130 leere Bierfässer stehen noch auf den sonnenbeschienenen Pflastersteinen. Drei Tage nach dem Flens-Festival erinnert nur noch das Leergut daran, dass mit Live-Musik und Gerstensaft gefeiert wurde. Inzwischen hat sich die Party-Location wieder in den Industriehof der „Flensburger Brauerei“ verwandelt, der er 363 Tage im Jahr ist. Man braucht schon Fantasie, sich eine tanzende Menge vor der „Waldbühne“ vorzustellen. Die Bäume am Hang zur Schleswiger Straße deuten die Kulisse an. Und die beiden blaubestrahlten Abwassertanks schlummern wieder im matten Grau dahin.
Zwei Tage tolle Party – ein ganzes Jahr Vor- und Nachbereitung
Für die besondere Metamorphose des Industriehofs hauptverantwortlich ist bei der „Flensburger Brauerei“ die Mitarbeiterin Laura Reischl. „Mein Baby“, so betitelt sie das Flens-Festival. Bereits 16 Mal hatte die 62-Jährige die Organisation in der Hand. Mit der Bezeichnung Chef-Koordinatorin kann sie sich gut anfreunden. „Eine solche Veranstaltung geht nur im Team“, sagt sie. Allein der Sicherheitsdienst umfasst 30 Personen. Dazu kommen 14 Sanitäter, zwei Elektriker und natürlich die Truppe, die auf- und abbaut. „Wir wollen ein schönes, friedliches Fest mit der größtmöglichen Sicherheit feiern“, betont Laura Reischl.
Sie stammt eigentlich aus dem Ruhrgebiet, war dann aber zwölf Jahre bei der Marine und blieb im hohen Norden hängen. Seit August 1991 heißt der Arbeitgeber: „Flensburger Brauerei“. Noch läuft die Nachbereitung des Flens-Festivals, auf dem Schreibtisch liegen aber auch Unterlagen zu einer Halle oder zum Brandschutz. Denn die Hauptaufgabe der Angestellten ist die Gebäude-Instandhaltung des gesamten Komplexes im Munketoft.
Reparaturen und Bauanträge stehen immer mal wieder an. Hin und wieder kontrolliert die Stadt, ob sich Lärmschutz und Geruchsimmissionen im genehmigten Bereich befinden. Gerade laufen die Planungen für einen neuen Heizöltank, um im Winter gegen einen Gas-Schock gewappnet zu sein. Für den Herbst kündigt sich eine Brunnen-Revision an. Auf dem Brauerei-Grundstück befinden sich zwei artesische Brunnen, die 250 Meter tief sind. „Wir lassen dann eine Kamera hin-abfahren und überprüfen die Seitenwände“, erzählt Laura Reischl. „Das geht nur am Wochenende, da die Produktion ausgesetzt werden muss.“ Ein weiterer ständiger Begleiter ist der vorbeugende Brandschutz. Seit dem Brand von 1988 ist zum Glück kein nennenswertes Feuer aufgetreten.
Das „Baby“ wächst heran
Und immer wieder im Laufe eines Jahres hat Laura Reischl mit dem Flens-Festival zu tun. „Das schreibt man nicht in zehn Minuten herunter, da ist so viel zu berücksichtigen“, sagt sie. Und dieses Mal umso mehr, da nach den Corona-Ausfällen in 2020 und 2021 die Routine etwas verlorenging und mit dem neuen Schlager-Festival ein „Zwilling“ dazukam. Zwei Partys innerhalb von zwei Tagen, doppelter Spaß – so lautete dieses Mal das Motto.
Laura Reischl selbst schwört auf AC/DC, Metallica oder Sabaton und wäre eigentlich der klassische Wacken-Kandidat. „Da ist es mir zu ungemütlich, ich kann ja auch alles im Fernsehen schauen“, schmunzelt sie und stellt klar: „Es ist ja nicht relevant, was ich mag, sondern was das Publikum hören will.“ Die Kontakte zu den Künstlern pflegt Peter Thomsen. Der Geschäftsführer vom „Förde Show Concept“ kümmert sich auch um das Verkaufspersonal und um die Bühne.
Am Donnerstagmorgen begann der Aufbau, am Abend stand die Bühne. Für Laura Reischl folgte eine unruhige Nacht. „Es gehen so viele Gedanken durch den Kopf“, erzählt sie. „Haben wir an alles gedacht? Werden sich die Künstler wohlfühlen? Kriegt auch ja kein wichtiger Helfer kurzfristig Corona? Und vor allem: Kommen die Menschen?“ Alle Sorgen sollten sich verflüchtigen. Das erstmals ausgetragene Schlager-Festival sahen immerhin 2500 Besucher, beim Coverband-Festival tauchten insgesamt 4000 Menschen auf dem Brauerei-Gelände auf.
Die Party 2022 ist vorbei – auf zur nächsten Ausgabe 2023!
Noch während der letzten Songs lief die Nachbetrachtung an. Wäre es nicht sinnvoll, bei der Post ein paar Sitzplätze zu integrieren? Was sollte man von den „Backstreet´s Back“ halten? „Es gab einen kleinen Kreis von Fans, die die ganz toll fanden, aber einen größeren Kreis an Leuten, die gegangen sind und nicht mehr wiederkamen“, beobachtete Laura Reischl. Noch am Samstag tauschte sie sich mit Peter Thomsen über die Gigs im August 2023 aus. Am Montag war das Konzept fix, und am Dienstag alle Bands gebucht. Und welche werden das sein? „Nö“, lacht Laura Reischl, „das verraten wir jetzt noch nicht.“
Bislang umfasst ihr Rückblick 16 Festival-Ausgaben. „Was am meisten Spaß bringt, sind die vielen interessanten Menschen, die man kennenlernt“, erzählt sie. „Die Big Mappas, die jetzt wieder dabei waren, sind einfach tolle Typen. Auch mit anderen Künstlern sitzt man noch auf ein oder zwei Bierchen zusammen oder schreibt sich auch mal privat.“ Laura Reischl schaut auf den verwaisten Industriehof: „Die 20 Flens-Festivals mache ich noch voll.“ Das wäre – wenn alles nach Plan läuft – 2026 soweit.
Text: Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner, Flensburger Brauerei