Selbsthilfegruppen sind freiwillige, meist lose Zusammenschlüsse von Menschen, deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten, psychischen oder sozialen Problemen richten, von denen sie – entweder selber oder als Angehörige – betroffen sind. Das übergreifende Ziel ist, sich selbst zu helfen, in der Gemeinschaft und im Austausch mit Gleichbetroffenen. Ein Problem loswerden, begrenzen oder besser aushalten, existenzielle Lebensthemen können in Gemeinschaft bearbeitet werden.
Die Anfänge
„Wieso gibt es in Flensburg eigentlich keine reine Frauenselbsthilfegruppe für Abhängigkeitserkrankungen?“ Diese Frage stellte Britta Berngruber, Gründerin dieser Selbsthilfegruppe in Flensburg, vor genau 20 Jahren ihrer Therapeutin im Diakonischen Suchthilfezentrum Flensburg. Die brachte sie dann auf die Idee und machte ihr Mut, doch eine eigene Frauenselbsthilfegruppe in Flensburg zu gründen. „Da ich schon Erfahrungen in diesem Bereich mitbrachte, habe ich nicht lange überlegt und das Angebot angenommen, in den Räumen des Diakonischen Suchthilfezentrums in Flensburg, Südergraben 59, eine reine „Frauenselbsthilfegruppe für Abhängigkeitserkrankungen“ anzubieten. Hintergrund der Gründung einer reinen Frauenselbsthilfegruppe waren meine eigenen Erfahrungen in einer Therapie für Abhängigkeitserkrankungen, die nur aus Frauen bestand. In meiner Selbsthilfegruppe in Schleswig waren wir Frauen und Männer, immer wieder stellte ich fest, dass es doch viele „frauenspezifische“ Themen gibt, gerade bei Abhängigkeitserkrankungen unterschiedliche Sichtweisen auf die Erkrankungen, deren Auswirkungen, und den Umgang damit im Alltag, vorhanden sind. Als Termin für den Gruppenabend für Frauen habe ich bewusst den Sonntagabend gewählt, da vielen Frauen der Zugang zur Gruppe ermöglicht werden soll und am Sonntagabend sich eher eine Betreuung durch die eigene Familie findet. Ich habe dann Flyer entworfen und die in mehreren Institutionen in Flensburg verteilt, z. B. im Frauenhaus, Pro Familia, Gesundheitshaus, verschiedene Arztpraxen, etc. Das Diakonische Suchthilfezentrum hat mich in Form von Aushängen und Werbung in den eigenen Räumen unterstützt, bis heute darf die Frauengruppe die Räumlichkeiten kostenlos nutzen. Viele Experten hatten mir prophezeit, dass es bei der Neugründung einer Gruppe eine längere Anlaufzeit braucht, bis Betroffene den Weg in die Gruppe finden. So hatte ich mich am Sonntag, dem 1. September 2002, darauf eingestellt, dass ich erstmal wohl den Abend alleine verbringen werde. Doch es kam ganz anders: Gleich am ersten Abend fanden sich mehrere Frauen ein, die großes Interesse an einer reinen Frauengruppe zeigten. Und das ist bis heute, 20 Jahre später, so geblieben.“
Wem sollte geholfen werden?
Die Probleme der Frauen waren und sind alle im Bereich von verschiedenen Abhängigkeitserkrankungen zu finden: Alkohol, Drogen, Tabletten, Essen und andere Süchte. Die Frauen treffen sich, um sich über ihre Probleme nach einer Suchttherapie mit anderen Frauen auszutauschen. Viele brauchen einen Rat, andere haben das Gefühl, dass etwas in ihrem Leben nicht mehr so läuft, wie sie es sich wünschen. In einem geschützten Rahmen kann über alles gesprochen werden und die Frauen unterstützen sich gegenseitig. Eine Lebenskrise bietet oft die Chance für einen Neubeginn. Eine Inventur des eigenen Lebens kann dazu verhelfen, neue Wege zu suchen und zu finden. Diesen Weg können betroffene Frauen in einer Selbsthilfegruppe lernen und leben. Die Gruppe gibt einem zusätzlich noch den Mut, als Frau offen zu den eigenen Problemen zu stehen und zu lernen, dass auch andere Frauen Ängste und Probleme haben. In der Gruppe wird versucht, diese Ängste und Probleme gemeinsam zu bewältigen.
Die Flensburger Gruppe etabliert sich
Nach 4 Jahren gab Britta Berngruber die Leitung der Frauenselbsthilfegruppe an Conny Goedecke ab, da sie seinerzeit selbst beruflich und durch die ehrenamtliche Tätigkeit im Blauen Kreuz in der ev. Kirche zu sehr eingespannt war. „Conny war fast von Anfang an mit in der Frauengruppe und ich wusste, dass ich in ihr eine tolle, sehr zuverlässige und kompetente Nachfolgerin für die Frauengruppe gefunden habe. Ich bin ihr sehr dankbar dafür, dass sie bis heute die Frauengruppe mit viel Erfolg leitet!“, weiß Britta Berngruber das Engagement ihrer Nachfolgerin zu schätzen. Conny war von Anfang an dabei, wurde im September 2002 im Rahmen der ambulanten Therapie im Diakonischen Suchthilfezentrum durch ihre Therapeutin auf die neue Frauengruppe hingewiesen, ging mit einer Mitpatientin an einem Sonntag gemeinsam mal „schauen“. Dies war ihr erster Kontakt zur Frauengruppe, doch sie hat viel gelernt und erfahren: „Die Gespräche in der Gruppe sind geprägt von gegenseitigem Verständnis, großer Wertschätzung und Verschwiegenheit. Wir unterstützen uns gegenseitig sowohl bei der Bewältigung unserer Abhängigkeitserkrankung als auch bei der Lösung von Alltagsproblemen. Jede kann aus unseren Treffen individuelle Rückschlüsse ziehen und versuchen, diese im persönlichen Leben umzusetzen“, schildert Conny ihre Gruppenerfahrungen, berichtet von den gemachten Fortschritten: „In den ersten Jahren mit Britta habe ich meine persönliche Entwicklung stabilisiert. Die Gruppe wächst langsam und stetig. Der Kreis der Teilnehmerinnen bildet einen Querschnitt durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten. Dadurch entsteht ein vielfältiger und reger Austausch von Ansichten und Erfahrungen. Zu sehen, dass Mütter wieder ihre persönliche Zukunft klar und umsichtig gestalten können, von ihren Kindern wieder akzeptiert werden und sie betreuen können, die Familie wieder zueinander findet, sowie junge Frauen dabei zu unterstützen, die Ausbildung fortzuführen und mit älteren Teilnehmerinnen die Gedanken über einen Umzug aus dem gewohnten Umfeld zu teilen, bereitet große Freude.“
Was Gruppenarbeit bewirkt
Conny war umtriebig in jeder Hinsicht: „Zusätzlich zur Frauengruppe besuchte ich noch bis Mitte 2012 den Freundeskreis. Im Jahr 2004 schloss ich eine Fortbildung zur betrieblichen Suchthelferin ab und wurde durch meinen Arbeitgeber zur nebenamtlichen Suchthelferin bestellt. Die Sonntagabende in der Frauengruppe bereichern mein Leben sehr, so dass ich stets gern den Weg zum Lutherhaus gehe, um meine Weggefährtinnen zu treffen. Auch deshalb übernahm ich im Jahr 2006 gern die ehrenamtliche Tätigkeit von Britta, biete weiterhin und bis heute einen Rahmen für das Treffen der Frauen am Sonntag im Lutherhaus an. Innerhalb dieses Kreises ist es möglich, eine Abhängigkeit/Sucht als Erkrankung anzunehmen und nicht nur als persönliches Versagen zu betrachten. Diese Einsicht ist ein wesentlicher Gedanke in meiner persönlichen abstinenten Entwicklung. Auch um diese fortzuführen und mich und mein Tun zu hinterfragen, sitze ich gerne sonntags mit meinen Weggefährtinnen aus der Gruppe zusammen. Wir sind mutige und starke Frauen, die jeden Tag auf sich Acht geben und die sich dauerhaft mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen.“
Nur Mut! Tue Dir was Gutes: Komm doch mal vorbei!
Dieser Austausch mit anderen betroffenen Frauen bringt unheimlich viel Freude und gibt einem Halt. Das können Britta und Conny bestätigen, da sie sich bis heute privat, zusammen mit ihren Männern, treffen und sich daraus eine tolle Freundschaft entwickelt hat.
Bedingt durch die Corona-Pandemie und die auferlegten Einschränkungen besteht die Gruppe aktuell „nur“ aus etablierten Teilnehmerinnen. Zusätzlich zu den Präsenztreffen besteht die Möglichkeit des telefonischen Kontaktes und des Gedankenaustausches bei einem Spaziergang. In diesen Wochen und Monaten können wir uns erfreulicherweise wieder mit Abstand und unter Einhaltung der üblichen Hygieneregeln treffen.
„Keine Angst – unsere jüngste Teilnehmerin (25 Jahre) sagte erst neulich: „Ich bin gerne euer Küken!“ Wir hoffen, dass sich angesprochene Frauen bei uns melden und unsere Gruppe mit ihrer Teilnahme bereichern!“
flj
Kontakt
Frauenselbsthilfegruppe mit Abhängigkeitsproblemen
Wir treffen uns jeden Sonntag von 18.00 bis 19.30 Uhr in den Räumen des Diakonischen Suchthilfe-Zentrums Flensburg, Südergraben 59,
im Lutherhaus.
Kontakt-Telefon: Conny: 0461/64960