Am 25. September 1924 herrschte schon morgens helle Aufregung in Flensburg. Luftschiff-Pionier Hugo Eckener hatte einige Tage zuvor angekündigt, mit dem neuen Zeppelin „ZR-3“ den längsten Testflug als „Deutschland-Fahrt“ auszuführen und dabei auch Flensburg, seine Geburtsstadt, zu überfliegen. Andererseits berichteten die Agenturen von einem Orkan in Südschweden. Sollte die Pioniertat wohlmöglich verschoben werden? Die Telefone klingelten pausenlos in den Büros der Tageszeitungen, wo die aktuellen Funkmeldungen eintrafen. Stuttgart, Frankfurt, Göttingen, Hamburg – der Zeppelin näherte sich von Stunde zu Stunde. Viele konnten es nicht abwarten und bevölkerten schon ab Mittag die Straßen. Als sich dann die Nachricht herumsprach, dass der „ZR-3“ um 17.10 Uhr die Elbe überquert hatte und Kurs auf Rendsburg, Schleswig und Flensburg nahm, verdichteten sich die Menschenströme in der Fördestadt. Viele stiegen auf die Dächer der Geschäftshäuser, auf Hügel oder Bäume, ausgerüstet mit einem Fernglas. Die Sicht war nicht die beste: Die tiefe Sonne versteckte sich hinter den Wolken, die Dämmerung setzte ein.

Vor 100 Jahren: Hugo Eckener und der fliegende „Friedensbote“
Viele Schaulustige in Flensburg fanden sich auf den Dächern wieder

Dann tauchte im Süden ein Punkt auf, wuchs zunächst zu einer mattgrauen Scheibe. Als das Brummen der Motoren hörbar war, zeichneten sich die Umrisse des Luftschiffes ab. Um 18.05 Uhr drang aus vielen Kehlen: „Er kommt!“ Jubel und Schiffspfeifen begrüßten den Zeppelin. Zehn Minuten später schwebte ein 200 Meter langer Koloss über dem Südermarkt. „Ein gestreckter, schlanker Leib in stahlgrauer blitzsauberer Färbung“, schrieb das „Flensburger Annoncenblatt“. Das Luftschiff drehte eine Schleife über das „Alt-Flensburger Haus“, das heute als Eckener Haus bekannt ist. Hugo Eckener selbst ließ für Schwager, Schwester und einige Freunde einige Luftpost-Sendungen abwerfen. Über der Norderstraße entschwand der Zeppelin nach nur 25 Minuten aus dem Gesichtskreis der Flensburger und kehrte über Malmö und Berlin bis zum nächsten Nachmittag nach Friedrichshafen zurück.

Vor 100 Jahren: Hugo Eckener und der fliegende „Friedensbote“
Der „ZR-3“ über Lakehurst

Die Mission des Luftschiffes

Am Bodensee stand die Halle, in der der „ZR 3“ gebaut worden war. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Zeppelin-Werft dieses Meisterwerk nur realisieren, da es als Reparationsleistung Deutschlands an die USA deklariert war. Hugo Eckener, Vorstandsvorsitzender der „Luftschiffbau Zeppelin“, wollte die Überführung des Fahrzeugs mit einer Technik-Demonstration paaren. Mit Erfolg: Die „Amerika-Fahrt“, wurde als erste Atlantik-Passage eines Luftschiffes zum Weltereignis. Als der „ZR3“ zwischen dem 12. und 15. Oktober 1924 von Friedrichshafen nach Lakehurst fuhr, überschlug sich die Presse rund um den Globus mit Schlagzeilen. Der Empfang in den Vereinigten Staaten war riesig. US-Präsident Calvin Coolidge bezeichnete den Zeppelin als „Friedensboten“.

Hugo Eckener war vor 100 Jahren eine weltbekannte Berühmtheit. Heute ist der Ruhm längst verblasst. In seiner Geburtsstadt spielt der 100. Jahrestag der „Amerika-Fahrt“ so gut wie keine Rolle. Zu hören war mal, dass auf dem Museumsberg eine Ausstellung vorbereitet werden solle. Daraus wurde allerdings nichts. 2010 hatte man die Einweihung eines „Hauses für Hugo Eckener“ im Nordertor gefeiert, um die Erinnerungen an dessen Lebensleistung wachzuhalten.

Vor 100 Jahren: Hugo Eckener und der fliegende „Friedensbote“
Ein Flensburger Gedenkteller

Keine Zeppelin-Ausstellung in Flensburg

Als die „Phänomenta“ während der Corona-Pandemie neustrukturiert werden musste, wurden die Exponate 2021 eingelagert. „Die Eckener-Ausstellung haben wir viele Jahre gerne beherbergt und uns gefreut, auf diese Weise einen Beitrag zur Vermittlung der Flensburger Stadtgeschichte zu leisten“, teilt die „Phänomenta“ auf Anfrage mit. „Wir sind jedoch im Kern nie ein historisches Museum gewesen, sondern ein interaktives Science Center, das sich mit seinem pädagogischen Ansatz der spielerischen Vermittlung naturwissenschaftlicher Themen verschrieben hat.“ Immerhin: Die „Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte“ organisiert im Rathaus eine Filmvorführung mit dem Titel „Mit dem Zeppelin über den Atlantik“. Allerdings erst am 4. Dezember. Zehn Tage später jährt sich die Ernennung Hugo Eckeners zum Ehrenbürger Flensburgs zum 100. Mal.

Vor 100 Jahren: Hugo Eckener und der fliegende „Friedensbote“
Frühere Ausstellung im Nordertor

Wesentlich mehr Jubiläums-Signale kommen aus Friedrichshafen. Dort wurde im Mai ein dritter „Zeppelin NT“ fertiggestellt und ins Ruhrgebiet überführt. Dort wird das neuartige Luftschiff zu Ausflugszwecken eingesetzt. Sein Name: „Hugo“. Am Bodensee gibt es zudem das Zeppelin-Museum, das mit Dauerausstellungen und Programm die Geschichte der Luftschiffe schildert. Und dazu gehört natürlich auch die „Amerika-Fahrt“ von 1924.

Jan Kirschner

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