Die Corona-Pandemie legte vor zwölf Monaten das gesellschaftliche Leben in Deutschland lahm. Seitdem wechselten sich Lockerungen und neue Beschänkungen ab und wirkten sich auch auf den Handball aus. Die SG Flensburg-Handewitt muss sich seither mit einem unwillkommenen Begleiter, dem Coronavirus, beschäftigen. Eine Situation, die viel Zusammenhalt, Flexibilität und Demut erfordert.

8. März 2020: 9000 Zuschauer erleben in der Max-Schmeling-Halle, wie die Füchse Berlin in einer offenen Partie der SG mit 33:35 unterliegen. Die Nordlichter feiern danach eine kleine Party in einer Eck-Kneipe. SG-Trainer Maik Machulla freut sich über einige spielfreie Tage. „Wir werden trainieren und Dinge festigen, den Spielern aber auch etwas Pause geben.“

10. März 2020: Die schleswig-holsteinische Landesregierung untersagt sämtliche Veranstaltungen mit 1000 Zuschauern und mehr. Es entlädt sich eine Lawine, in der fast stündlich weitere Absagen eingehen.

13. März 2020: Der komplette Spielbetrieb ist bis Mitte April ausgesetzt. Flens-Arena und Duburghalle fallen in einen Tiefschlaf. Ausgerechnet am 30. Jahrestag der Unterzeichnung des SG-Gründungsvertrages. Holger Glandorf und Johannes Golla müssen in Quarantäne, da sie Kontakt mit Infizierten hatten. Magnus Röd und Torbjörn Bergerud sitzen in Norwegen fest. Jeder Profi trainiert ab sofort in Eigenverantwortung.

21. April 2020: Die Saison 2019/2020 geht als die „Unvollendete“ in die Chronik ein. Die EHF streicht Achtelsowie Viertelfinale und setzt das Final Four der Champions League auf Ende Dezember. Die SG ist aus dem Geschäft. In der Bundesliga kommt eine Quotienten-Regelung zur Anwendung: Der THW Kiel wird zum Meister erklärt, die SG als Vize. „Es sind noch 16 Punkte zu vergeben, daher kann diese Spielzeit nicht fair bewertet werden“, findet Maik Machulla. „Aber damit dürfen wir keine Energie verschwenden, wir stehen jetzt vor ganz anderen Herausforderungen.“

4. Juni 2020: Bei der ungewöhnlichsten Meisterehrung der Bundesliga-Historie steht die SG Pate. Eine offizielle Delegation um Ministerpräsident Daniel Günther erscheint am Flensburger Hafen. SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke bringt die Meisterschale heran. Der SG-Mannschaftsbus düst nach Eckernförde, wo bereits eine THW-Abordnung wartet.

10. Juni 2020: Virtuell löst die SG den Abschied einiger verdienter Akteure. Viele Fans verfolgen von zu Hause einen Live-Stream, der aus der fast menschenleeren Flens-Arena gesendet wird. Holger Glandorf beendet die Karriere – ganz ohne Applaus und Jubel-Arien. „Es ist so, wie es ist“, sagt der 37-Jährige.

3. August 2020: Endlich wieder Training in der Duburghalle. „Was für eine große Freude“, strahlt SG-Kapitän Lasse Svan. „Normalerweise dauert eine Sommerpause nur etwa vier Wochen, jetzt waren es fünf Monate, dass wir uns nicht gesehen haben.“ Richtungspfeile als Wegweiser, Interviews mit Mundschutz und Desinfektionsmittel gehören nun zu den Rahmenbedingungen. Ebenso die Corona-Testungen.

16. September 2020: Nach 196 Tagen gibt es endlich wieder Handball in der Flens-Arena. Da die Genehmigung für eine beschränkte Zahl an Zuschauern sehr spät eintrifft, findet der Champions-League-Auftakt gegen Kielce als das erste Geisterspiel der Vereinsgeschichte statt. Neben Mannschaften, Schiedsrichtern, Kampfgericht sowie Mitarbeitern dürfen nur einige Medienvertreter die „Hölle Nord“ betreten. Hallen-Moderator Michael Holst inszeniert eine Show, um den Akteuren eine gewisse Normalität zu suggerieren.

23. September 2020: Da Paris als Risikogebiet eingestuft ist, chartert die SG eine Maschine von Sonderborg, fliegt morgens hin und nach dem Spiel zurück. Die internationalen Tagestrips werden zum Standard. „Jede Nacht mehr zu Hause bei den Familien ist schön für meine Spieler“, erklärt Maik Machulla. „Jede Nacht weniger im Hotel reduziert das Infektionsrisiko.“

11. Oktober 2020: In der SG-Geschäftsstelle agiert eine spezielle „Corona-Abteilung“. Im Mittelpunkt: Das Hygiene-Konzept der Flens-Arena, was viele Abstimmungen mit Behörden und dem Hallenbetreiber verlangt. Schließlich werden 1200 Fans, also 25 Prozent der Sitzplatz-Kapazität, genehmigt. Allerdings ist eine Zurückhaltung beim Publikum zu spüren. Gegen Minden kommen 1034 Besucher.

25. Oktober 2020: Die SG registriert gegen den HSC Coburg mit dem 40. Bundesliga-Heimsieg in Folge zwar einen neuen Vereinsrekord, hat aber den Vorverkauf bei 700 Tickets abbrechen müssen. Die Situation verschärft sich wieder, es folgen nur noch Geisterspiele.

24. November 2020: Die Auswärtspartie beim HC Meshkov Brest muss verschoben werden. Es ist bereits die vierte Absage im Herbst. Stets gab es Corona-Fälle beim Gegner.

31. Januar 2021: Lasse Svan, Mads Mensah und Simon Hald kehren mit Gold, Jim Gottfridsson und Hampus Wanne mit Silber von der Weltmeisterschaft in Ägypten zurück. Johannes Golla wird positiv auf das Coronavirus getestet.

22. Februar 2021: Eine breit angelegte Initiative aus Experten und Wissenschaftlern sowie Kultur und Sport hat ein umfassendes Konzept vorgelegt, das die Teilnahme von Zuschauern und Gästen an kulturellen und sportlichen Veranstaltungen unter strengen Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen wieder ermöglichen könnte. „Wir haben mal für ein Konzept mit 1500 Zuschauern alles durchgerechnet“, verrät Dierk Schmäschke. „Das Ergebnis: Nach jetzigem Stand müsste jeder Fan vier bis fünf Stunden vor dem Anpfiff erscheinen.“

4. März 2021: In der Champions League können wegen schwieriger Reisebedingungen nicht alle Spiele bestritten werden. Die EHF wertet nach einem umstrittenen „Verursacher-Prinzip“ die nicht ausgetragenen Partien. Die SG sichert sich in Kielce trotzdem den Gruppensieg.

16. März 2021: Der ohnehin verletzte Spieler Lasse Möller wird positiv auf das Coronavirus getestet. Vorsorglich wird das Heimspiel gegen den Bergischen HC abgesagt. Die Pandemie hat die SG weiterhin im Griff.

Text und Fotos: Jan Kirschner

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