Im ersten Teil seiner Geschichte beschreiben wir die Zeit seiner Kindheit und des Erwachsenwerdens bis Beginn seiner Wehrdienstzeit im Jahre 1967.

In welchen hiesigen Stadtteilen und in wie vielen verschiedenen Wohnungen er in Flensburg bereits gelebt hat? Er weiß es nicht auf Anhieb: „Es waren jedenfalls ganz schön viele – in sämtlichen Flensburger Ecken und Vierteln, in allen vier Himmelsrichtungen!“, antwortet mir mein Gesprächspartner Rolf Schlicht. „Geboren wurde ich im August 1947 in der Straße Blasberg, im Stadtteil Fruerlund. Es war – wie damals üblich – eine Hausgeburt“, verrät er in dem Zusammenhang. Es soll eine schwere Geburt gewesen sein. „Wegen der Steißlage und einer um den Hals gewickelten Nabelschnur war ich bereits blau angelaufen.“

Rolf Schlicht – Ein Flensburger „durch und durch“!

Ein schwerer Start ins Leben

„An die erste Wohnung mit meiner Mutter und meiner älteren Schwester dort am Blasberg habe ich keine Erinnerungen. Wir haben allerdings regelmäßig meine Oma in Tarup besucht, wo sie nach ihrer Flucht aus Ostpreußen eine Bleibe fand. Meine um drei Jahre ältere Schwester war wohl auch häufiger bei unserer Oma, denn wir hatten nur ein kleines Zimmer zur Verfügung. Meinen Vater habe ich in meinen ersten Lebensjahren fast nie gesehen; er arbeitete im Ruhrgebiet, in Gelsenkirchen, im Bergbau, was damals eigentlich üblich war. Schon bald zogen wir das erste Mal um: Wir wohnten danach in der Apenrader Straße in einer beengten Ein-Zimmer-Wohnung: Mutter, Schwester und ich“, weiß mein Protagonist zu erzählen.

Als gerade einmal Zweijähriger erkrankte der kleine Rolf schwer. Er bekam Diphterie, damals eine Krankheit mit oft tödlichem Ausgang. Diphtherie ist eine bakterielle Infektion, die bei Befall der Rachenschleimhäute die charakteristischen klinischen Symptome Halsschmerzen und festanhaftende Belege im Rachen hervorruft. Anmerkung: Eine Impfung gegen Diphtherie ist der wirksamste Schutz vor dieser Erkrankung. Bevor die Impfung ab 1960 flächendeckend eingesetzt wurde, gab es in Deutschland immer wieder größere Diphtherieepidemien, die viele Todesopfer forderten – vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

„Ich habe zum Glück keinerlei Erinnerungen an jene Zeit, weiß nur aus Erzählungen in der Familie, dass ich nach einem Luftröhrenschnitt sehr lange stationär in der damaligen Klinik Ost in Mürwik gelegen habe und dort die Krankenschwestern sehr beschäftigt habe.“ Nun, er hat die Krankheit zur großen Freude seiner Eltern gut überstanden und ist wieder vollständig gesund geworden.

„In der Apenrader Straße haben uns nette Vermieter freundlich aufgenommen. So waren der Vermieter, der für mich wie ein Opa war, und ich täglich in seinem Garten und haben Kartoffeln aufgenommen usw. – und haben „klug geschnackt“. Vormittags hat mich meine Mutter immer runter geschickt, um auf den Paketfahrer zu warten, der in einem Paket meine kleine Schwester bringen sollte. Inzwischen kannten wir uns ja auch schon ganz gut, und er wusste ja auch, warum ich ihn immer erwartet habe. „Oh, mein Jung, sagte er immer, vielleicht ist deine Schwester ja morgen dabei!“ Eines Morgens war sie dann endlich da. Es stand auch ein Karton mit Luftlöchern in der Ecke, und die für mich fragwürdigen Umstände wurden mir von den umstehenden Erwachsenen wortreich und behutsam erklärt. Ich musste es so hinnehmen!“

Im Alter von etwa 5 Jahren stand der nächste Umzug an. Die kleine Familie zog von der Apenrader Straße in den Ostseebadweg, in eine etwas größere Wohnung als zuvor; über dem damaligen „Konsum“.

Rolf Schlicht – Ein Flensburger „durch und durch“!
Beim Onkel in Hannover

Eine typische Kindheit in Wald- und Strandnähe

„Hier fühlte ich mich schnell zuhause. Ich war ja auch schon ein Knirps, der raus konnte und gern draußen spielte. Horden von Kindern bestimmten zu jener Zeit das Straßenbild in unserem Viertel, Spielmöglichkeiten gab es „ohne Ende“ – wobei wir natürlich auch dort spielten, wo es eigentlich verboten war“, schmunzelt Rolf Schlicht. „Ständig spielten wir natürlich auch auf den vielen Baustellen in der Gegend. Die hatten eine besondere Anziehungskraft für uns: Dort lagen allerlei krumme Nägel als für uns nützliche Gegenstände herum – speziell zu unserer Verfügung, wie wir Kinder dachten. Die krummen Nägel wurden von uns in den Backformen meiner Mutter aufbewahrt. Ich war der selbst bestimmte „Räuberhauptmann“. Eines Tages bekam meine Mutter eine Einladung von der Polizei, mit mir auf dem Revier zu erscheinen. Hintergrund waren die überhandnehmenden Diebstähle damals auf eben jenen Baustellen. Auf dem Polizeirevier wurde ich im Beisein meiner Mutter getadelt und ermahnt, die Baustelle mit meinen Spielgefährten nicht mehr zu betreten. „Naschis“ kauften wir für einen Groschen am Kiosk bei der Endstation der Straßenbahnlinie 1 – meistens Lakritzstangen, aber gern auch mal einen „Negerkuss“.

Rolf Schlicht – Ein Flensburger „durch und durch“!
In Kollund auf dem Eis

Ein weiterer Umzug – und Einschulung

Bald zog man erneut um, „Alter Kupfermühlenweg“ hieß die neue Adresse der Familie Schlicht. „Wir hatten uns erneut etwas verbessert, jetzt war es sogar eine 2,5-Zimmer-Wohnung, das kleine Zimmer teilte ich mir mit meiner älteren Schwester.“ Als Sechsjähriger stand für Rolf die Einschulung an, Ostern 1954 kam er als eines von vielen „Osterlämmern“, wie die Neuschüler damals genannt wurden, in die Schule Ramsharde. „Dort entwickelte ich mich altersgerecht und zum sportlich erfolgreichen Schüler mit einigen Buchpreisen und „großen“ Urkunden bei den Bundesjugendspielen und Schulfesten. In der Schule musste ich meine jüngere Schwester gegenüber ihren Mitschülern immer in Schutz nehmen. Sie ging gerne rotzfrech mit ihren Mitschülern um und wenn sie in Not war, drohte sie einfach mit ihrem „großen Bruder“. Das zeigte damals entsprechende Wirkung, war ich doch 5 Jahre älter. Weil es in unserer relativ kleinen Dach-Wohnung gerade morgens recht eng und unruhig war, und ich inzwischen auf dem Sofa in der Küche meinen Schlafbereich hatte, habe ich mich schon vorm üblichen Schulbeginn zur Freude des Hausmeisters auf den Weg gemacht. Ich habe ihm beim Kohlenschippen für die Heizöfen tatkräftig geholfen. Wir mochten uns und freundeten uns geradezu an. Für meine tatkräftige Unterstützung wurde ich von der Frau des Hausmeisters mit Schulmilch und Naschkram belohnt. Auch außerhalb der Öffnungszeiten der Turnhalle durfte ich mit meinen Klassenkameraden in die Halle gegen Ehrenwort, dass wir nichts kaputt machen.“

Rolf Schlicht – Ein Flensburger „durch und durch“!
Voller Haarschopf

Der Strand Ostseebad – Spielplatz und Freizeitbereich für das gesamte Westufer

„Während meiner Schulzeit in den 50er und 60er Jahren war der Strand in Ostseebad praktisch ganzjährig für alle Kinder und Heranwachsenden im schulfähigen Alter von 6 bis etwa 13-15 Jahren ein großer Abenteuerspielplatz. Den Weg dorthin durch den Wald nutzten wir praktisch täglich. Im Sommer haben wir das Strandleben natürlich in vollen Zügen genossen. Ballspiele etwa und Wettkämpfe am Strand nach dem Motto: „Wer ist der Beste/Stärkste?“ Wettschwimmen und Wetttauchen waren ebenso regelmäßig angesagt, ebenso Wasserspiele in jeder nur denkbaren Art und Weise. Der Strand von Ostseebad war unsere zweite Heimat. Die Eltern wussten uns in guter Umgebung und gleichzeitig sinnvoll beschäftigt“, denkt unser Strandfan gern an jene unbeschwerte Zeit zurück.  
Doch das Strandbad wurde auch von der Ramsharder Schule für den Schwimm­unterricht genutzt – das heute längst abgerissene Hallenbad in Bahnhofsnähe gab es ja erst ab 1964, folgerichtig konnte das Schwimmen nur hier am Strand in Ostseebad stattfinden.

„Gleich nach den Osterferien wurde die Badesaison mit dem Schulschwimmen bei meist noch niedrigen Wassertemperaturen eröffnet. Ja, so war das seinerzeit, auf Befindlichkeiten der Kinder wurde von den Lehrern keine Rücksicht genommen, es war einfach so Tradition, obwohl das Ostseewasser gefühlt immer noch „arschkalt“ war! Und es wurde auch von uns als sehr kalt empfunden. Natürlich haben wir uns immer irgendwelche Tricks und „glaubhafte“ Ausreden für unseren Sportlehrer einfallen lassen, um den Aufenthalt im Wasser möglichst zu vermeiden oder mindestens zu verkürzen. Unserem Einfallsreichtum waren dabei keine Grenzen gesetzt“, schmunzelt Rolf. „Doch wer hätte das gedacht, dass wir tatsächlich nach und nach alle zu „zertifizierten Schwimmern“ wurden? Aber im Grunde habe ich mir das Schwimmen selbst beigebracht. Spätestens nach den Sommerferien haben wir dann praktisch alle zumindest die Prüfungen zum Frei- oder Fahrtenschwimmer dennoch ehrgeizig und letztlich auch mit Stolz abgelegt.“ 

Typisch für damalige Sommerfreuden: „Nach einem langen Strandtag bei strahlendem Sonnenschein kam es mehr als einmal vor, dass ich mit einem heftigen Sonnenbrand klagend nach Hause gekommen bin. Dann war die bewährte Spezialbehandlung meiner Mutter gegen Sonnenbrand fällig: Als erste Maßnahme wurde ich mit freiem Oberkörper an der kühlen, mit Ölfarbe gestrichenen, Treppenhauswand hoch und runter gescheucht, „um die Hitze aus dem Körper zu kriegen“, wie meine Mutter meinte. Die danach angewendete Prozedur bestand darin, dass die betroffenen Hautpartien mit kühlendem Quark großzügig eingerieben wurden. Von Sonnencremes mit diversen Lichtschutzfaktoren und Ähnlichem hatten weder wir noch die Erwachsenen je etwas gehört. Und siehe da: Dank Mutters Spezialbehandlung beruhigte sich die Haut und der Sonnenbrand schwächte sich allmählich ab und war zu ertragen, so dass der Nachtschlaf möglich war“, kann sich unser „Beach Boy“ von damals gut an die bewährten Hausmittel seiner Mutter erinnern.

Rolf Schlicht – Ein Flensburger „durch und durch“!
1966, Urlaub in Schweden

Freizeitheim „Sophiesminde“

„In der „strandfreien Zeit“ und im Winter haben wir Kinder aus Ramsharde, Klues und der Apenrader Straße uns gerne im großen Freizeitheim „Sophiesminde“ am „Port Arthur Berg“ aufgehalten. Dort haben wir unter Aufsicht und Anleitung von Frau und Herrn Maack Tischtennis und Brettspiele wie Dame und Mühle gespielt. Im gleichen Haus hatte damals auch ein erfolgreicher Tischtennisverein (TTC Ramsharde) eine Trainingsstätte. Das Außengelände war sehr groß und reichlich bewaldet und zum Versteck spielen vortrefflich geeignet. Über einen hohen Zaun gelangten wir zu den versteckt liegenden Bunkern, aus denen wir Munitionsreste gesammelt haben, um mit dem Pulver dann Feuerstellen anzulegen. Außerdem hatte ich auf meine drei Jahre ältere, gut aussehende Schwester, „aufzupassen“. Es waren immer viele Jungs um sie herum und suchten ihre Nähe, das nervte sie ungemein. Mein verzweifelter Ausspruch war: „Wenn ich groß bin, verhaue ich sie alle!“

Rolf Schlicht – Ein Flensburger „durch und durch“!
1968, links

Verirrt auf dem Eis der Flensburger Förde

Sein größtes Kindheits-Abenteuer nahm an einem frühen und kalten Winterabend am Strand von Ostseebad auf dem zugefrorenen Eis der Flensburger Förde seinen spektakulären Lauf. Rolf erzählt mit leuchtenden Augen: „Die Förde war um diese Jahreszeit mehr oder weniger regelmäßig bis auf die Fahrrinne zum benachbarten Kollund zugefroren. Das war für uns Kinder die Hochsaison für unsere „Eisschollen-Kämpfe“ am Strandufer von Ostseebad. Mit starken Ästen aus dem angrenzenden Wald brachen wir uns Eisschollen aus dem Eis der Förde heraus, die uns dann als Rammböcke gegen die gegnerischen Schollenbesatzungen dienten: Seekrieg auf Nordisch sozusagen. Das erklärte Ziel war klar: Die gegnerischen Schollen möglichst zu zerstören, damit sie manövrierunfähig wurden. Ein Riesenspaß, der natürlich nichts für ganz kleine Jungs war!“

Und er fährt fort: „An jenem eiskalten Wintertag – ich war damals etwa 8 Jahre alt – war die Zeit wieder einmal wie im Fluge vergangen. Es wurde schon allmählich schummrig und die meisten meiner Spielgefährten hatten sich durch den Wald zurück auf den Heimweg gemacht. Mir war noch nicht danach und ich blieb noch länger am Strand. Hatte ich doch die „grandiose“ Idee, über das zugefrorene Eis bis zur eisfrei gehaltenen Kollund-Fahrrinne zu gehen. Gesagt, getan! Wegen der aufkommenden Dunkelheit wurde die Sicht auf dem Eis jedoch bald merklich schlechter, was erheblich die Orientierung erschwerte. Am gegenüberliegenden Ufer im Stadtteil Mürwik leuchteten bereits unzählige Lichter. Das viele Licht blendete mich ungemein und nahm mir zunehmend die Sicht – auch um mich herum. Am rückwärtigen Strandabschnitt vom Ostseebad war es bereits stockdunkel. Meinen ursprünglichen Plan, die freie Fahrrinne auf den treibenden Schollen für das Übersetzen nach Mürwik zu nutzen, hatte ich zwischenzeitlich total aufgegeben. Meine Gefühlslage änderte sich plötzlich zunehmend in Angst, dass ich mich wegen fehlender Orientierung auf dem Eis verirren könnte. 

Panikartig wollte ich schließlich wieder zurück zum „heimatlichen Strand“ Ostseebad. Zu diesem Zeitpunkt lief ich schon – von mir unbemerkt – orientierungslos im Kreis. Ein offenbar typisches Verhalten in ähnlichen Situationen! In meiner Not rief ich panisch um Hilfe und natürlich nach meiner Mutter. Ich hoffte auf irgendeinen Küstenabschnitt in der Nähe, denn tatsächlich wusste ich nicht mehr, wo ich mich inzwischen befand. Meine Hilferufe wurden immer verzweifelter und dringlicher – und schließlich hatte ich damit tatsächlich Erfolg, als ich in der Nähe Stimmen in einer Sprache vernahm, die mir irgendwie nicht fremd war. Es waren Dänen, die sich bemerkbar machten, um mir Orientierung zu geben und zu helfen. So fand meine Odyssee auf der zugefrorenen Förde ein glückliches Ende: im kleinen Ort Kollund in Dänemark.

Hilfsbereite Dänen nahmen sich meiner rührend an, kümmerten sich um den aufgeregten Buben aus „Tyskland“ und brachten mich in eine warme Stube, servierten mir heißen Tee und boten mir weitere Leckereien an. Sie hüllten mich in warme Decken ein, versorgten mich mit warmem Essen und reichlich Trost und Beistand. Später kam die von den Helfern herbeigerufene dänische Polizei und fragte meine Personalien ab. Wie damals üblich, gab es auch bei uns zu Hause noch kein Telefon. So hatte die dänische Polizei zwischenzeitlich mit ihren Kollegen in Deutschland telefoniert und meine „Übergabe“ am Grenzübergang in Krusau/DK telefonisch vereinbart. Wie verabredet wurde ich von der dänischen Polizei an den deutsch-dänischen Grenzübergang gefahren und dort der deutschen Polizei übergeben. Und noch an Ort und Stelle wurde ich dann sofort an meine überglücklichen Eltern „übergeben“. Mit Freudentränen haben sie mich in ihre Arme genommen. Später musste ich zu Hause allerdings noch ein gehöriges Donnerwetter über mich ergehen lassen.“ 

Rolf Schlicht – Ein Flensburger „durch und durch“!
1975 in Kopenhagen

Damals war der ÖPNV gleichbedeutend mit der Straßenbahn

„Wie beinahe alle Nachbarn und Freunde oder Bekannten hatten auch wir kein Auto – woher auch? Praktisch alle Wege und Erledigungen wurden zu Fuß erledigt. Sollten wir wirklich mal eine weitere Strecke zurücklegen, fuhren wir einen Teil des Weges mit der Flensburger Straßenbahn. An die Straßenbahn kann ich mich gut erinnern. Da wir im Norden der Stadt wohnten, startete jede Tour mit der Linie 1, die von der Endstation „Ostseebadweg“ in Richtung Innenstadt fuhr. Meine Eltern sind oft am Sonntag mit uns Kindern diese Tour gefahren, um Besuche bei Familienangehörigen oder Freunden zu machen. Ich erinnere mich noch gut an die Haltestelle am Blasberg in der Nähe des Stadions. Auch an weitere Besuche bei unseren Verwandten in Adelbylund erinnere ich mich. Dann fuhren wir mit der Bahn erst bis zum Hafermarkt, den restlichen Weg den Berg hoch über die Kappelner Straße gingen wir natürlich zu Fuß.“

Doch auch später als Jugendlicher und junger Erwachsener nutzte Rolf gern und oft die Straßenbahn. „Während meiner Lehrzeit bin ich von der Endstation am Ostseebadweg regelmäßig morgens um 6.30 Uhr bis zum Südermarkt gefahren, von dem ging es zu Fuß bis zur Heinrichstraße, in der mein Lehrbetrieb war. Nach Feierabend ging es auf gleichem Weg so gegen 17.00 Uhr wieder retour. Der Fahrpreis betrug seinerzeit, so glaube ich jedenfalls, für eine einfach Fahrt um die 20 bis 25 Pfennige. Hin- und Rückfahrt waren damals schon etwas billiger. Muss ich erwähnen, dass die Wege von der Haltestelle bis zur Arbeitsstätte und entsprechend abends zurück stets zu Fuß zurückgelegt wurden?“, schmunzelt er in Erinnerung an jene Jahre. „Hätte meine Mutter mir nicht großzügig mit dem Fahrgeld ausgeholfen, hätte ich noch viel öfter zu Fuß gehen müssen. Über diese „Fahrkarten-Hilfsaktion“ wurde zwischen Mutter und mir absolutes Stillschweigen vereinbart! Sie war sooo lieb!“

Rolf Schlicht – Ein Flensburger „durch und durch“!
Damals „unser ÖPNV“

Schulabschluss und Lehre

Rolf Schlicht absolvierte seine Schuljahre an der „Ramsharder Schule“ – von seinen sportlichen Erfolgen einmal abgesehen – relativ unauffällig. Im März 1963 verließ er die Schule mit dem Volksschulabschluss in der Tasche. Damals noch nicht ahnend, dass ihm Jahre später sein besonders ausgeprägtes Weiterbildungsbestreben, seine Mobilität sowie die damit einhergehende berufliche Verwendungsbreite mit guten Beurteilungen einen erfolgreichen Weg für die erfolgreiche Teilnahme an einer mehrwöchigen „Auslesefeststellung/Eignungsprüfung“ für den Aufstieg in den gehobenen Dienst eröffnet hat. „Die Auslesefeststellung habe ich mit gutem Ergebnis in Oberammergau abgeschlossen. So wurde ich als Aufstiegsbeamter für den gehobenen Dienst und zum Studium an der Hochschule des Bundes zugelassen. Mein Studium zum „Dipl.-Verwaltungswirt“ habe ich dann im Alter von 50 Jahren im April 1998 erfolgreich abgeschlossen!“ (darüber später im 2. Teil mehr!).

Bei einem Fachbetrieb in der Metallbranche trat Rolf im April 1963 seine Lehre zum Maschinenschlosser an. Sein Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb war die Firma Wolff in der Heinrichstraße. „Für mich erwies sich diese Lehrstelle durchaus als Glücksgriff. Ich genoss eine umfangreiche und gute Ausbildung über insgesamt 3,5 Jahre. Im ersten Lehrjahr stand ausschließlich die betriebseigene Lehrwerkstatt auf dem Plan. In den Folgejahren durchlief ich alle relevanten Fachabteilungen von der Schmiede, Dreherei, dem Technischen Büro, bis hin zur Schweißerei, Werkzeugmacherei, Stahlbau usw. In jeder Sparte wurde intensiv praktisch ausgebildet. Leider meldete der Betrieb noch während meiner Lehrzeit Insolvenz an. Immerhin wurde dafür gesorgt, dass ich meine Ausbildung dort noch bis zur praktischen und theoretischen Abschlussprüfung mit dem Facharbeiterbrief abschließen konnte. So verließ ich meinen Ausbildungsbetrieb mit dem Facharbeiterbrief in der Tasche als ausgebildeter Maschinenschlosser im Herbst 1966.“ Nun drohte die Arbeitslosigkeit; denn bis zum geplanten Eintritt in die Bundeswehr musste er sich noch bis Anfang 1967 gedulden.

Die Übergangszeit und als Motorenwärter auf einem Tanker

„Ich hatte zwar erfolgreich ausgelernt, doch war es grundsätzlich schwer, einen Anschlussjob zu finden, wenn man noch nicht die Wehrpflicht hinter sich hatte. Doch ich wusste schon, wie ich zu Geld kommen könnte: In den 60er Jahren fanden sich an jedem Werktag (auch sonnabends!) morgens um 6 Uhr Arbeitswillige – auch Tagelöhner – in der „Kaffeeklappe“, gegenüber vom damaligen Kaufhaus Uldall, in der Norderfischerstraße, ein. Diese Kaffeeklappe war wohl irgendwie eine „Zweigstelle“ des Arbeitsamtes Flensburg. Dort hatte ich schon während meiner Lehrzeit mit meinen „Kumpels“ sonnabends gejobbt. Wir haben uns auch da sozusagen „hochgearbeitet“ und bekamen stets Arbeitsaufträge zugeteilt, zumeist zum Be- und Entladen von Kohle-Waggons oder zum Beladen von Doppelzentner-Säcken auf LKW.
Schiffe entladen gehörte ebenfalls zur „Kategorie“ Knochenarbeit. Dort wurden wir in vielerlei Hinsicht geprägt und belastbar fürs Leben gemacht. Es war eben keine „heile Welt“, und nicht nur ein körperlich harter Job, auch der Umgang mit den unterschiedlichsten Typen war geradezu ein „Härtetest“!

Das Geld allerdings konnte ich gut gebrauchen. An den Wochenenden ging es dann für uns als Belohnung auf die „Piste“.“ Längst hatte unser junger Mann das andere Geschlecht für sich entdeckt. Mädels bestimmten nun oft und regelmäßig seine Gedanken und Handlungen. „Einer meiner damals beliebten Aufenthaltsorte war die Kneipe „Silberquell“ in der Norderstraße. Dort bediente Erwin Pophal, stadtbekannter Flensburger Boxtrainer und Förderer der Nachwuchsboxer. Bei Erwin war es gemütlich, und am Wochenende kamen regelmäßig dänische Mädels dorthin, die ebenso wie wir einheimischen Jungs auf der Suche nach Abenteuern waren. Die Däninnen galten als freizügig, waren erpicht und „heiß“ auf uns deutsche Jungs. Es wurde seinerzeit schnell zueinander gefunden und kräftig rumgeknutscht und so weiter“, ein breites Grinsen ziert das Gesicht meines Gesprächspartners.

Mit Hilfe seines Vaters ergatterte Rolf einen Job als Zivilist (Motorenwärter) auf dem Versorgungstanker „Münsterland“ der Bundesmarine. „Go doch mol to de StOV in de Miereistrat“, empfahl ihm sein Vater, der längst wieder zurück in Flensburg war, mittlerweile einen Job als Zivilist bei eben jener StOV gefunden hatte: Er war für viele Jahre als Cheffahrer bei der Bundeswehr tätig, hatte deshalb gute Beziehungen zu jener Behörde. Rolf bekam einen Job im Maschinenraum des Tankers „Münsterland“, der als Versorgungsschiff für die Marine im Einsatz war. Ein recht großer Tanker – ca. 10.000 Tonnen, war das Schiff gleich als Begleitfahrzeug für ein NATO-Manöver im Einsatz. „Das war ein harter Törn“, erinnert sich Rolf. „Nachts allein auf „Null-Wache“ im riesigen Maschinenraum – und von „nix überhaupt richtige Ahnung“. Die Hauptmaschine wurde über Schweröl angetrieben (Hersteller: Grandi Motori Milano). Zum Glück halfen mir die Heizer bei meinem Job im Bauch des riesigen Schiffes. Ich war heilfroh, dass der Einsatz beendet war und ich wieder abmustern konnte.“ So ging für unseren jungen Mann ein ziemlich aufregendes Vierteljahr zu Ende. Bald sollte die Bundeswehr rufen und in sein Leben treten …

Mit Rolf Schlicht sprach Peter Feuerschütz
Fotos: Benjamin Nolte, privat

Im 2. Teil der Geschichte des Rolf Schlicht erfahren Sie mehr … neben dem beruflichen Werdegang unseres Protagonisten seine persönliche Wahrnehmung der Schneekatastrophe 1978/1979 … und noch weitere Erlebnisse – bis in die Gegenwart!

- WERBUNG -