Seit Anfang März sind sie nun auf Flensburgs Straßen und Fahrradwegen präsent, die E-Scooter, auf Deutsch Elektroroller. Zunächst startete der Anbieter „TIER“, ihm folgte Ende März die Firma „BIRD“. Seitdem sieht man die grünen oder weißen Gefährte allenthalben an Bushaltestellen, Gehsteigen oder Schulen abgestellt – meist junge Menschen cruisen mit den neuen Fortbewegungsmitteln durch Flensburg. In der Zwischenzeit gab es bereits kontroverse Diskussionen in den politischen Gremien Flensburgs, die durch die neuen Scooter hervorgerufen wurde. Da ging es beispielsweise um Existenzberechtigung, Verkehrsstörungen oder Anzahlbegrenzung.
Auch der Seniorenbeirat Flensburg hat sich Gedanken gemacht und beschloss zu testen, wie leicht es für Senioren ist, einen E-Scooter zu leihen, wie sich das Fahrgefühl darstellt und wie alltagstauglich die Benutzung eines Scooters für Senioren ist. Wert wurde im Besonderen darauf gelegt, dass die Testpersonen den beiden Probanden möglichst unvoreingenommen gegenüberstehen und auch Computer-Freaks sollten das Testergebnis nicht verfälschen. Die Frage also lautete neben der Prüfung der technischen Gegebenheiten und dem Test des reinen Fahrgefühls: „Wie einfach ist es für die Generation 60+ alle nötigen Arbeitsschritte, die ein E-Scooter-Leihvorgang mit sich bringt, zu durchlaufen?“ Dass es sich hier bei zwei der drei Fragen um subjektive Meinungen handelt, tut der Sache keinen Abbruch, schließlich haben hier ältere Menschen für ältere Menschen getestet.
Heidemarie Hesse wollte den anschließenden E-Bike-Test bestreiten, bei dem wir allerdings schon beim Herunterladen der App scheiterten. Wir werden über weitere Bemühungen in diesem Zusammenhang berichten.
Mitte Mai verabredeten wir uns vormittags vor der Hannah-Arendt-Schule im Flensburger Westen. Hier schien uns die Chance am größten, genügend geparkte Elektroroller beider Marken vorzufinden. Tatsächlich ging der Plan auf. Wir fanden „ein Nest“ mit fünf TIER-Rollern sowie einen einsamen „BIRD-Scooter“ und machten uns sogleich an die Begutachtung. Hier zeigte sich nun einmal wieder, dass Männlein und Weiblein offensichtlich ganz verschieden an solch eine Aufgabe herangehen. Eine mitgebrachte Checkliste erleichterte zwar das Abarbeiten verschiedener Fragestellungen, aber die Männer interessierte z. B. Radstand, Raddurchmesser, Beschleunigungsmöglichkeit und weitere technische Einzelheiten. Die Frauen hingegen setzten mehr auf Fragen wie Handling, Haptik oder Fahrgefühl. Gut, dass wir bei Zusammenstellung der Gruppe bewusst beide Geschlechter berücksichtigt hatten.
Der Himmel war bedeckt, aber es blieb trocken, so dass unser Vorhaben nicht zusätzlich durch eine rutschige Fahrbahn erschwert wurde. Die jeweiligen Apps konnten an Ort und Stelle problemlos heruntergeladen werden, lediglich die Eingabe eines PayPal-Kontos bei der Bird-App funktionierte nicht. So wichen wir auf eine andere Nutzerin mit Kreditkarte aus. Flugs waren die Gefährte startbereit.
Die erste Testerin wagte sich ans Werk. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase war sie dann bald ganz flott mit ihrem TIER-Scooter unterwegs. So ging es reihum, bis schließlich auch der BIRD-Roller an die Reihe kam. Mit viel Interesse wurden objektive und subjektive Eindrücke beider Fahrzeuge diskutiert – immer wohlwollend beäugt von Schülern, die ihre Pause an der frischen Luft verbrachten. Das hatten sie bestimmt noch nicht gesehen – so viele mobile „Alte“, die sich freiwillig und fröhlich auf die oftmals verteufelten neuen Gefährte in unserem Stadtbild wagten. Wir waren uns sicher, wenn wir alleine nicht zurechtgekommen wären, wäre uns von dort in jedem Falle Hilfe zuteilgeworden. Wir haben es jedoch selbstständig geschafft, was wir hier nicht ohne Stolz kundtun. Wie immer, stehen am Ende die Kosten. Beim Selbsttest fielen für gut 30 Minuten Nutzung 7,65 Euro an Kosten an, also deutlich teurer als der ÖPNV. Rechnung und Zahlung erfolgten bei TIER problemlos. Es gab sofort eine Kostenaufstellung auf dem Handy und dann eine ordentliche Rechnung per Mail. Die BIRD-App zeigte zwar die Kosten 2,47 Euro (der Roller wurde deutlich kürzer genutzt) an, aber die Rechnung ist bisher noch nirgends aufgetaucht.
Hier nun die persönlichen Eindrücke der vier testenden Personen:
Bernd Wittke (71)
Bei TIER führt die Standfläche dazu, dass man den hinteren Fuß diagonal hinter den vorderen stellt, um eine gefühlt sichere Standposition zu erreichen. Bei BIRD muss man die Füße hintereinanderstellen. Das ist aber leicht versetzt möglich. Die Fußstellung bei BIRD scheint für Langstrecken angenehmer.
Mit beiden Modellen können Versätze von bis zu ca. 4 cm (Ausfahrten, abgesenkte Bordsteine) bewältigt werden. Höhere Absätze waren nicht verfügbar; scheinen aber dann problematisch. Diese Bodenschwellen müssen nicht im 90°-Winkel angefahren werden; ein relativ spitzer Winkel ist (bei Trockenheit) möglich. Bodenunebenheiten sind bei BIRD deutlich fühlbar.
Richtungsanzeigen (Arm ausstrecken) nach links sind gut möglich. Beide Scooter können einhändig gefahren werden. Eine Anzeige nach rechts ist problematisch, da man die Hand von der Geschwindigkeitsregelung nehmen muss. Der Scooter wird schnell langsamer.
Ist eine Beschleunigung erforderlich – weil man sonst z. B. in der Kurve umzukippen droht – reagiert BIRD fast sofort auf den Druck auf den Geschwindigkeitsregler. Da ist TIER deutlich langsamer. An diese Verzögerung muss und kann man sich schnell gewöhnen und sie berücksichtigen. Ansonsten könnte das unangenehm werden.
Bei beiden Scootern werden Vorder- und Hinterrad getrennt gebremst. Wie bekannt, sollte immer zuerst die Hinterradbremse bedient werden. Sonst könnte es zu einem nicht gewollten Flug über den Lenker kommen. TIER überzeugte mit ordentlichen Bremsen auf beiden Rädern. Bei BIRD war nur eine geringe Bremswirkung feststellbar, die in Problemsituationen völlig unzureichend ist.
Bei BIRD findet man sofort die vom Fahrrad bekannte Klingel. Bei TIER wurde keine Klingel gefunden; obwohl es eine gibt! Ein anderer Nutzer wies im Gespräch auf die im linken Griff integrierte Bedieneinheit (kleiner Drehgriff) hin. Diese Möglichkeit wird leider nicht in der Bedienungsanleitung erwähnt.
Karin Hesse (71)
Für mich war das Fahrgefühl mit dem TIER-Modell gut, ein bisschen Übung ist notwendig, um ein Gefühl für die Reaktionen des Scooters zu entwickeln (Beschleunigung). Auch eine notwendige Richtungsanzeige mit Ausstrecken des rechten bzw. linken Armes bedarf einer gewissen Übung. Aus Seniorensicht würde ich persönlich nach Möglichkeit nur Straßen mit vorhandenen Radwegen bevorzugen. Das gilt für mich schon beim „normalen“ Fahrradfahren. Beim Bremsen war ich etwas vorsichtig gewesen, da ich die Gefahr, über den Lenker zu fliegen, nicht riskieren wollte. Eine wohl doch bei TIER vorhandene Klingel o. ä. habe ich während des Tests nicht finden können, da ist es beim BIRD deutlich einfacher. Mir persönlich erschien das Modell von BIRD einfacher im Handling.
Für mich persönlich sehe ich eine Erweiterung meiner Mobilität, allerdings mehr als einen „Just for Fun“ Faktor. Ich gehöre nach wie vor zu den Automobilisten. Gerne würde ich jedoch den Gebrauch des PKWs einschränken, vorausgesetzt es gibt vernünftige, kostengünstigere Möglichkeiten, um auf den vor der Tür stehenden Wagen zu verzichten. Ich wohne in Engelsby, habe also in jedem Falle auf dem Rückweg z. B. aus der Stadt einen Anstieg zu bewältigen, weswegen ich offen bin für diese neue Möglichkeit. Ich besitze lediglich ein „normales“ Fahrrad, und es ist hier keine Leih-E-
Bike-Station in direktem Umfeld.
Mein Fazit: Einfach mal ausprobieren.
Claus Möller (71)
Ich habe den Bird Roller getestet. Das war das erste Mal seit Kindertagen, dass ich auf einem Roller unterwegs war. Eine leichte Unsicherheit bekam ich immer, wenn Risse oder Löcher im Straßenbelag auftraten – das ist in Flensburg ja keine Ausnahme. Mit dem Geschwindigkeitsregler kann ich mich nicht anfreunden, denn der ist wie beim Quad mit dem Daumen zu bedienen. Auch das Anzeigen der Fahrt-
richtung nach rechts ist sehr schlecht, da man dann den Fahrtregler loslassen muss. Für mich muss ich als Ergebnis festhalten, dass ein E-Scooter keine Alternative darstellt. Da fahre ich lieber mit dem E-Bike oder benutze für längere Touren mein 700 ccm Motorrad.
Regina Bunge (64)
Für mich war dieser Ausflug in die neue Mobilitätswelt ein sehr interessantes Erlebnis. Alleine hätte ich mich wohl nicht an das Thema gewagt. Als geübte E-Bike-Fahrerin war ich natürlich auch nicht neu auf diesem Terrain der E-Mobilität; trotzdem offenbart sich einem noch einmal ein ganz anderes Fahrgefühl. Die Nutzung eines E-Scooters kann ich mir nur für kurze Strecken vorstellen, etwa wenn kein eigenes Gefährt zur Verfügung steht, wie beispielsweise bei Städtetouren. Für jüngere Menschen stellt der E-Scooter natürlich tatsächlich eine Mobilitätserweiterung dar, wenngleich der Kostenfaktur nicht zu unterschätzen ist.
Unser gemeinsames Fazit nach dem E-Scooter-Test fällt durchaus positiv aus – immer eine ordentliche Handhabung, sorgsame Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr und verantwortungsvolles Abstellen vorausgesetzt. Jedoch sollte man unbedingt darauf achten, nicht ohne Helm zu fahren, obwohl keine Helmpflicht besteht. Das heißt also, am besten den eigenen Helm mitbringen. Außerdem ist ein funktionierender Gleichgewichtssinn unbedingt Voraussetzung, wenn man dieses Mobilitätsangebot nutzen will. Weiterhin ist angeraten sich nur auf Fahrradwegen und festem Untergrund damit zu bewegen. Es ist aber keine ausschließlich für junge Menschen geeignete Offerte, zumal auch die dafür zu überwindenden technischen Voraussetzungen genauso für Menschen unserer Jahrgänge problemlos zu meistern sind.
Den anschließend geplanten E-Bike-Test mussten wir allerdings an der Hafenspitze abbrechen, weil es uns nicht gelang, die dafür nötige App auf die Smartphones zu laden. Wir werden einen erneuten Versuch starten und auch darüber berichten.
Regina Bunge, Mitglied des Seniorenbeirats Flensburg