eine eigene Kabine, und abends saß man oft mit den Passagieren an der Bar“, erinnert er sich.

1969 – 1982 – selbstständig gemacht mit dem Romantik-Hotel Rendsburg

Ende 1969 kehrte er in den Norden zurück

Die Zeit der Selbstständigkeit begann – nur anderthalb Kilometer vom Elternhaus entfernt. Der „Landsknecht“, das älteste Bürgerhaus der Stadt mit seiner denkmalgeschützten Fassade aus dem Jahr 1541, erweckte das Interesse des Jungunternehmers. Er pachtete das historische Gebäude, das sich direkt an der Eisenbahnbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal befindet, und setzte seine gastronomischen Ideen erstmals um. Ein Reise-Tipp in der ADAC-Mitgliederzeitung sorgte für einen ersten Aufschwung.
Freund Jens Diekmann hatte die Idee, historische Hotels und Restaurants miteinander zu verknüpfen – als Alternative zu den Kettenhotels. Zusammen mit Alfred Mäder entstand im Dezember 1971 die Kooperation „Romantik Hotels & Restaurants“. Die beiden waren viel in Deutschland unterwegs, um neue Mitglieder zu werben und später – nach Gründung einer Kommanditgesellschaft – auch Gesellschafter. Ab 1975 wurde die Ausrichtung internationaler. Es kamen Partner in den Alpenländern, in Skandinavien und schließlich in den USA hinzu. Ein Deal mit dem Fährunternehmen „Stena Line“ brachte vermehrt Touristen nach Rendsburg, die das Städtchen am Kanal für einen Zwischenstopp nutzten.

1983 – Umzug nach Flensburg in die Rote Straße

Stammgast Helmut Schmidt

Der „Landsknecht“ gewann einen prominenten Stammgast: Helmut Schmidt. Der damalige Bundeskanzler verbrachte die Sommerwochen gerne am 30 Kilometer entfernten Brahmsee und brachte auch mal internationale Politiker wie den französischen Staats-präsidenten Valery Giscard d’Estaing mit. Der Bundeskanzler saß stets in einem Nebenzimmer und rief auf Platt nach dem „Kröger“. Einmal hinterließ er einen Gruß im Gästebuch: „Immer wenn ich hier bin, dann bekomme ich das Gefühl, viele Monate lang keine richtige Nahrungsaufnahme gehabt zu haben.“ Ein anderes Mal – es war 1977 – hatte Helmut Schmidt den österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky und den schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme im Schlepptau. „Heute ist in der großen Politik von G7 oder gar G20 die Rede, wir hatten in Rendsburg immerhin ein G3-Treffen“, schmunzelt Alfred Mäder.

Die Erinnerung an viele Berühmtheiten

Mit leuchtenden Augen blättert er in den aufbewahrten Auszügen aus dem Gästebuch. Es finden sich schöne Erinnerungen an etliche Berühmtheiten: Zum Beispiel TV-Star Hans-Joachim Kulenkampff, der fast unerkannt im „Landsknecht“ abgestiegen war. „Er hatte eine Glatze und trug bei den Fernseh-Shows ein sehr natürliches Toupet“, verrät der Rendsburger Gastronom. „Aber seine Stimme konnte er nicht verstellen.“ Die Schauspielerin Inge Meysel war witzig, ihr Kollege Heinz Reincke rührig, und Quizmaster Hans Rosenthal schrieb: „Auch ohne Dalli Dalli fühle ich mich gut.“
Es kamen die 80er Jahre. Der „Landsknecht“ hätte umgebaut werden müssen. „Das Gebäude war alt“, berichtet Alfred Mäder. „Wenn man irgendwo angefangen hätte zu renovieren, hätte man an einer anderen Ecke weitermachen müssen.“ Zudem war er nicht der Besitzer der Immobilie. Die Zukunftsperspektiven gestalteten sich kompliziert, bis der gordische Knoten andernorts durchschlagen wurde. Eher zufällig.
Es war 1982, als der Gastronom für das Kooperationsprojekt einmal mehr unterwegs war und Flensburg besuchte. Er traf sich mit dem damaligen Pächter des Lokals „Piet Henningsen“, um über eine Mitgliedschaft bei den Romantik-Restaurants zu beraten. „Ich dachte an eine traditionsreiche Hafenkneipe, der Pächter hatte aber Vorstellungen von weißgedeckten Tischen“, erzählt Alfred Mäder mit einem Schmunzeln.

Die Weinstube im Kruse-Hof

Das Gespräch brachte letztendlich nichts ein, aber er hörte davon, dass der Unternehmer Günter Kruse dabei war, in der Roten Straße einen der vielen Flensburger Hinterhöfe herauszuputzen und nach einem Partner suchte. Alfred Mäder ließ sich überzeugen, eine alte Glaserei in die „Weinstube im Krusenhof“ umzufunktionieren. Seitdem ist er Flensburger und baute sich schnell einen Bekanntenkreis auf.
Das neue Ambiente wurde schnell populär, lockte die Gäste mit immerhin 30 offenen Weinen an. „Die Weinstube war so etwas wie ein Inn-Treff der 80er Jahre“, erzählt Alfred Mäder mit einem Schmunzeln. „Ich war immerhin drei Mal Trauzeuge, und habe mich bestimmt nicht darum gerissen.“ Und seine zweite Ehefrau Monika, eine Gastronomin aus Berlin, landete damals mit ihrem Sohn in Flensburg – und half schließlich in der „Weinstube“.
Alfred Mäder war dabei, wie sich die Rote Straße zu einem Flensburger Vorzeige-Projekt entwickelte, stieß im Vorstand des Touristik-Vereins einige neue Ideen an und baute sich ein Netzwerk auf. Dann kam sein Betrieb an seine Grenzen, er verkaufte ihn „gut“. Längst hatte er mit seiner Frau andere Pläne.
Sie eröffneten 1992 in Glücksburg die „Sprotte“. Es folgte ab 2000 an der Hafenspitze die „Fischperle“ und schließlich zwei Jahre später das „Mäder´s“, das sich noch immer im Familienbesitz befindet. Der Name entstand während eines Urlaubs auf Kreta. „Meine Frau meinte, wir sind in Flensburg sehr gut bekannt“, verrät Alfred Mäder.
Die Restauration gehört zu den gestandenen Adressen in Flensburgs Gastronomie. Nicht nur wegen des Förde-Panoramas, das jeder Gast genießt. Das „Mäder´s“ hat einen guten Ruf wegen seiner Gerichte – vom Flens-Burger über das Wiener Schnitzel bis hin zur Pasta-Pfanne. Es ist auch ein Ausbildungsbetrieb. Alfred Mäder selbst war bei der Industrie- und Handelskammer in die Prüfungsangelegenheiten involviert, an der Notenvergabe beteiligt und achtete darauf, dass „die Praxis und die bürokratischen Vorschriften zusammenpassen“.

2000 – zusätzlich die Fischperle übernommen bis zum heutigen Tage

Seit Corona hat sich viel verändert

Die letzten beiden Jahre waren unruhig. Die Schließungen im Corona-Lockdown und die Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden, machen es fast jedem Restaurant-Betrieb schwer. Die Arbeit am Abend und am Wochenende sowie krisensichere Alternativ-Jobs in anderen Branchen reduzierte die Zahl potenzieller Mitarbeiter. Alfred Mäder, inzwischen 81 Jahre alt, hilft häufiger am Tresen aus. „Ich kann nicht zu Hause sitzen“, sagt er. „Wenn man 60 bis 70 Jahre in der Gastronomie tätig war, dann braucht man immer Menschen um sich.“

Alfred der Allrounder

Wenn das Restaurant geschlossen ist, wirbelt er im „Mäder´s“ als Hausmeister. Gerade hat er einen Seifenspender repariert. Das Geschäft führt seine Frau, die den Stab im nächsten Jahr an den Sohn weitergeben möchte. Der Senior unterstützt oft bei den Auslieferungen des Catering-Betriebs. Zu den zufriedenen Abnehmern gehört auch die Club100-Lounge an der Flens-Arena, wo vor den Heimspielen der SG Flensburg-Handewitt die VIPs bewirtet werden. Die Verbindung zum Handball-Bundesligisten dokumentiert ein Trikot von Rückraumass Jim Gottfridsson, das an einer Säule hängt – hübsch eingerahmt.
Und was macht ein langjähriger und erfolgreicher Gastronom in seiner Freizeit? „Ich unterhalte meine Frau und reise gerne“, verrät Alfred Mäder mit einem Augenzwinkern. Er schwärmt von der norwegischen Küste, freut sich aktuell auf eine Kreuzfahrt nach Stockholm und bedauert, dass wegen der aktuellen politischen Lage das Baltikum offenbar aus den Kursbüchern gefallen ist.

Nach „Sprotte“ und „Fisch­perle“ kam „Mäder´s“ dazu

Gerne besucht er seine beiden Stammtische. In Rendsburg trifft sich ein alteingesessener Wirtschaftskreis, der auch zwei Mal jährlich unterwegs ist. „Harz, Frankenland, Bayern, Mosel oder Ostfriesland – Deutschland ist schön“, meint Alfred Mäder, der auch zu den fünf Hartgesottenen vom Flensburger „Kegelverein Hansa von 1914“ zählt. „Wir kegeln seit einiger Zeit nicht mehr“, sagt er. „Der Rücken zieht, und der Fuß tut weh.“ Aber die Geselligkeit ist das, was ein lebenslanger Gastronom nun einmal so schätzt.

Text: Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner, privat

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