Der älteren Flensburger Generation ist Hägin als ein Kaufhaus auf dem Holm 41 ein Begriff. Es gab bei Hägin nichts, was es nicht gab. Kaufen konnte man dort Kurzwaren, Schmuck, Damen- und Herrenunterwäsche, Süßwaren, Bettwäsche, Gardinenstoffe, Spielwaren, Geschirr, Bestecke, Kinderfahrräder und Roller, Lederwaren und Taschen und vieles mehr.
Die Preise waren für die damalige Zeit, Mitte der 1950er Jahre, nicht immer günstig. Eine lederne Aktentasche kostete ca. 80 DM. Der Monatsnettolohn einer Verkäuferin lag bei 90-100 DM, der von Lehrlingen (heute Azubis) zwischen 25-30 DM. Ein Geselle in einem Handwerksberuf verdiente ca. 200-230 DM netto. Für eine Zweizimmerwohnung von 55 bis 60 Quadratmetern zahlte man kalt ca. 80-95 DM.
In dem Gebäude der Firma Hägin befanden sich über dem Erdgeschoss drei weitere Etagen, die als Lager für die vielen Verkaufsartikel dienten. Die Regale in den Lagerräumen waren teilweise so tief, dass man die Lagerware nur auf dem Bauch liegend herausnehmen konnte. Sie wurde dann per Hand in den Verkaufsbereich getragen. Im Geschäft gab es auch heiße Würstchen. An einem Tag hatte die Geschäftsleitung eine etwas länger andauernde Besprechung mit dem dazugehörigen Personal. Zur Mittagszeit durfte dieses sich heiße Würstchen holen. Ein Mitarbeiter, der an diesem Tag nicht zugegen war, wollte am nächsten Tag auch kostenlos heiße Würstchen haben, die er aber nicht bekam. Er zog in Flensburg deswegen vor Gericht, um die Würstchen einzuklagen. Er verlor die Klage. Erstaunlich, dass das Gericht diese Klage überhaupt zugelassen hat …
Wann genau Hägin geschlossen hat, war nicht zu ermitteln. Nach Umbaumaßnahmen wurde in dem Gebäude zunächst eine Filiale der Firma Kloppenburg, die später von der Firma Rossmann übernommen wurde, eröffnet.

Wissenswertes – Adolf Hägin

Im Jahr 1938 stellte Adolf Hägin aus Trier bei der Handwerkskammer Flensburg den Antrag zur Übernahme eines jüdischen Kleinpreisgeschäfts. Ab 1939 betrieb Hägin dieses Geschäft unter seinem Namen. Nach 1945 war man nicht besonders daran interessiert zu ergründen, woher Adolf Hägin seinen Reichtum hatte. Adolf Hägin hat nach 1945 geschickt vertuschen können, dass er sich an jüdischem Eigentum unrechtmäßig bereichert hat. Er hat nach dem Krieg in Trier einen ehrenwerten Platz eingenommen, war Vorstandsmitglied des Roten Kreuzes, Konsul von Brasilien, Präsident von Eintracht Trier. Über seine Vergangenheit wurde weiterhin geschwiegen. Er erhielt 1970 sogar das Bundesverdienstkreuz.

Text und Foto: Kurt Tomaschewski

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