Lieber Freund,
wir sind beide um die 80 Jahre. Na und?
Wir haben uns kürzlich über frühere Zeiten und auch über Altersausgrenzung unterhalten, mit der wir teilweise gar nicht gut zurechtkommen. Hierbei spielte neben anderen Aspekten die angeschlagene Gesundheit und auch das Autofahren eine große Rolle.
Während unseres gemeinsamen Resümees kamen wir auch auf unsere persönliche Lebensleistung und unseren Lebenslauf zu sprechen. Was wir nicht alles in den vielen langen Jahren auf die Beine gestellt haben: Wir haben Familien gegründet, Kinder groß gezogen und sie auf das Leben vorbereitet. Wir haben festgestellt, dass uns dies schon mal gut gelungen ist. Bei unserem Job haben wir uns dann kennen- und schätzen gelernt. Du seinerzeit als Soldat, ich als zivile Lehrerin für das Unterrichtsfach Maschinenschreiben. Wenn meine Kolleginnen mal wieder durch Abwesenheit glänzten (Krankheit oder so etwas in der Art), dann warst Du mein verlässlicher Rettungsanker. Wie häufig bist Du nach einem „Hilferuf“ gekommen und hast mich tatkräftig unterstützt. Gemeinsam haben wir dann den anstehenden Unterricht „gewuppt“. Durch Wissen, Erfahrung und Improvisation konnten wir so viele Hürden meistern. Der bekannte Spruch „Es geht nicht, gibt es nicht“ traf auf unser Auftreten perfekt zu. Ich hatte zudem den Vorteil, dass durch die Anwesenheit eines militärischen Vorgesetzten die Disziplin der Soldaten in den Klassen wesentlich besser wurde. (Früher fand ich das gar nicht so gut, ich wollte es doch alleine hinkriegen!)
Den eigentlich recht „drögen“ Schreibmaschinenunterricht haben wir gemeinsam attraktiv gemacht. Mit rhythmischer Musik und/oder Wettbewerben im Schnellschreiben brachten wir Schwung ins Geschehen. Es gab dann auch Belobigungen, so wie z. B. Bonbons für die Gewinner. Das hat einen riesigen Spaß gemacht. Ich wäre gerne bei uns zur Schule gegangen.
Was ich damals jedoch nicht wusste: Du hattest große Widerstände Deiner Vorgesetzten zu überwinden, um im Schreibmaschinenunterricht aushelfen zu dürfen. Das habe ich erst jetzt bei unserem Gespräch erfahren.
Später wurden die alten mechanischen gegen elektronische Schreibmaschinen ausgetauscht und ganz zum Schluss durch Computer ersetzt. Damit kamen wir schon mal an unsere Grenzen.
Dann gingen wir beide in Rente bzw. in Pension. In dieser Zeit nach dem Berufsleben haben wir unsere unterschiedlichen Ehrenämter verstärkt ausgeübt. Du hauptsächlich im Sport und bei den Seenotrettern, ich dagegen habe mich im Flensburger Rathaus in verschiedenen Hilfsangeboten ausbilden lassen können. Später ist es dann beim regelmäßigen Schreiben von Artikeln für das Flensburg Journal geblieben.
Wir haben damals in unseren Unterrichten einen Grundstein für den Fortschritt gelegt. Dann kam die Jugend und hat darauf aufgebaut. So hat alles seine Zeit. Ich bin stolz auf meine Lebensleistung, und Du kannst es auch sein!
Brigitte Wolff, Mittendrin 50+