Gebacken wird an der Schiffbrücke 66 schon lange nicht mehr. Zumindest nicht im engeren Sinne. Einst war dieses orange Gebäude am Flensburger Hafen der Sitz einer Brotfabrik, die längst saniert und zu einem „Innovationszentrum“ umgebaut wurde. Seit 2006 residiert im Komplex auch die SG Flensburg-Handewitt und backt dort nun ihre Handball-Titel. Jeden Tag geht Holger Glandorf die Treppen hoch – zur Geschäftsstelle seines Klubs, die in der dritten und vierten Etage ihre Räumlichkeiten hat. Von dort hat man einen herrlichen Blick auf die Innenförde. Den genießt Holger Glandorf allerdings weniger, da sein Büro auf der Innenhofseite liegt.

Seit nunmehr 150 Tagen ist der 39-Jährige als alleiniger Geschäftsführer im Amt. Seinen Posten gibt es nunmehr seit 27 Jahren bei Deutschlands nördlichstem Bundesligisten. Diese Funktion ergab sich aus der 1995 vorgenommenen wirtschaftlichen Ausgliederung der Profi-Handballer – um die Stammvereine TSB Flensburg und Handewitter SV aus der Haftung für den Erstliga-Spielbetrieb zu entlassen. Holger Glandorf ist der siebte Geschäftsführer der SG.

Ins kalte Wasser geworfen wurde er nicht, er hat eine Zeit des Übergangs hinter sich. Nach der Beendigung seiner aktiven Handball-Karriere wechselte der gebürtige Osnabrücker im Sommer 2020 in das Team der Geschäftsstelle und unterstützte in verschiedenen Bereichen die Abläufe. Einst hatte er Sportmanagement studiert und absolvierte einen Lehrgang zum „European Handball Manager“. Im Frühling 2021 entschied der SG-Beirat um Boy Meesenburg, Holger Glandorf ab Januar 2022 als zweiten Geschäftsführer neben Dierk Schmäschke zu bestellen, um so einen nahtlosen Übergang zu ermöglichen. In den folgenden sechs Monaten fungierte der langjährige Amtsinhaber als Vorsitz der Geschäftsführung und übergab die Aufgaben allmählich an Holger Glandorf.
Bei den Spielen in der „Hölle Nord“ steht er zumeist im Bereich hinter den Zeitnehmern und zittert mit. „Man ist doch sehr angespannt, das sportliche Ergebnis betrifft einen selbst direkt, aber man kann es nicht beeinflussen“, sagt der Manager. „Nach Niederlagen hatte ich früher gegrübelt und konnte nicht schlafen. Heute bin ich niedergeschlagen und kaputt.“ Eine natürliche Nähe zum Spielfeld ist ihm anzumerken. Kein Wunder: Hinter ihm liegt eine große Karriere als Handball-Profi. Einst erlebte Holger Glandorf die große Epoche der HSG Nordhorn mit, wurde 2007 mit der DHB-Auswahl Weltmeister und feierte seit 2011 etliche Titel mit der SG. Mit 2406 Treffern ist der ehemalige Rückraum-Star der beste Feldtorschütze der Bundesliga-Historie.

Am 8. März 2020 spielte er mit seiner SG in Berlin. Dann war plötzlich Schluss: Es folgten der Corona-Lockdown, der Saison-Abbruch. Das bereits angekündigte Karriereende musste Holger Glandorf völlig unspektakulär auf der Couch vollziehen. Erst gut zwei Jahre später erhielt er noch sein Abschiedsspiel. Im August wurde er zusammen mit Lasse Svan verabschiedet und in die „Hall of Fame“ der SG aufgenommen.
Als Geschäftsführer hatte er da bereits mit ganzen anderen Abläufen zu tun als während seiner Laufbahn. Nun geht es primär um konzeptionelle und organisatorische Dinge. „In kleinen Schritten werden wir einige neue Ideen umsetzen“, betont Holger Glandorf. „Es geht aber nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern die über Jahre erfolgreiche Arbeit mit einem starken Team weiterzuführen.“ Neben den Mitarbeitern in der Geschäftsstelle befindet er sich regelmäßig mit dem neuen Präsidenten Dierk Schmäschke und dem Beiratsvorsitzenden Boy Meesenburg im Austausch.

Es ist eine schnelllebige Zeit mit stets neuen Entwicklungen. „Wir hatten die Dauerkarten-Preise vor der Saison nicht erhöht, um die Leute nach der Corona-Pandemie wieder in die Halle zu locken“, erklärt Holger Glandorf. „Angesichts der aktuellen Kostensteigerungen hätten wir aber die Eintrittspreise anpassen müssen.“ Vor allem die Preise für Energie und Reisen schossen in die Höhe. Nach Einsparungspotenzial wird gesucht: Jetzt wird das Licht bei den Heimspielen erst später hochgefahren oder Charter-Flüge möglichst vermieden.
Man spürt, dass Holger Glandorf für seinen Sport Feuer und Flamme ist. Er übt einen Job aus, in dem man fast ständig erreichbar sein muss. „Wenn der sportliche Erfolg da ist, geht alles einfacher“, sagt er mit einem Lächeln. „Deshalb tun wir alles dafür, die besten Voraussetzungen für die Mannschaft zu schaffen.“ Wenn sich Bus oder Flugzeug in Bewegung setzen, befindet sich Holger Glandorf häufiger an Bord. Natürlich ist der enge Kontakt zu den Spielern wichtig. Aus eigener Erfahrung als Spieler weiß er: „Es kann nicht immer perfekt laufen, aber man muss immer die richtige Einstellung auf das Spielfeld bringen.“

Es gibt aber immer wieder Termine und Aufgaben, die einer Fahrt zu Auswärtsspielen entgegenstehen. Neben den organisatorischen Abläufen ist für einen Geschäftsführer das Wort „Perspektive“ wichtig. Es geht darum, Sponsoren-Verträge zu verlängern und vielleicht sogar neue Geldquellen zu erschließen, um so die Leistungsfähigkeit des Klubs auch für die Zukunft zu bewahren. Wenn die SG einen neuen Spieler verpflichtet oder mit einem aktuellen Akteur verlängert, ist er nicht nur in die Gespräche mit eingebunden, seine Unterschrift landet sogar unter dem Vertrag. Zuletzt war das bei Torhüter Kevin Möller der Fall, als dieser seinen Kontrakt bis 2027 ausdehnte. Eine lange Laufzeit, die Holger Glandorf mit Wohlwollen aufnahm. „Der Markt ist mittlerweile sehr umkämpft“, weiß der SG-Geschäftsführer. „Wir müssen immer frühzeitiger in die Kader-Planung gehen.“

Text und Fotos: Jan Kirschner

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