Der Regen peitscht auf die Windschutzscheibe. Ein Sturmtief rückt näher. Es ist ungemütlich in Langballigau. Keine Menschenseele ist im Hafen zu sehen, obwohl es mitten am Tag ist. Einige Schiffe liegen am Anker und prägen die Szenerie. Vielleicht gibt es irgendwo eine Windhose, sonst herrscht nur „tote Hose“. Wie mag es in Langballigau im Sommer aussehen? Jemand der das weiß, ist Finn Jensen. Er wohnt mit seiner Familie unweit des Ufers und kennt das sommerliche Treiben mit vielen Touristen, Strandgästen und ankommenden Segelbooten.
Von „toter Hose“ kann Finn Jensen auch jetzt, Ende November, nicht berichten. Im Gegenteil. Er kommt gerade aus Medelby zurück, wo schon in aller Früh eine Baustellen-Besprechung stattgefunden hat. Jetzt sprudeln die Nachrichten auf ihn ein, und er führt Telefonate im Dauer-Takt. Es geht um Weihnachtsmärkte in Schwerin, Kiel, Hamburg oder Göttingen. Überall gibt es neue Situationen aufgrund geänderter Corona-Richtlinien. Kurzfristig müssen weitere Hütten geliefert werden, da sie als Plattform für die Verteilung von „2G-Bändchen“ in den Fußgängerzonen der Innenstädte dienen.
Wäre seine Frau Tina nicht, die voll ins Geschäft involviert ist und eine Menge regelt, dann wäre gar keine Zeit für ein ausführlicheres Gespräch mit Finn Jensen. Und der Dialog dreht sich längst nicht nur um Markthütten – auch wenn gelbe oder blaue Modelle den Tisch zieren und immer wieder dezente Hinweise aus dem Hintergrund drängen, dass irgendwo irgendetwas mit einigen Hütten entschieden werden müsste. An diesem Vormittag spürt man das Motto „schnell bewegen, schnell umsetzen“ hautnah. Es wird klar: Der Firmenname „Markt-Macher“ ist mehr als eine Versprechung, er ist ein Statement.

Der Markt-Macher

Die Märchenweihnacht in Glücksburg, die an allen vier Adventswochenenden das Schlossareal in eine magische Welt verwandelt, ist nur das Heimspiel. Die Dienste von Finn Jensen sind weit über die Region gefragt. Vielleicht gibt es in ganz Deutschland nur eine Handvoll Personen, die mit der Organisation von Weihnachtsmärkten so vertraut ist wie er. Die meisten Veranstalter sind auf einen Ort fixiert, der „Markt-Macher“ tritt auch als Dienstleister, Konzept-Gestalter und Ideengeber auf. „Nach Helsinki sind es rund 1000 Kilometer, nach Zürich ebenso – und wir bewegen uns innerhalb dieses Rahmens“, schmunzelt der 45-Jährige.
Die Distanz stört nicht, der erste Schritt ist in der Regel ein Ortstermin. Dann stößt Finn Jensen häufig auf eingefahrene Wege und überholte Gewohnheiten. Schnell schießen skizzenhafte Änderungspotenziale in seinen Kopf. Ein 3D-Entwurf veranschaulicht das Konzept. „Ich bin von Haus aus ein Entwickler“, erklärt er. „Es macht mich nicht glücklich, wenn alles so bleibt, wie es ist.“ Aber das Betreten von Neuland ist oftmals mit einem Stich ins Wespennest und langen Diskussionen mit den regionalen Protagonisten verbunden. Andererseits legt praktisch jede Stadt für ihren Weihnachtsmarkt großen Wert auf einen eigenen Charakter. Bunt oder beschaulich, modern oder nostalgisch – diese Vorlieben müssen abgeklopft werden. Auch die Buden werden unterschiedlich gestylt.

Bodenständig und wissbegierig

Trotz gewachsener nationaler und internationaler Kontakte ist Finn Jensen bodenständig geblieben. Dafür bürgt auch seine Biografie. Er wurde zum Sommeranfang 1976 in Flensburg geboren und wuchs in Medelby, im Norden des Amtes Schafflund, auf. Nach der Grundschule auf dem Dorf besuchte er das Alte Gymnasium in Flensburg. Als junger Mann absolvierte er eine Ausbildung als Zimmermann, dann schrieb er sich ein für ein Bauingenieur-Studium in Eckernförde. Eines Tages blätterte er in einer Zeitschrift und stieß auf den Beruf des Veranstaltungskaufmanns. „Das will ich unbedingt machen“, sagte er sich. Gesagt, getan. Um die Jahrtausendwende lernte Finn Jensen bei einer RTL-Tochtergesellschaft in Bergkamen und war auch in die Organisation des einst traditionsreichen Sechstagerennens in der Dortmunder Westfalenhalle involviert.
2003 ging es zurück in den hohen Norden. Der Veranstaltungskaufmann fand eine Einstellung bei der städtischen Tourismus-Gesellschaft, die bald als Flensburg Fjord Tourismus GmbH (FFT) firmierte.
Neben der Vermarktung von Ferienhäusern war Finn Jensen vor allem mit Events beschäftigt. Gerne erinnert er sich an den Sommer 2006, als eine aufblasbare Großleinwand an der Hafenspitze verankert wurde und diese die Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft zeigte. Ein „Public Viewing“ für Tausende – und ein Image-Gewinn für die Fördestadt. In jener Zeit gab es auch einen „Relaunch“ des Flensburger Weihnachtsmarktes. Die Pyramide war seitdem der Blickfang auf dem Südermarkt. Schon vor anderthalb Dekaden war der Umgang mit dem Wochenmarkt schwierig.
Nebenbei bildete sich Finn Jensen zum Tourismus-Fachwirt an der Wirtschaftsakademie fort. Zwei Jahre lang düste er drei Mal die Woche von Flensburg nach Husum. „Das war eine anstrengende Zeit“, berichtet er.
„Der Unterricht war an einem Dienstagabend, an einem langen Donnerstagabend und an einem richtig langen Samstag.“ Die Mühsal lohnte sich. 2010 stieg er zum FFT-Geschäftsführer auf. Drei Jahre später endete die Zusammenarbeit mit einem „Knall“.
Die Lokalmedien hatten viel zu berichten. Längst hat Finn Jensen die Zeit im Flensburger Europahaus als lehrvolle Lebensphase abgehakt, in der er den Kampf zwischen Entwicklern und Verwaltern hautnah miterlebte und die städtische Agentur immer mal wieder Stöcke zwischen die Beine bekam.

Die Selbständigkeit – beruflich und privat ein Glücksfall

Seitdem ist der heute 45-Jährige selbstständig. Er kann nun freier agieren und muss bei den Planungen nicht mehr die Ortsschilder beachten.
Er kann nun denken wie ein Kunde, der sich nicht um die Stadtgrenzen schert. Mit seiner Familie, zu der nicht weniger als vier Töchter gehören, zog er nach Langballigau. Dann wurden auch die beiden Zwillingssöhne als Nachzügler geboren. Finn Jensen versteht seine Vaterrolle „als Leitplanke und nicht als Glucke“. Er möchte Tugenden vorleben, rät seinen Kindern, keine Angst vor Türen und Worten zu haben, und ebenso freundlich wie bestimmt aufzutreten. Gerne nimmt er sie mit zu Veranstaltungen und Projekt-Entwicklungen.
Nach dem Ausscheiden aus der städtischen Gesellschaft bot sich direkt vor der Haustür der Einstieg in den Tourismus an. Das Hotel „Ostseeanker“ und das Restaurant „Strandterrasse“ wurden gekauft, zu „Perlen“ an der Förde entwickelt und schließlich an ein Paar verpachtet, als sich im neuen Steckenpferd der Alltag ankündigte. „Wenn ich das Gefühl bekomme, dass sich die Dinge wiederholen, dann gehe ich weiter“, lächelt Finn Jensen. Wenn es eines Tages um eine konzeptionelle Neuausrichtung gehen würde, dann könnte er sich gut vorstellen, wieder ins Boot zu klettern.
Er ist so etwas wie ein Hans Dampf in allen Gassen. Der Unternehmer beackert das Feld der regenerativen Energien, beteiligt sich an Windkraft- und Photovoltaik-Vorhaben im Schafflunder Raum oder setzt bei einer neuartigen Batterie-Technik auf die Karte „Zukunft“.
Er lässt Mietwohnungen errichten – und organisiert als „Markt-Macher“ etliche Veranstaltungen. Wenn man mit Kreativität und Leidenschaft zu Werke geht, so seine Überzeugung, kommt das Einkommen fast von allein.
„Mein Großvater sagte schon, man verdiene nicht viel, wenn man für Geld arbeitet“, erinnert er sich. „Dagegen freute ich mich damals über elf D-Mark die Stunde, wenn ich mit einem Trecker über den Acker gefahren bin.“ Heute muss Finn Jensen das Wort „selbstständig“ auch in seine Hälften teilen: selbst und ständig. „Einst träumte ich davon, irgendwann nur vier Wochen zu arbeiten und die restlichen elf Monate auf den Malediven zu entspannen“, verrät er. „Jetzt sind es vielleicht vier Tage, die man frei hat.“

Der Teamplayer

Das heißt aber nicht, dass der „Markt-Macher“ kein Freund der Arbeitsteilung ist. Er scharrt ein Team um sich. Seine Tina ist so etwas wie die Managerin, kümmert sich im Tagesgeschäft um die Kommunikation und die Buchhaltung.
Dazu gesellt sich ein enger Kern von zehn Personen. Etliche Kooperationspartner verteilen sich durch die Republik. Und kurz vor der Adventszeit sind dann an vielen Orten etliche Zeitarbeitskräfte im Einsatz, um die Weihnachtsmärkte und inzwischen auch die Lichtparks aufzubauen.
Finn Jensen kann über die richtige Beleuchtung von Weihnachtsmärkten längere Vorträge halten, was den Laien erstaunt, da dieser noch nicht einmal ahnt, dass solch vermeintliche Nebensächlichkeiten so viel Gewicht bekommen. Mit einem Schmunzeln erklärt der Experte: „Die Besucher schwärmen nicht von einer Bude, sie mögen die Dekoration und das Licht.“ So ganz nebenbei erzählt er, dass seine Firma in der dunklen Jahreszeit inzwischen fünf Lichtparks organisiert, die 50.000 bis 150.000 Besucher anlocken. Das „Nordlicht“ dieser Blickfang-Veranstaltungen ist „Lumagica Molfsee“.

Weihnachtsmärkte

Für die Weihnachtsmärkte hat Finn Jensen jedes Detail im Fokus und sucht immer nach Verbesserungsmöglichkeiten. Lange Budenzeilen mit ebenso langen Rückwänden waren ihm schon immer ein Graus. Jetzt favorisiert er ein System aus mehreren Modulen, was die Stände in Wabenform miteinander verbindet. Als vor Jahren mal ein TV-Team auf einem Markt einen Hygiene-Test durchführte und in den Abstrichen von den Gläsern Bakterien aufspürte, nahm Finn Jensen auch eine zentrale Spülstation in sein Sortiment auf. Inzwischen verfügt er über ein Equipment, das weit über die Hütten hinausreicht und im Schafflunder Raum auf stolzen 5000 Quadratmetern lagert. Ein schockierendes Ereignis war der Terroranschlag in der Adventszeit 2016, als ein irrer Geist mit einem Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt bretterte und mehrere Menschen ermordete. Auch einen Tüftler lähmen solche unfassbaren Verbrechen, aber er nimmt auch die Herausforderung auf, einen solchen Terror-Akt zukünftig zu verhindern. In Zusammenarbeit mit der Polizei-Universität entstand eine Lösung, ein sogenannter „Event-Defenders“. Die englische Firmierung scheint Sinn zu machen. „Dieses Produkt ist auch im Ausland gefragt“, erzählt Finn Jensen. Eine Verwendung bei der Fußball-Weltmeisterschaft im fernen Katar nimmt klare Konturen ein.

Ihm gehen die Ideen nie aus

In Flensburg hat der „Markt-Macher“ derzeit keine Aktien, aber natürlich regen sich seine Gedanken, wenn man über seine Heimatstadt spricht.
Nach 15 Jahren könnte der Weihnachtsmarkt mal wieder ein „Update“ gebrauchen. Der 45-Jährige wundert sich, dass in der Fußgängerzone wegen der Blindenleitlinie die Buden noch immer in einer Reihe angeordnet sind. Bei einer aufgelockerten Struktur, meint der Fachmann, ließe sich die Fließgeschwindigkeit der Menschenströme reduzieren und die potenziellen Innenstadt-Kunden hätten so mehr Zeit, die Schaufenster zu betrachten.
Auch in puncto Stadt-Marketing vermisst Finn Jensen neue Impulse. „Entweder fehlt den Menschen der Mut oder sie verstecken sich hinter dem Budget“, meint er. „Es geht nicht nur darum Hotelbetten zu schaffen, man muss sie auch füllen.“ Dafür bedürfte es eines neuen Images. „In Flensburg setzt man auf einen schönen Hafen“, erklärt Finn Jensen. „Südlich von Hamburg allerdings sind es hauptsächlich Punkte, Pils und Porno, die mit Flensburg in Verbindung gebracht werden.“ Es reichen nicht ein paar Flyer in der Tourismus-Agentur, sondern man müsse alle Kanäle bedienen, „um das Schmuckkästchen mit wunderschöner Architektur und einer Innenstadt bis ans Meer“ touristisch aufzupolieren.
Große Sorgen macht sich Finn Jensen um die City. „Die Innenstadt war schon vor Corona ins Koma versetzt worden und braucht nun eine Herz-Druck-Massage und keine Sanktionen, damit die Kunden nicht noch mehr ins Internet abwandern“, sagt er und zeigt auf sein Handy. „Diesen Trend spüren selbst wir – bei unserem Online-Handel mit Weihnachtsbäumen.“
Der Corona-Lockdown war auch für den „Markt-Macher“ zunächst ein „Schlag in den Magen“. Mit Verständnis („Gesundheit vor Geschäft“) wandte er sich neuen Ideen zu. Plötzlich eigneten sich seine Hütten auch als Corona-Teststationen. Und Desinfektionsspender in bislang ungeahnten Größen finden Absatz auf Messen und in Fußballstadien.

Er bleibt Optimist

Keine Frage: In Langballigau herrscht keine „tote Hose“. Während im Hafen der Wind wuselt, erzählt einer seiner Anrainer: „Ich habe noch Ideen für die nächsten zehn Jahre.“ Er weiß: Einige werden prächtig laufen, andere weniger, aber immer wieder gibt es neue Erfahrungswerte. Finn Jensen ist so etwas wie ein Berufsoptimist. „Wenn jemand ein Problem mit mir bereden möchte, dann beende ich das Gespräch sofort“, schmunzelt er. „Ich sehe immer nur Möglichkeiten.“ In dem Moment ruft wieder Hamburg an. Und kurz darauf startet der „Markt-Macher“ gen Elbe.


Text: Jan Kirschner
Fotos: privat, Jan Kirschner

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